BauernZeitung: Wir treffen uns nicht bei Ihnen auf dem Betrieb, sondern auf der Geschäftsstelle des VTL. Warum?

Markus Hausammann: Ich gebe Interviews lieber auf neutralem Boden. Es war mir schon immer wichtig, Privates und Ämter zu trennen.

Am 27. September 2019 wurden Sie aus dem Nationalrat verabschiedet. Damit ging eine 32-jährige Politkarriere zu Ende. Was war das für ein Gefühl?

Die «Politabsenz» wird mir wohl  erst nach und nach wirklich bewusst werden. Ich hatte vor der Wintersession noch meine Kommissionsarbeiten abzuschliessen. In der Finanzkommission, die ich präsidierte, mussten wir das Budget 2020 vorbereiten. Das war eine sehr intensive Zeit.

Was behalten Sie aus Ihren acht Jahren als Nationalrat in besonders guter Erinnerung?

Die Möglichkeit, auf höchster Ebene die Schweizer Politik mitgestalten zu können.

Was bleibt eher negativ haften?

Mich dünkt, die Politik ist mehr schwarz-weiss geworden. Man verharrt in den Polen und hat Mühe, zur Lösungsfindung einen Schritt aufeinander zuzugehen. Das gilt für Links und Rechts. Ich bin meiner Linie immer treu geblieben. Meistens hat es sehr gut auf die Parteilinie gepasst, manchmal halt weniger.

Gib es einen Höhepunkt in Ihrer Nationalratskarriere?

Ja, verschiedene. Im Raumplanungsrecht konnte ich gute Inputs geben, was allerdings aufwendig war, weil ich nicht in der entsprechenden Kommission sass. Umso erfreulicher war es, dass ich mit meinem Einzelvorstoss doch etwas erreichen konnte.

In der Finanzkommission war das alljährliche Landwirtschaftsbudget ein Dauerthema. Dort konnten wir den Level halten, es war aber Jahr für Jahr ein ziemlicher Kampf. Ein weiterer persönlicher Aufsteller ist die aktuelle Zustimmung des Parlaments zur Aufstockung der Mittel für die Pflanzenzüchtung und für das Forschungsinstitut für biologischen Landbau – zwei Geschäfte, die wir in der Finanzkommission vorbereiteten.

Ihr Höhepunkt als Präsident des Verbands Thurgauer Landwirtschaft?

Eine der tollsten Sachen, bei denen ich aktiv mitwirken konnte, war die Fusion aller Bereiche des Bauernverbands zum heutigen VTL. Mich freut auch, dass die Thurgauer Landwirtschaft gesamtschweizerisch wahrgenommen wird, wir bringen uns aktiv in verschiedensten Gremien ein.

Sie wurden 2010 zum VTL-Präsident und ein Jahr später in den Nationalrat gewählt. Wie bringt man das mit einem Landwirtschaftsbetrieb unter einen Hut?

Das ist tatsächlich eine grosse Herausforderung. Man braucht zuerst einmal den Rückhalt der Familie, da hat meine Frau den grössten Verdienst. Ich war in den letzten acht Jahren zudem auf einen stellvertretenden Betriebsleiter angewiesen – sonst wäre das nicht gegangen. Es ist aber ein generelles Problem, dass es immer schwieriger wird, professionelles Personal für die Unterstützung auf den Betrieben zu finden.

Wie hat sich die Landwirtschaft, insbesondere die Thurgauer Landwirtschaft, in den letzten zehn Jahren verändert?

Die Produktivität hat weiter zugenommen. Im Kanton Thurgau gibt es viele Betriebe, die sich spezialisiert haben. Die vielseitigen Betriebe gibt es schon auch noch, aber das sind dann vor allem grössere Betriebe.

Bedauerlich ist, und das ist ein gesamtschweizerisches Problem, dass der Stundenlohn der Bäuerinnen und Bauern trotz mehr Umtrieb und Aufwand tief geblieben ist. Die Leistungssteigerung auf den Landwirtschaftsbetrieben führte nicht per se zu einer höheren Abgeltung für die Bauernfamilien.

Wie stehen Sie der AP 22+ gegenüber?

Persönlich habe ich das Gefühl, wir befinden uns in einer Sackgasse. Wir müssten den Mut haben, auf der grünen Wiese an neuen Modellen herum zu studieren, um den Herausforderungen gerecht zu werden. Die Landwirtschaft ist aufgerufen, sich Gedanken zu machen, wie es in vier Jahren weitergehen soll. Das muss man irgendwie anders aufgleisen.

Im Kanton Thurgau arbeiten wir an einem entsprechenden Projekt. Das nennt sich 3V: Vertrauen, Verantwortung, Vereinfachung. Wir sind aber noch am Anfang. Das Ziel muss sein, die Betriebsentwicklung gesamtheitlich von unten her zu steuern und nicht von oben, von Bundesstufe mit Einzelmassnahmen und finanziellen Ködern an die Betriebe, wie es heute der Fall ist.

Wofür haben Sie jetzt mehr Zeit?

Bis jetzt merke ich noch nicht viel von mehr Zeit. Vorher  hatte ich fast meine gesamte Freizeit der Politik geopfert. Das ist das Los des Milizpolitikers. Jetzt bin ich in erster Linie wieder mehr Bauer. Sicher werde ich die Abende geniessen, an denen ich keine politischen Verpflichtungen mehr habe. Aber ich bin ja noch drei Monate VTL-Präsident und bis im Herbst 2020 als SBV-Vorstandsmitglied miteingebunden.

Gab es denn Anfragen für neue Ämter?

Ja, einige sogar. Bis auf zwei kleinere Sachen musste ich alles ablehnen. Ich will mich zuerst neu organisieren und nicht wieder mit 150 Prozent in den nächsten Lebensabschnitt starten.

Haben Sie sich Vorsätze fürs neue Jahr, für die Zeit nach Abgabe des VTL-Präsidiums genommen?

Ich habe mir vorgenommen, den Betrieb so einzurichten, dass mein Junior noch ein bisschen Erfahrungen sammeln kann. Er hat in der letzten Phase meine Stellvertretung auf dem Betrieb übernommen und soll nun die Möglichkeit haben, mit 20 Jahren noch etwas von der Welt zu sehen. Ich werde gefordert sein, das mit meinem mittelgrossen, tierintensiven Betrieb zu meistern.

 

Zur Person

Markus Hausammann (55) ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Er führt in Langrickenbach einen Landwirtschaftsbetrieb mit 45 Milchkühen und 20 ha Land. Hausammann war von 2011 bis 2019 Thurgauer SVP-Nationalrat. Seit 2010 präsidiert er den Verband Thurgauer Landwirtschaft, dessen Führung er im April abgeben wird.