Die Zäune sind gestellt, die Hütten geputzt und die Sennereien eingerichtet. In diesen Wochen wird das Vieh auf die Alpen getrieben. Doch mancherorts war es schwierig, die Alpstellen zu besetzen. Giorgio Hösli betreut die Stellenbörse auf zalp.ch und zeigt auf, dass von Dezember 2022 bis April 2023 deutlich mehr offene Alpstellen als Stelleninteressierte auf der Plattform zu verzeichnen waren.
Je nach Region und Alptyp unterschiedlich
Noch im Mai suchten 46 Alpen über zalp.ch nach Hirten, Zusennen und Allrounder. Je nach Region und Alptyp ist die Situation jedoch unterschiedlich. Ein zunehmendes Problem in allen Alpregion ist die Unzuverlässigkeit. Alppersonal, welches kurz vor Sömmerungsbeginn bekannt gibt, dass es doch nicht z’Alp will oder kann, ist eine grosse Herausforderung für Alpverantwortliche.
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Giorgio Hösli weist darauf hin, dass viele Leute, die auf der Online-Stellenbörse zalp.ch inserieren, zwar Interesse an einer Alpstelle haben, jedoch nicht zu 100 Prozent während der ganzen Alpsaison einsetzbar sind
«Das sind Menschen, die nur während wenigen Wochen Zeit haben oder sie wollen ihre Kinder, Hunde oder Pferde mit z Alp nehmen.»
Giorgio Hösli zu den Personen, die auf zalp.ch Stellen suchen
Solche Aushilfen sind vor allem bei Alpbeginn eine wertvolle Unterstützung. Wünschenswert ist jedoch eine Beständigkeit im Alpteam während des ganzen Sommers. Jeder Wechsel bedeutet neue Einarbeitungszeit und dadurch zusätzliche Belastung für die übrigen Teammitglieder. Wissen kann verloren gehen oder zwischenmenschliche Differenzen können entstehen. Auch die Fähigkeiten und Erfahrungen, welche das Personal mitbringt, sind sehr unterschiedlich und können eine Herausforderung für Teammitglieder und Alpverantwortliche darstellen.
Professionellere Schaf- und Ziegenhirten
Die Ansprüche, vor allem an Schaf- und Ziegenhirten, sind deutlich gestiegen. «Gute Leute brauchte es schon immer, doch mit der heutigen Wolfssituation braucht es mehr und professionelleres Personal», weiss Giorgio Hösli. Die Zaunarbeit und der Herdenschutz sind aufwändig und können vielerorts nicht mehr von einer Person abgedeckt werden.
[IMG 2] Kilometerlange Zäune müssen ausgemäht, Netze auf- und abgebaut werden, Schafe müssen nachts eingepfercht sein und die Arbeit mit den Hunden fordert zusätzlich. Besonders bei grösseren Schafherden braucht es über den ganzen Sommer mehr als einen Hütehund. Ansonsten werden die vierbeinigen Helfer zu sehr ausgepowert. Giorgio Hösli bringt ein: «Nicht jeder Schafhirte ist auch Hundehalter, man muss wissen, wie man mit Hüte- und Herdenschutzhunden arbeitet.» Und er stellt die berechtigte Frage, wo denn diese Hunde im Winter untergebracht werden sollen.
Töni Gujan, Alpverantwortlicher am Plantahof ergänzt, dass auch der finanzielle Aspekt eine wichtige Rolle spielt: «Viele Alpverantwortliche müssen sich auch die berechtigte Frage stellen, ob sie sich zusätzliches Personal überhaupt leisten können.»
Die regionalen Unterschiede sind gross
Die Alpstellenbesetzung ist je nach Region sehr unterschiedlich, momentan werden vor allem im Berner Oberland noch Arbeitskräfte gesucht. Auch im Kanton Graubünden gibt es noch offene Stellen. Während gut eingerichtete Kuhalpen wenig Probleme haben, ihre Teams zusammenzustellen, hapert es bei den Schaf- und Ziegenalpen, weiss Andreas Iten, Präsident der Fachkommission Alp- und Milchwirtschaft des Bündner Bauernverbandes: «Alpstellen auf grösseren Kuhalpen werden vermehrt wieder unter der Hand vermittelt und sind bereits im November besetzt. Je grösser jedoch das Risiko von Grossraubtieren, desto schwieriger ist es, Personal zu finden.»
Einsatz mittel Alpofon
Seit 22 Jahren vermittelt das Alpofon Helfer, die bei fehlendem Alppersonal, Überlastung oder Unfall auf den Alpen über kurz oder lang einspringt. Im letzten Sommer wurde dieser Dienst von 75 Alpbetrieben angefragt, doch nur wenige Helfer hatten sich bei der Organisation für Einsätze gemeldet.
In rund einem Viertel der Anfragen konnten wertvolle Arbeitskräfte vermittelt werden. Der langjährige Durchschnitt liegt jedoch bei 45 bis 50 % Vermittlungserfolg. Die ehrenamtlichen Betreiber des Alpofones machen darauf aufmerksam, dass sich auch diesen Sommer nur wenige Arbeitswillige bei ihnen angemeldet haben. Durch zusätzliche Aufrufe hofft die Selbsthilfeorganisation, dass sie ehemalige Älpler, Alpinteressierte und Landwirte zu spontanen Einsätzen motivieren können.
Mühsam für die Alpverantwortlichen ist es, wenn sie die Zusage eines Älplers bekommen, dieser sich im Frühling jedoch anders entscheidet und die Stelle doch nicht antreten möchte. Christian Beglinger ist Präsident des Glarner Alpvereins, in den letzten Wochen wurde er auf mehrere solche Fälle aufmerksam gemacht. Die kleineren und mittleren Alpbetriebe im Glarnerland werden meist von den eigenen Familienmitgliedern bewirtschaftet und brauchen wenig zusätzliches Personal.
«Auf den grossen Alpen, die auf drei bis vier Angestellte angewiesen sind, wird die Stellenbesetzung jedoch zunehmend schwieriger.»
Christian Beglinger, Präsident Glarner Alpverein
«Nein, ich komme doch nicht»
Kurzfristige Absagen sind auch in Graubünden ein zunehmendes Problem. Beispielsweise auf der Alp Gren in Obersaxen im Kanton Graubünden: «Nach kurzfristiger Absage unserer Schafhirtin suchen wir per sofort einen Hirten für 300 Schafe», das Inserat wurde am 24. Mai auf zalp.ch geschaltet. Auf Anfrage erzählte der zuständige Alpverantwortliche, dass noch vor drei Wochen die Älplerin geschrieben habe, sie würde sich auf den kommenden Alpsommer freuen, nun hat sie doch abgesagt.
[IMG 3] Töni Gujan erzählt, dass dieses Phänomen zugenommen hat und ein grosses Problem darstellt: «Wer bereitet die Alp vor? Woher nimmt man so kurzfristig einen Ersatz? Und wenn doch jemand einspringt, was kann er/sie und wie lange werden sie bleiben?» Der Berater vom Plantahof rät, sich nicht auf einen Handschlag zu verlassen, sondern frühzeitig die Arbeitsverträge zu unterzeichnen. Natürlich kann dies nicht verhindern, dass jemand kurzfristig abspringt, doch die Bindung hat dann offiziellen Charakter.
Die St. Galler Alpen sind gut besetzt
Im Sarganserland und Werdenberg wie auch dem Toggenburg konnten die Alpstellen gut besetzt werden. Nur wenige Alpen in diesen Regionen suchten bis in den Frühling. Marco Bolt, Alpberater am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen LZSG, verweist auf die Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
«Wir versuchen bei den landwirtschaftlichen Lernenden bereits in ihrer Erstausbildung das Interesse an der Alpwirtschaft zu wecken.»
Marco Bolt, Alpberater LZSG
Dazu werden die Wahlfächer Alpwirtschaft und Alpkäsekurs angeboten. Die einwöchigen Sennenkurse sind meist sehr rasch ausgebucht und werden von Alpneulingen stark genutzt. In den Wiederholungskursen bietet das LZSG den erfahrenen Sennen eine gute Austauschplattform.
Problematisch findet Marco Bolt die Personalwechsel, welche in den letzten Jahren stark zugenommen haben: «Vor allem junge Älplerinnen und Älpler wechseln häufig ihre Stelle. Ein solcher Wechsel ist für die Alpverantwortlichen immer mit viel Arbeit verbunden, langjährige Zusammenarbeiten wären wünschenswert.» Der in Mels wohnhafte Berater weiss auch, dass vor allem in seiner Region das «Älplern» in der jungen Generation sehr beliebt ist: «Viele Junge – auch aus der Nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung – warten nur darauf, dass gewisse Stellen endlich frei werden.» [IMG 4]