Schon als kleines Kind hörte ich von meinen Eltern, dass alles immer teurer werde und man des­halb sparen müsse. Wenn zu Erntezeiten Onkel Seppi aus Ebi­kon LU uns auf seinem Motorrad der Marke Kreidler Florett RS besuchte, hatte er auch einen handbetriebenen Haarschneide-Apparat bei sich. Am Abend nach dem Heuen schnitt er damit meinem Bruder Alois und mir die Haare. Die Klin­gen waren nicht sehr scharf, der Apparat riss an meinen Haaren, bis mir die Tränen kamen.

Das hätte ich in Kauf zu nehmen, hiess es, denn der Coiffeur sei zu teuer. Als Kind hatte ich fast nie Geld im Sack. Nur wenn ich nach der Schule im kleinen Lädeli Kaffee, Aromat und für Vater Zigarren der Marke Villiger Mocca kaufte, gab mir Mutter etwas Geld mit. Eine Packung Villiger Mocca kostete zwar damals die für mich unvorstellbare Summe von zwei Franken, aber das Rauchen war Vaters einziges Vergnügen. Im Winter, wenn viel Schnee lag und es eiskalt war, kochte der Schul­haus­abwart für uns Kinder mit ­einem weiten Schulweg eine Schulsuppe. Damit mein Zmittag nicht so mager ausfiel, gab mir meine Mutter täglich 50 Rappen mit, damit ich mir vor der Schule in der Metzgerei einen Cervelat für 50 Rappen leisten konnte. Sackgeld erhielt ich nie von meinen Eltern, nur zu Weihnachten kleine Geld­geschenke von Gotte und Götti.  [IMG 2]

Obendrauf ein Handgeld

Jeweils einen oder zwei Franken gab es vom Viehhändler Grüter, wenn er ein Kalb, einen Stier oder eine Schlachtkuh von Vater abkaufte. Beim Handschlag mahnte mein Vater den Händler: «Der Preis stimmt, aber obendrauf gibst du ein Handgeld an meine Buben.» Wir beide, mein Bruder Alois und ich, erhielten darauf einen oder zwei Franken auf die Hand. Eines Tages, wir hatten gerade je einen Zwei­fränkler erhalten, sagte mein Bruder Alois zu mir: «Wenn du diesen mit Strom geladenen Weidedraht mit der Faust packst, bekommst du meinen Zweifränkler.»

Zwei Franken waren damals in meinen Augen eine enorme Summe Geld. Deshalb zögerte ich keine Sekunde und schloss meine Faust um den verzinkten Draht. Sofort spürte ich einen elektrischen Schlag in meiner Faust, was mir aber nicht als schmerzhaft vorkam, weil ich wie immer Gummistiefel trug. Voller Freude steckte ich die zwei Zweifränkler in mein Kässeli der Luzerner Kantonalbank, welches auf der Kommode in der Stube stand. «Spare für das Alter», mahnte mich meine Mutter unzählige Male. Und ich nahm die Mahnung ernst. Keinesfalls wollte ich als alter Mann um Essen und Kafi Schnaps betteln müssen, wie es damals die alten, durstigen Männer taten, welche von Hof zu Hof zogen. Neue Kleider oder Schuhe gab es für uns Kinder selten. Die meisten Kleider und Schuhe, welche ich trug, waren abgetragene Sachen meiner unzähligen Cousins. Ganz selten erhielt ich eine neue Sonntagshose. Kleider waren für mich keine Statussymbole, dafür machte es mich stolz, dass ich es als 10-Jähriger schaffte, ganz allein unsere Viehställe aus­zumisten.