Vielerorts wird Mais gesät. Die meisten Landwirte pflügen das Feld und bringen so Boden aus etwa 20 Zentimetern Tiefe an die Oberfläche. Danach lassen sie das Feld ein paar Stunden bis Tage abtrocknen und bereiten mit der Egge ein gleichmässiges Saatbett vor. Eine andere, beliebte Variante ist die Aussaat in ein gegrubbertes Feld. Dabei wird der Boden nicht gewendet, aber das Gerät lockert die oberste Bodenschicht auf.
Von den Pionieren gelernt
Der Meisterlandwirt Philipp Fehlmann hat auf seinem Hof nie einen Pflug oder Grubber benutzt, in seinem Maschinenpark in Möriken AG steht nur eine Direktsaatmaschine. Vor sieben Jahren hat der 28-jährige den Hof seines Vaters übernommen und bewirtschaftet ihn gemeinsam mit seinem Bruder. Ihr Vater Ueli war von Anfang an dabei, als 1995 die Schweizerische Gesellschaft für bodenschonende Landwirtschaft ins Leben gerufen wurde.
Ein Nachteil sei der grosse Maschinenpark
Ziele von Swiss No-Till sind die Förderung und der Austausch über Direktsaat, dazu bietet die Vereinigung Informationsveranstaltungen und Merkblätter an. Die No-Till Mitglieder sehen im Einsatz von Pflug und Co. hauptsächlich Nachteile, einer davon ist der grosse Maschinenpark, den herkömmliche Landwirte haben. «Bereits als kleiner Junge ging ich mit meinem Vater an die No-Till-Treffen. Ich bin damit aufgewachsen, dass wir statt Pflug, Rototiller, Kulturegge, Walze und Sämaschine nur die Direktsaatmaschine auf dem Hof hatten», sagt Fehlmann, inzwischen Vorstandsmitglied im Verband.
Den Pflug einfach weglassen, funktioniert schlecht
Die Direktsaat-Bewegung ist in der Schweiz relativ jung. In den 90er-Jahren hatte man den Pflug weggelassen, ihn aber durch nichts ersetzt. «Man passte kaum einmal die Sorte oder die Fruchtfolge an. Folglich fielen die Erträge kleiner aus, Problemunkräuter, Schnecken und Pilzbefall nahmen zu. Daraufhin hat man viele Pflanzenschutzmittel eingesetzt», sagt Bernhard Streit, Dozent Verfahrenstechnik im Pflanzenbau an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL). Das habe viele Direktsaat-Landwirte nicht befriedigt. Anfang der Nullerjahre begannen diese, nach den Prinzipien der konservierenden Landwirtschaft zu arbeiten.
Konservierende Landwirtschaft als Gesamtkonzept
Ein Gesamtkonzept, sagt Philipp Fehlmann: «Die konservierende Landwirtschaft steht auf den drei Pfeilern Bodenruhe, Bodenbedeckung und Pflanzenvielfalt.» Der Boden soll nicht umgepflügt werden, stets bedeckt sein und durch eine vielfältige Fruchtfolge den Einsatz von Dünger sowie Pestiziden vermindern. Die Direktsaat ist also eines der Prinzipien in der konservierenden Landwirtschaft, welche die natürlichen Ressourcen optimal nutzen und Ökosystemdienstleistungen fördern soll.
Konservierende Landwirtschaft
Ziel der konservierenden Landwirtschaft ist die optimale Nutzung von natürlichen Ressourcen. Die Natur mit ihren Ökosystemdienstleistungen soll gefördert werden. Das Konzept wird auf dem gesamten Hof, bevorzugt im Ackerbau und der Tierhaltung umgesetzt. In den 1990er Jahren hat die konservierende Landwirtschaft (auch conservation agriculture (CA) genannt) eine landwirtschaftliche Revolution in Brasilien, Argentinien und Paraguay ausgelöst. Landwirtschaftliche Forschungsstationen brachten die Erkenntnisse nach Asien und Afrika, wo sich das System exponentiell verbreitet hat. Nach dem Milleniumswechsel fanden industrialisierte Länder (Australien, Kanada, USA, Europa) vermehrt Gefallen an der Methode, so auch einige Schweizer Landwirte.
Gründüngungen gegen Unkraut
Beim pfluglosen Anbau wird auf die mechanische Bodenbearbeitung verzichtet, denn der Boden hat erste Priorität, wie Philipp Fehlmann sagt. Damit die Kulturpflanze nicht von Unkräutern überdeckt wird, setzt er auch auf Gründüngungen und Untersaaten. «Bei der Gründüngung säe ich eine Mischung von Sonnenblumen, Phazelia, und diversen Leguminosen wie Ackerbohnen und Erbsen auf das Feld. Die haben alle verschieden tiefen Wurzeln und erreichen verschiedene Bodenschichten», erklärt Fehlmann. Die Mischung bleibt von Herbst bis Frühling auf dem Feld, friert im Winter ab und bedeckt danach den Boden. Fehlmann sät Ende April den Mais direkt in das Feld, das noch Reste der abgefrorenen Gründüngung aufweist. Beim Mais setze er einmal gezielt ein Herbizid ein, bei der Kunstwiese mit den mehrjährigen Wurzeln brauche er Glyphosat, so Fehlmann.
Der Stickstoff wird im Boden gehalten
Dafür verhindert die permanente Bodenbedeckung, dass Stickstoff aus dem Boden ins Gewässer gelangt und speichert sogar Stickstoff aus der Atmosphäre, den Fehlmann später nicht in Form von Kunstdünger auf das Feld bringen muss. Eine andere Art, den Unkräutern ohne Herbizide und mechanische Bodenbearbeitung den Garaus zu machen, ist die Untersaat. «Dazu säe ich eine Mischung aus Hülsenfrüchten in den Rapsbestand, wenn die kleinen Pflänzchen schon sichtbar sind. Das deckt den Boden und kommt den Unkräutern zuvor», sagt Fehlmann.
Das Herbizid-Problem
Das System der Direktsaat braucht viel Know-How und wird wohl darum nur von einem kleinen Teil der Landwirte umgesetzt. Von der gesamtschweizerischen Ackerfläche (275᾿439 Hektar) werden knapp 5% mit Direktsaat bewirtschaftet, schätzt Bernhard Streit. Es bestehe ein Interessenskonflikt zwischen Schutz von Boden und Weglassen von Herbiziden, so der Dozent. Wenn die Unkräuter nicht mechanisch beseitigt oder durch Gründüngungen unterdrückt werden, muss eben ein Herbizid her. Und angesichts der zunehmenden gesellschaftlichen Kritik an Pflanzenschutzmitteln sei der pfluglose Anbau für viele Berater und Landwirte keine Lösung, sagt Streit.
«Das pfluglose Verfahren ist bisher nur in Kombination mit Glyphosat möglich», sagt Hansueli Dierauer, Leiter Anbautechnik Ackerbau am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Er hat mit seinem Forschungsteam etliche Versuche von Direktsaat ganz ohne Herbizide gemacht. Überwinternde Gründüngungen wurden mit einer Messerwalze statt mit Herbiziden zerstört. Alle Versuche hätten gezeigt, dass es nur selten vergleichbare Erträge mit Pflug- oder Mulchsaaten gab.
Das meiste Glyphosat wird in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt
Bernhard Streit will aber nicht den Direktsaat-Bauern die Schuld für den Glyphosat-Einsatz zuschieben. «Die Hauptmenge von Glyphosat wird auf der konventionell bewirtschafteten Fläche eingesetzt», sagt der Dozent. Viele Bauern hätten sich 2009 und in den Folgejahren zum Förderprogramm Boden im Kanton Bern angemeldet und so habe die Direkt- und Mulchsaat an Anhängern gewonnen. 2017, mit dem Anfang des Berner Pflanzenschutzprojekts und damit Anreizen für den herbizidlosen Anbau, haben sich viele wieder von der Direktsaat abgewandt.
Und das obwohl seit 2014 ein Landwirt, der sich für Direktzahlungen zu Gunsten der schonenden Bodenbearbeitung anmeldet, maximal 1,5 Kilo Glyphosat pro Hektar einsetzen kann statt die zuvor erlaubten 4 Kilo pro Hektar. «Eine Reihe von Fehlinformationen zu den Möglichkeiten der Unkrautunterdrückung dank konservierender Landwirtschaft oder über den Nutzen einer unversehrten Bodenstruktur haben zu Verunsicherungen geführt», bedauert Streit.
Wissen zur Direktsaat gibt es vor allem auf Eingeninitiative
Der Interessenskonflikt ist für Philipp Fehlmann nicht verständlich. «Wir setzen auf unserem IP-Suisse-Hof nur noch 80% der Herbizide ein, die wir vor dem Umstellen auf die Direktsaat ausgebracht hatten», sagt der Praktiker. In seiner Ausbildung hat er erfahren, dass die Direktsaat längst nicht für alle Landwirte eine Alternative darstellt. «Ich finde es schade, dass in den landwirtschaftlichen Schulen kaum auf die Option Direktsaat eingegangen wird», sagt der Meisterlandwirt und fügt gleichzeitig an, dass es auch eine gewisse Eigeninitiative brauche, um sich Wissen in dem Bereich anzueignen.
Berufsbildner müssen Funktionierendes vermitteln
Dass die Direktsaat in den Schulbüchern kaum vorkomme, ist für den Hochschul-Dozenten Bernhard Streit kein Anlass für Vorwürfe an die Berufsbildner. «Ein Lehrer muss in der Berufsbildung Dinge vermitteln, die sicher funktionieren, ähnlich einem Rezept von Betty Bossi. Das konventionelle System funktioniert mit all seinen Vor- und Nachteilen, das System Direktsaat ist noch nicht etabliert», sagt Streit und plädiert an die Eigeninitiative von interessierten Lehrlingen. Allerdings vermisse er beim Wissenstransfer den Fokus auf den Bodenschutz. Der Grundtenor laute fast überall «Bodenbearbeitung ist wichtig», so Streit.
Aktuell zu hohes Risiko für Biobauern
«Mit Futtereiweisserbsen als Gründüngung über den Winter und idealer Temperatur und Feuchtigkeit können die Erträge mit dem Pflugverfahren mithalten», sagt Hansueli Dierauer vom FiBL. Kein Wunder setzt sich das Verfahren Direktsaat im Biolandbau (noch) nicht durch. Zu gross sei das Risiko für die Landwirte, dass die genannten Bedingungen nicht stimmen würden. Dierauers Team ist sich einig, dass die Mulchsaat, eine oberflächige Bearbeitung des Bodens bis maximal 10 Zentimeter, ein guter Mittelweg sei.
Direktsaat passt zum Klimawandel
Fehlmann seinerseits kommt regelrecht ins Schwärmen, wenn er von der Direktsaat erzählt: «Unsere Anbauweise schont Boden und Klima, zum Beispiel weil wir weniger mit dem Traktor übers Feld fahren. Das spart Diesel und verdichtet den Boden nicht.» Klingt nach Zukunftsmusik. Das sei es auch, sagt Bernhard Streit von der HAFL, der neben seiner Tätigkeit an der Hochschule auch Direktsaaten mit der eigenen Sämaschine durchführt. «Das System ist ganz klar dem Klimawandel angepasst. Bei weniger Niederschlägen oder Starkniederschlägen sind wir im Vorteil, wenn der Boden nicht übermässig mechanisch bearbeitet wurde, das hat sich in den letzten Jahren gezeigt.»
Zum Betrieb
Philipp Fehlmann baut gemeinsam mit seinem Bruder Patrick in Möriken Weizen, Zuckerrüben, Gerste, Urdinkel und Mais an. Zusätzlich kultiviert er Raps und Sonnenblumen, die in der eigenen Anlage zu Öl gepresst und in den Hofläden der Region verkauft werden. Zum Hof gehören 25 Milchkühe und ihr Nachwuchs sowie 10 Mutterkühe. Den Stall für die Tiere teilt er mit einem Landwirt aus der Nachbarschaft.«Ich hoffe, dass die Direktsaat in fünf Jahren auch im Bio genügend erprobt ist. Dann will ich gerne umstellen», sagt Philipp Fehlmann.
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