An den 27. März 2014 kann sich Pia Läng erinnern, wie wenn es gestern gewesen wäre. Zum ersten Mal hatte sie in ihrer noch nach «neu» riechenden Eventküche gekocht.
«Es gab Cordon bleu, Rosmarinkartoffeln, glasierte Karotten und Meringueparfait mit Früchten», erinnert sie sich. Sie strahlt, wenn sie vom Entzücken der werkenden Gruppe erzählt. Die hatte sich etwas «Währschaftes» gewünscht und war begeistert über das selbst gemachte Paniermehl, das aus hellen und dunklen Brotresten gemahlen und dann «im Anke chüschtig» gebraten wurde.
«Das kannten nicht alle. Altes Brot gibt es für mich nicht, es gibt immer etwas daraus zu machen. Paniermehl oder Cracker oder Brotauflauf.»
Eventküche im Emmental
Pia Läng kocht in ihrer gut ausgestatteten Eventküche mit Gruppen. Das «Mit» liegt ihr am Herzen: «Ich be-koche nicht.» Eine «Bekochung», sprich ein Catering-Angebot in diesem heimeligen Ambiente wäre zwar sehr gefragt, sie erhalte wöchentlich Anfragen, doch das wäre nichts für sie.
Pia Längs Kochphilosophie heisst dabei: Die Schätze ihres Landwirtschaftsbetriebes zu mehrgängigen Leckerbissen veredeln. Was Garten, Stall, Acker hergeben, kulinarisch nutzen.
Und dann in der Gruppe, alle am sorgfältig gedeckten Tisch mit den 14 Stühlen, geniessen, würdigen, feiern. Auf ihrer Website beschreibt die Eventköchin dies als «Traum, der in Erfüllung ging».
Doch bis Pia Längs Traum Realität werden, sie mit dem Skizzenblock in der Garage Ideen aufs Papier bannen konnte, verging viel Zeit. Auch ein Berg Mut musste aufgebaut werden.
Zutat 1: Kochfreude
Von Anfang an: Bei den Schertenleibs, so Pia Längs lediger Name, prallten zwei Küchen aufeinander: Basler und Berner. Mütterlicherseits wurde zum Sauerkraut Knöpfli serviert, väterlicherseits Salzkartoffeln.
«Das nahmen wir ufs Luschtigi, Essen war bei uns Zu Hause immer irgendwie Thema», erzählt Pia Läng. Die junge Frau geht gerne zur Kochschule, das «Berner Kochbuch» aus dieser Zeit hortet sie noch heute.
Nach der Schule besucht sie die hauswirtschaftliche Fortbildungsschule, verantwortet das Kochen. Als es um die Berufswahl geht, spaziert sie in ein Sportartikelgeschäft, bekommt prompt die Lehrstelle. Nach der Lehre arbeitet sie ein Jahr in Kanada als Au-pair und dann, wieder zurück, sieben Jahre als Sportartikelverkäuferin.
Ausbildung zur Bäuerin
Dann zieht es sie in die Pflege. Sie leitet Aktivierungstherapien an, kocht erstmals mit Gruppen. Nachdem sie zu ihrem Markus auf den Hof gezogen ist, kocht sie zwei Jahre im lokalen Kinderheim und lässt sich zur Bäuerin ausbilden.
«Auf dem Hof war alles offen für das Kochen», sagt sie. Gemeint ist: Als ein Überfluss an Früchten bestand, beginnt sie diese zu Likören, Konfitüren, Sirupen zu verarbeiten. Es folgen selbst gemachte Öle, Essige und Pestos.
«Chunscht mit z’Märit?“, wird sie von anderen Bäuerinnen gefragt und zögert nicht. Bald stellt sie auch Dekorationen her, nach dem Motto «ums Hus laufä und us dem öppis mache».
Heutiere und Blumengestecke gefallen, der Dorf-Coiffeur fragt an, ob sie künftig sein Schaufenster aufpeppen würde? Weitere Geschäfte folgen, Pia, die mittlerweile «Läng» heisst und Mutter ist, hat die perfekte, weil planbare, Beschäftigung gefunden.
Zutat 2: Die Chance nutzen
Ist sie bei Kunden, schauen Mann Markus oder die Grosseltern auf Tochter Nora (15 Jahre) und Sohn Joel (13 Jahre), beide damals noch Kleinkinder. Das Mädchen ist schwerstbehindert, braucht Rundumpflege. Ganz auswärts arbeiten kann Pia Läng nicht, sie weiss: «I wott daheimä si».
Die Längs sind gesellige Leute, laden gerne Gäste zu einem Mehrgänger oder einer Pizza aus dem selbst gebauten Ofen ein. Für Geburtstage stellt die Bäuerin aufwendige Sandwichtorten her. «Kannst du mir zeigen, wies geht?», wird sie dann gefragt.
Die Zeit scheint reif, eigene Kochkurse auszuschreiben. Doch dazu bedarf es noch einer weiteren Zutat: Mut.
Als der Jodelklub, bei dem sie damals Mitglied ist, eine Kochlehrerin für ein Gemeinschaftserlebnis sucht, schlägt sie sich mit laut klopfendem Herzen selber vor.
Es klappt: Im Jahr 2009 führt sie erstmals in der Schulküche eine Gruppe durch ein Menu. Ihre Art, nur so viel zu zeigen wie nötig, kommt an. Die Kurse setzen sich fort. Ihr Mut wächst.
Zutat 3: Eine neue Realität schaffen
Bald gibt es kein Zurück mehr. «Es war jetzt klar, dass ich mein grosses Hobby auf dem Hof anbieten wollte.» Der Hof, das ist ein 203 Jahre altes, denkmalgeschütztes Emmentaler Bauernhaus mit tief runtergezogenem Walmdach.
Die Längs wohnen hier in dritter Generation, fleissige Bauern, wohl ohne Ansprüche, wie es früher gang und gäbe war.
Ihren Traum, die Eventküche, sieht sie in der Dreifachgarage. Als sie mit dem Skizzenblock darin steht, weiss sie genau, was sie will: Gemeinsam um eine Insel kochen, gemeinsam an einem Tisch essen.
Der Idee folgt die Planung in 3-D mit dem Küchenbauer. Er ist es auch, der das geeignete Material für die übergrosse Platte der Insel findet. Sie ist das grosszügige Zentrum im Raum.
Bevor sie am 27. März 2014 zum ersten Mal auf dem Hof mit einer Gruppe hier kocht, verlässt sie der Mut dann doch noch für einen Moment.
Kann ich das?
«Kann ich das bewältigen?», zweifelt sie. Das fragt sie sich längst nicht mehr. Mittlerweile, sagt sie, müsse sie manchmal fast «etwas bremsen». So begehrt ist ihr Angebot auf dem heimeligen Hof.
2018 ist etwas Neues dazugekommen: Für Chauffeur-Unternehmen hat sie ein eigenes Modul massgeschneidert. «Fit im Job – Gesundheit und Ernährung» heisst es und richtet sich an Fahrer, die eine C-Zulassung (für Güter) anstreben.
Diese müssen sich weiterbilden, in Koppigen findet einer der Wahlpflichtkurse statt. «Mit 150 Männern habe ich allein in diesem Jahr Mahlzeiten to go zubereitet und Ernährungslehre durchgenommen», erklärt Pia Läng.
«Koch-mit» brummt. Mit-Träumenden rät sie: «Einen Traum zu verwirklichen, ist das eine. Ihn richtig zu leben, ist das andere. Darum gut prüfen, was er alles mit sich bringt. Damit der Traum nicht zum Albtraum wird!»
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