Sie habe das Coronavirus unterschätzt, sagt Elisabeth Käser rückblickend. Im März war sie nach dem Besuch ihres Sohnes erkrankt. Er hatte zuvor Skiferien im österreichischen Ischgl verbracht und sich dort angesteckt. «Bei ihm nahm die Corona-Erkrankung aber einen viel milderen Verlauf als bei mir», erinnert sich die Präsidentin des Landfrauenvereins Leimiswil BE.
Die grosse Angst, jemanden anzustecken
Vier Tage nach dem Familienbesuch hatten sich bei ihr erste Symptome gezeigt. Was mit Fieber und Gliederschmerzen anfing, zwang sie bald mit hohem Fieber ins Bett. Hinzu kamen Atemnot und die quälende Sorge, ihre Söhne oder den Ehemann anzustecken. «Sie werden auf dem Betrieb zu 100 Prozent gebraucht», erklärt Käser. Ausser bei ihr brach aber bei keinem weiteren Familienmitglied Covid-19 aus. 10 Tage lang litt die Bäuerin zuhause, eine Woche im Spital mit Medikamenten, Infusion und Sauerstoff. «Noch nie habe ich mich derart krank gefühlt», erinnert sie sich.
Sohn und Ehemann übernahmen den Haushalt
Während ihrer Krankheit mussten Käsers Ehemann und Sohn den Haushalt mehrheitlich selbst führen. Die Bäuerin konnte zwar für sich sorgen, das Waschen, Kochen und Putzen konnte sie aber nicht übernehmen. Dank vorgekochter Menüs aus dem Tiefkühler mussten die beiden Männer trotzdem nicht allzu häufig an den Herd, der Roboterstaubsauger hielt den Boden sauber. Nur die Wäsche blieb zu einem Grossteil liegen, bis Elisabeth Käser aus dem Spital zurückkam. «Bei meiner Rückkehr war es aber nicht unordentlich. Man hat jedenfalls nicht auf den ersten Blick gesehen, dass hier für eine Weile keine Bäuerin zuhause war», meint sie rückblickend.
Stress hatte ihr Immunsystem geschwächt
Ein Test auf das Coronavirus durch den Hausarzt hat die Infektion bestätigt. Warum Covid-19 bei ihr zu einer derart schweren Erkrankung geführt hat, kann sich Elisabeth Käser nicht erklären: «ich gehöre zu keiner Risikogruppe für das Coronavirus und fühlte mich im Frühling gut.» Wahrscheinlich sei aber ihr Immunsystem nicht auf der Höhe gewesen, vermutet sie. Stress an ihrem früheren Arbeitsplatz, aber auch durch das vielseitige Engagement im Landfrauenverein hätten zu einer psychischen Belastung geführt. Hinzu kam eine Rheuma-Diagnose, die sie zur Einnahme von Medikamenten zwang und bei der sie ebenfalls einen Zusammenhang mit psychischem Stress sieht.
Das Coronavirus wird unterschätzt
Heute sei ihr Allgemeinzustand gut und Nachwehen spüre sie keine, meint die Landfrau. Über die Lockerung der Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus sei sie froh, «vor allem möchte ich wieder in eine Gärtnerei gehen und sagen können, was ich gerne hätte. Mein Garten ist noch überhaupt nicht bereit», erklärt sie. Online-Bestellungen seien nicht so ihr Ding.
Elisabeth Käser hat den Eindruck, dass viele Leute die Gefährlichkeit des Coronavirus und die Heftigkeit einer Infektion unterschätzen. «Man denkt, das treffe einem nicht – das seien sowieso die Chinesen». Auch sie habe nicht damit gerechnet, an Covid-19 zu erkranken.
Geschlossene Grenzen bringen Wertschätzung
Nicht traurig ist die engagierte Bäuerin über das derzeitige Verbot grosser Veranstaltungen. Das gebe ihr eine gewisse Ruhe, auch weil es nichts Derartiges zu organisieren gibt. Obwohl sie das eigentlich gerne mache, koste es doch jeweils viel Zeit und Mühe, führt Käser aus. «Von mir aus könnten auch die Grenzen immer mal wieder eine Weile geschlossen sein. So würden die Leute wieder ein besseres Gespür dafür bekommen, was die Schweizer Landwirtschaft alles leistet.» Dann würde es nämlich auch einmal einen Mangel an etwas anderem als beim Klopapier geben.
Im Moment sind die Leute zu Hause, müssen vermehrt selbst kochen und können sich Gedanken zur Herkunft ihrer Lebensmittel machen. «Ich hoffe sehr, dass das verbesserte Verständnis oder das gesteigerte Bewusstsein für die Herstellung und Herkunft von Nahrungsmitteln erhalten bleiben», so Käser.
Nicht viel anders als sonst
Für sie sei die aktuelle Situation mit den vom Bundesrat erlassenen Einschränkungen eigentlich nicht weit weg vom Normalzustand. Sie könne schliesslich immer noch (mit gebührendem Abstand) im Garten mit einer Kollegin Kaffee trinken. «Dabei kommt es allerdings sehr darauf an, wie man seinen persönlichen Lebensstil gestaltet», ist sich Elisabeth Käser bewusst. Wer für gewöhnlich Wochenend-Trips ins Ausland macht, für den sieht die Corona-Krise anders aus. Gerade im Reiseverkehr sieht sie aber auch eine Wurzel des Übels, denn an Flughäfen und Bahnhöfen kommen immer viele Menschen zusammen. Das Übertragungsrisiko steigt.
Viele Menschen versuchen im Moment, aus engen Wohnungen in der Stadt aufs Land auszubrechen. Das beobachtet auch die Berner Landfrau: «Auf unserem Land verläuft ein Wanderweg. Dort hat es jetzt viel mehr Wanderer und Velofahrer als üblich». Solange sie sich anständig verhalten würden, sei dagegen ja auch nichts einzuwenden.
Das, was wirklich wichtig ist
«Ich bin dankbar, Corona überstanden zu haben», resümiert Käser. Trotz einer möglichen Immunität achtet sie weiterhin darauf, die Abstands- und Hygieneregeln zum Schutz anderer einzuhalten. Im Moment ist die Corona-Krise für sie und ihre Familie in den Hintergrund getreten. Ein Sohn hatte einen schweren Unfall und liegt im Moment im Spital.
«Wir sind gesund, können nach draussen und arbeiten, darüber bin ich froh», erklärt sie. Elisabeth Käser scheint trotz dem, was sie erlebt hat und dem heiklen Zustand ihres Sohnes die Zuversicht nicht verloren zu haben und sieht sich angesichts der Corona-Krise in ihrer Lebensweise bestätigt. «Sobald mein Sohn wieder gesund ist, ist für mich alles in Ordnung. Familie, Gesundheit und Arbeit, das ist mir das Wichtigste».
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