Ich gehöre zu den Menschen, die nach dem Alter gefragt, zuerst mal kurz zurück zum Jahrgang rechnen müssen. Die Frage, wie ich meinen Vierzigsten feiere, hat mich deshalb zuerst mal vor allem überrascht. Die Jahre fliegen. Schon wieder ist ein Erntejahr abgeschlossen, schon wieder wird das Vieh langsam auf die kalte Jahreszeit vorbereitet. War ich erst noch ein unerfahrener Junglandwirt, der progressiv neue Ideen verfolgte, führe auch ich jetzt seit zehn Jahren meinen eigenen Betrieb und ertappe mich, wie ich alt Hergebrachtes verteidige.

Ein Herzfehler

Man ist so alt, wie man sich fühlt, sagt man. Lange war ich einer, der sich immer jung fühlte. Als 35-Jähriger jedoch alterte ich sprunghaft. Im November 2019 verstarb mein älterer Bruder aufgrund eines unentdeckten Herzfehlers. Drei Monate später unterzog ich mich einer grossen Herzoperation, um den gleichen Herzfehler reparieren zu lassen. Nun erreiche ich bald die Lebenszeit meines verstorbenen Bruders. Alles, was jetzt kommt, hat er mir geschenkt.

Ich glaube, sagen zu können, wir haben diese schwierige Erfahrung als Familie gut gemeistert. So spielt das Leben. Es gilt zu akzeptieren und mit schönen Gedanken an Vergangenes den Blick nach vorne zu richten. Trotzdem, alles hinterlässt Spuren. Die Gesundheit und das Leben sind nicht mehr etwas Selbstverständliches. Ich mache mir bewusst mehr Gedanken über die Prioritäten, die ich mir bei den zahlreichen Möglichkeiten, die das Leben bietet, setze. In meinem Fall hat das nicht unbedingt dazu geführt, dass ich weniger arbeite, und meine Nebenjobs sind auch nicht weniger geworden. Aber ich mache mehr Musik, lese mehr Bücher und wir nehmen uns als Familie mehr Auszeiten.

Gesundheit ist ein Geschenk

Ich nehme mir auch mehr Zeit, um einfach nachzudenken. Jetzt gerade zum Beispiel schweifen meine Gedanken vom «älter werden» zum «gesund sein». Ein gesundes Leben ist ein Geschenk. Mir blieb es durch einen tragischen Schicksalsschlag und dank der modernen Herzchirurgie erhalten. Nun aber alles der Gesundheit unterzuordnen, ich glaube, das kann wiederum nicht gesund sein. Ich wünsche mir und all meinen Mitmenschen für die Zukunft, dass die Gesundheit etwas Nebensächliches und Selbstverständliches ist und bleibt. Dann nämlich fühlt man sich jung, egal wie alt man ist.

Zur Person
Christian Galliker ist Landwirt und Agronom FH. Er führt mit seiner Familie einen Biobetrieb mit ­Pouletmast, Ackerbau und Mutterkuhhaltung. Er ist Mitbegründer der Junglandwirtekommission Zentralschweiz.