Erstmals werden Anfang September am LZ Liebegg unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Bauernverband Aargau und weiteren Partnern sogenannte «Open Farming Hackdays» durchgeführt. Wir fragten bei den Organisatoren nach, was damit bezweckt wird.
Wieso werden solche Hackdays erstmals für die Landwirtschaft durchgeführt?
Matthias Müller: Die Land- und Ernährungswirtschaft ist im Umbruch und steht vor grossen Herausforderungen. Hier sind nun innovative Lösungen für die Zukunft gefragt. Mit den in der Schweiz ersten Hackdays in der Landwirtschaft sollen diese nun erforscht und gefunden werden. Die Produzentinnen und Produzenten sollen in Zukunft datenbasierte Applikationen und Tools erhalten, mit denen sie effizienter und nachhaltiger wirtschaften können.
Wer wird für die Teilnahme angesprochen?
Urs Podzorski: Wir erwarten zwischen 60 bis 100 kreative Köpfe. Den Kern sollen dabei die Landwirtin und der Landwirt bilden, die tagtäglich mit den Herausforderungen in der Landwirtschaft konfrontiert sind. Das können Betriebsleiter, Mitarbeiter auf einem grossen Betrieb, Lehrlinge oder Studierende sein. Wir sind da völlig offen. Einzige Bedingung ist die Bereitschaft, sich während zwei Tagen für die Landwirtschaft zu engagieren.
Im Fokus stehen aber auch Akteure aus landwirtschaftsfremden Branchen. Wollen die Bauern mit unterschiedlichen Typen von Leuten an neuen Lösungen tüfteln?
Müller: Der grosse Vorteil ist, dass jeder der mitmacht, sich und seine Stärken in die Entwicklung einer Lösung einbringen kann. Dies erlaubt es, über den Tellerrand hinauszublicken, und auch mal in eine ganz neue Richtung zu denken. Gerade «landwirtschaftsfremde» Personen sind völlig unbefangen und können wertefrei ganz andere Ideen einbringen.
Besteht nicht gleichwohl das Risiko, wenn Bauern mit Konsumenten, Forschern, Querdenkern usw. zusammenkommen, dass da primär über Sinn und Unsinn der Agrar-politik und über die heutigen Probleme der Landwirtschaft bzw. utopische Vorstellungen von Nicht-Bauern diskutiert und gestritten wird?
Müller: Klar wird es Diskussionen geben, diese sollen auch Anstoss sein, aus bestehenden Denkmustern auszubrechen. Ein wichtiges Ziel solcher Hackdays ist auch immer, verschiedene Menschen zusammenzubringen. Da aber die Lösungen der Gemeinschaft präsentiert werden sollen, wirkt dies auf die Teilnehmenden sehr motivierend, sich sofort an die Arbeit zu setzen. Dabei entstehen jeweils sehr produktive Gruppendynamiken.
Wie muss man sich den Ablauf vorstellen?
Podzorski: Zu Beginn am Freitagmorgen werden die Challenges vorgestellt. Challenges sind aktuelle Herausforderungen, die es an den Hackdays zu bearbeiten und eine Lösung zu finden gilt. Eine Lösung kann eine App, eine Website oder auch ein neues Konzept sein. Es muss nicht zwingend programmiert werden. Nach der Vorstellung können die Teilnehmenden selbst entscheiden, welche Challenge sie bearbeiten wollen. Daraus bilden sich dann automatisch Gruppen von zwei bis maximal 10 Personen, die dann während 32 Stunden an ihrer Challenge arbeiten. So kommt dann beispielsweise ein Landwirt mit einer Programmiererin, einem Forscher und einer Studierenden zusammen. Am Samstagnachmittag werden die entwickelten Lösungen der Gemeinschaft vorgestellt. Es werden mindestens 10 Challenges bearbeitet und die Erfahrung zeigt, dass rund die Hälfte der Projekte nach den Hackdays weiterverfolgt werden.
Basis sind «offene Landwirtschaftsdaten, anhand derer kreative Ideen und Prototypen entwickelt werden sollen, um die Land- und Ernährungswirtschaft von morgen aktiv mitzugestalten». Was kann man sich darunter vorstellen?
Podzorski: Wir machen ein Beispiel. In der Milchwirtschaft wird die Kuh sehr detailliert ausgemessen und es werden verschiedenen Daten erhoben (Laktationswerte, Milchproduktion, usw.). Das Problem ist, dass diese Daten nicht zusammengebracht werden, da sie von unterschiedlichen Firmen mit ihren Programmen und Sensoren generiert werden. Die Idee ist nun, diese Daten zusammen auszuwerten und daraus eine Prognose über die Gesundheit der Kuh zu erstellen. Dadurch lässt sich Antibiotika gezielter einsetzen, da der Landwirt nun weiss, wann seine Kuh wirklich krank ist und wann nicht.
Gibt es weitere Themen, die behandelt werden sollen? Gemäss Konzept werden ja bereits Stichworte wie bäuerliche Realität, CO-Kompensation oder Labelsalat genannt?
Müller: Es bestehen weder Einschränkungen noch Vorgaben zur Thematik einer Challenge. Da sind wir völlig offen und wollen der Kreativität freien Lauf lassen. Auf der Website sind die nun bereits eingegebenen Challenges einsehbar. Diese stammen von unseren Partnerorganisationen wie dem Bauernverband Aargau (BVA), Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) oder dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Es kann aber Jede und Jeder eine Challenge eingeben. Die Challenge-Sammlung wird nun stetig wachsen. Manchmal werden sogar an den Hackdays selbst noch neue Challenges spontan eingegeben. Ziel ist es, dass diese Hackdays jährlich wiederkehrend statt-finden.