«Das ist meins.» Dieser Gedanke schoss Bernd Robbert durch den Kopf, als er das Stelleninserat des Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen (LZSG) entdeckte. In diesem suchte das LZSG einen Verantwortlichen oder eine Verantwortliche für den Aufbau des Bereichs Smart Farming. Und nachdem er das Rennen um diese Stelle am LZSG gewonnen hat, ist der 45-jährige Bauernsohn seit Mai 2018 beruflich wieder in der Landwirtschaft tätig.

Verhinderter Landwirt

Aufgewachsen ist Bernd Robbert auf einen Milchviehbetrieb in Norddeutschland. An sich hätte er gerne den elterlichen Betrieb übernommen. Doch dieser ging an seinen älteren Bruder. Robbert blieb trotzdem der Landwirtschaft treu.

Nach einer Lehre als Landwirt hängte er ein Studium zum Agraringenieur an. Robbert arbeitete zeitweise ausserhalb der Landwirtschaft, etwa in der Produktionsplanung einer Lebensmittelkette. Oder, vor seinem Wechsel ans LZSG, als Projektleiter bei der Einführung neuer Software in einem Betrieb der Automobilbranche im Fürstentum Liechtenstein. Das sind Aufgabenbereiche, in denen die Erfassung und der Austausch von Daten auf digitaler Basis sowie deren Interpretation eine zentrale Rolle spielen.

 

«Digitalisierung ist eine Investition in die Zukunft»

Bernd Robbert, «Digitali­sierung», «Smart-» und «Precision Farming» werden zumeist als Synonyme gebraucht. Meinen die Begriffe tatsächlich das Gleiche?

Bernd Robbert: Ich differenziere diese Begriffe gern, um auch die Unterschiede in der Zielsetzung abzugrenzen. Wir können es als eine zeitliche Entwicklung sehen. Precision Farming gab es schon in den 90er-Jahren mit Elementen wie Ertragskarten und Lenksystemen und der Automation. Die Begriffe «Smart-» und «Digital Farming» beschreiben ergänzend die Vernetzung der Anwendungen respektive der beteiligten Akteure.

Sie haben sich in verschiedenen Bereichen mit Fragen der Digitalisierung auseinandergesetzt. Gibt es da Unterschiede zur Ausgangslage in der Landwirtschaft?

Auf landwirtschaftlichen Betrieben verändern sich die operativen Einflüsse kontinuierlich, da vielfältige und nicht planbare Faktoren wie Wetter, Tiergesundheit und so weiter auf den Produktionsprozess einwirken. Das unterscheidet die Arbeitsbedingungen massgeblich von den Standardprozessen der Industrie. Ein Landwirt sieht seinen ganzen Betrieb mit den multifaktoriellen Einflüssen und will dazu die passenden Lösungen.

Im Kanton St. Gallen sind ­herkömmliche Milchvieh­betriebe sehr häufig. Welche Chancen eröffnen sich da durch das Smart Farming in der Tierhaltung?

Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Ich bin ein Verfechter einer ganzheitlichen Betrachtung. Digitalisierung ist kein Selbstzweck und jeder Betrieb ist anders und hat Stärken und Potenziale an unterschiedlichen Stellen. Digitalisierung ist teuer und somit eine Investition in die Zukunft. Dem Betrieb muss zuerst die eigene Ausrichtung klar sein, erst danach sollte eine Investition folgen. Ob das nun eine Stallkamera zur Behebung eines Problems ist, eine App zur vereinfachten Eingabe von Tierdaten oder gar die Anschaffung eines Fütterungsroboters zur Automatisierung im Stall: Das kann von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich sein.

Wo sehen Sie die Chancen der Digitalisierung im ­Pflanzen- und Futterbau?

Durch den Einsatz von Sensoren können Landwirte auf dem Feld Daten sammeln, analysieren und auswerten. Diese Daten sollten aber einen innerbetrieblichen Mehrwert bringen. Und das ist eine Frage der Datenverwertung. Als die wichtigsten Handlungsfelder sehe ich zwei Bereiche: in der Möglichkeit des Austausches von Daten von verschiedenen Herstellern. Da geht es zum Beispiel um den Austausch von Daten der Fütterungstechnik mit Daten der Melktechnik und Tiersensorik. Der zweite Bereich ist das Zusammenspiel von Innen- und Aussenwirtschaft. So könnten beispielsweise Daten der Futterqualität mit dem Aufschluss über Tierverhalten und Leistung kombiniert werden. Die Verfügbarkeit an Gras auf der Weide kann Auskunft geben über die Zusatzfütterung im Stall.

 

Zwar ist die Implementierung des Smart Farming in den Bereich Landtechnik einer Landwirtschaftlichen Schule eine Aufgabe mit einem langen Zeithorizont. Aber es gibt konkrete Projekte, die Robbert bereits angepackt hat.

Betriebsinterne Projekte

Beim gut 30 Hektaren grossen Gutsbetrieb des LZSG Salez handelt es sich um einen Milchviehbetrieb mit Acker- und Futterbau. Im Moment ist Robbert daran, diverse digitale Technologien zu implementieren:

Mechanisierung: Es wurde ein neuer Traktor mit GPS-Steuerung angeschafft. Ein alter Traktor wurde mit der GPS-Technologie aufgerüstet. In Planung ist die Anschaffung der nötigen Isobus-Geräte für eine Teilflächen- und Teilbreiten-Steuerung auf den Feldern. Etwa beim Säen oder beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln.

Tierhaltung: Die Kühe im Laufstall sind mit einem Bewegungs-Tracker ausgestattet. Dabei handelt es sich um einen Sender am Halsband der Kühe, der die Aktivitäten der Tiere misst und aufzeichnet. Bei richtiger Inter­pretation der aufgezeichneten Daten lassen sich auf dem ­Handy oder PC Rückschüsse auf ­deren Gesundheitszustand schliessen. Es lässt sich aber beispielsweise auch der richtige Zeitpunkt für eine KB erkennen.

Betriebsmanagement: Eine Ackerschlagkartei ist für den Gutsbetrieb im Aufbau. Dabei geht es um ein System, das die Dokumentation übernimmt. Weiter verwaltet es Schnittstellen zu den Maschinen, um zum Beispiel Spurlinien und Applikationskarten zu managen. Geplant ist auch, das Herdenmanagement in möglichst nur noch einem System zu führen.

Projekte in der Ausbildung

Bernd Robbert ist aber auch nach aussen aktiv:

Betriebsleiterschule: In der Betriebsleiterschule des BZB Rheinhof ist eine Ausbildungseinheit dem Smart Farming gewidmet. Beteiligt ist Robbert zudem an der Erarbeitung eines neuen Ausbildungsmoduls im Bereich Smart Farming. Partner in diesem Projekt sind neben dem LZSG das BBZ Arenenberg, sowie Strickhof und Plantahof.

Grundausbildung: Aspekte des Smart Farming werden in der landwirtschaftlichen Grundausbildung fachbezogen durch die Lehrpersonen in die Unterrichtseinheiten einbezogen. Vertieftes Wissen in diesem Bereich wird im 3. Ausbildungsjahr während der Wahlfachwochen angeboten.

Kurse und Weiterbildung: Das LZSG bietet auch Kurse und Weiterbildung im Bereich Smart Farming an. Geplant sind etwa Veranstaltungen, die den Bereich Farm-Management abdecken sowie eine Tagung zum Drohneneinsatz im Weinbau. Bereits durchgeführt wurde eine Gerätedemonstration im Bereich zentimetergenaues Hacken im Mais.

Versuche im Gemüsebau

In der Zusammenarbeit mit Gemüsebetrieben im St. Galler Rheintal geht es um die Auswertung der Daten von Wetter- und Bodenstationen, die digital erfasst werden. Bei den Bodenstationen handelt es sich um Sonden, welche die Feuchtigkeit im Boden ermitteln.

Bei der Auswertung dieser Daten geht es darum, zu ermitteln, zu welchem Zeitpunkt eine Kultur idealerweise bewässert werden soll. Dabei spielen Faktoren wie Bodenbeschaffenheit, die angebaute Kultur und die Exposition des Standorts eine zentrale Rolle. Bei dieser Kooperation mit Gemüsebetrieben soll abgeklärt werden, welche Technologie sich für welchen Betrieb und welche Kultur am ehesten eignet. Auch sind Prognosemodelle zur Optimierung der Zeitpunkte für Pflanzenschutz in der Erprobung.

Auf Bestehendes bauen

«In der Wissensvermittlung und der Beratung im Bereich Smart Farming setzt das LZSG einen Schwerpunkt auf den Wissenstransfer und nutzt die bestehenden Infrastrukturen und Gefässe», sagt Bernd Robbert. Dazu gehört eine Zusammenarbeit und der Austausch mit der Swiss Future Farm. Aber auch der Austausch mit den Fachleuten von Agroscope ist Robbert wichtig.

Der Gutsbetrieb werde auch inskünftig weiter in den Bereich Smart Farming investieren und die daraus resultierenden Erkenntnisse für Bildung und die Praxis verfügbar machen. Wichtig für die weitere Entwicklung des Bereichs Smart Farming sind aber auch anstehende politische Entscheidungen. Nicht zuletzt die Diskussionen um die AP 22+ wird die Ausrichtung des Bereichs Smart Farming in Salez massgeblich beeinflussen.