Eigentlich weiss man es schon länger, aber das Jahr 2024 mit der nassen ersten Hälfte hat es einmal mehr deutlich gezeigt: Wir müssen die landwirtschaftliche Produktion noch viel konsequenter den klimatischen Tatsachen anpassen. Ich schliesse mich da mit ein. Entweder schlagen wir uns mit Hitze und Trockenheit herum oder dann mit andauernden Regenperioden, Starkniederschlägen und Hagelstürmen mit immer kürzeren Zeitfenstern für eine vernünftige Feldarbeit. Natürlich hat es Extremereignisse in den letzten 40 Jahren, die ich beruflich an der Front erlebt habe, schon immer gegeben. Nur häuften sich diese Vorkommnisse in den letzten 10 bis 20 Jahren eindeutig.
Gelerntes stimmt nur noch teilweise
Den Klimawandel kann ich als Bauer allein nicht aufhalten, also muss ich lernen, mit ihm zu leben, wenn ich weiterhin Erfolg haben will in der Nahrungsmittelproduktion. Einiges, was wir vor 40 Jahren in der landwirtschaftlichen Ausbildung gelernt haben, mag damals richtig gewesen sein oder es hat sich erst später als falsch erwiesen. Heute stimmt es allenfalls noch teilweise. Das mit der Winterfurche war zum Beispiel damals eine gute Sache. Heute funktioniert es kaum mehr, weil in unseren Breitengraden in der Regel schlicht die nötigen Minusgrade ausbleiben. Die optimalen Saatzeitpunkte verschiedener Kulturen haben sich deutlich verschoben. Die Futterproduktion im Talgebiet ist im Sommer eindeutig unberechenbarer geworden. Die Ernten von Getreide, Kartoffeln und Trauben haben sich einige Wochen nach vorne verschoben. Diese Aufzählung könnte noch beliebig weitergeführt werden.
Wir können aber einiges tun, um mit der Klimaveränderung besser klarzukommen. Wir müssen beispielsweise in der pflanzlichen Produktion mit dem Boden sorgfältiger umgehen, seinen Humusgehalt erhöhen und ihn, wenn immer möglich, bedeckt halten. Das hilft, den Regen zurückzuhalten und mit Trockenperioden länger klarzukommen. Es sind einfache und wirklich keine neuen Erkenntnisse, aber man muss sie umsetzen.
Vielerorts wurde Sortenzüchtung verschlafen
2024 hat aber vor allem einmal mehr deutlich gezeigt, dass wir bei vielen Pflanzen neue Sorten brauchen, die aus eigener Kraft mit den veränderten Bedingungen umgehen können. Sei das mit längeren Trocken- oder Hitzeperioden oder mit stärkerem Schädlingsdruck. Es gibt solche Sorten bereits, die gleichzeitig auch dem Konsumenten schmecken. Da wurde schon viel gute Arbeit geleistet, aber leider noch viel zu wenig. Vielerorts hat man eine fortschrittliche Sortenzüchtung verschlafen, sei es aus Desinteresse oder Kalkül. Es kann nicht sein, dass die landwirtschaftliche Produktion weiterhin mit Sorten arbeitet, die nur mit viel Chemie und Importdüngern am Leben erhalten werden können. Es gibt heute schon Alternativen und die müssen jetzt stark ausgebaut werden. Denn es braucht viel Zeit. Das gilt übrigens für alle Produktionsrichtungen und Labels.
Die Biozüchtungen im Getreidebau konnten bei uns dieses Jahr ihre Stärken ausspielen. Die Erträge lassen zwar auch zu wünschen übrig. Aber immerhin stimmte die Qualität, mit guten Hektolitergewichten und Proteingehalten. Mykotoxine waren kein Thema. Erkenntnis: mit diesen Sorten weiterarbeiten.
Leider nur in Raclette-Sortierung
Bei unseren Kartoffeln waren die Unterschiede besonders krass. Einerseits die robusten Sorten: Sie kamen auch dieses Jahr ohne Kupfer gut zurecht und ergaben einen zufriedenstellenden Ertrag. Daneben die weniger tollen Sorten, die man mangels Alternativen auch noch gepflanzt hat. Leider. Zwar auch schöne Knollen – leider nur in Raclette-Sortierung. Erkenntnis: kompromisslos nur noch robuste Sorten anbauen. Sie sind die Zukunft.
In unserem Rebberg stehen die pilzwiderstandsfähigen Sorten auch in diesem Jahr sehr schön da. Daneben hatte unsere letzte Blauburgunder-Parzelle weit mehr zu kämpfen. Erkenntnis: Die Entscheidung für die Piwi war richtig, nicht nur wegen der ausgezeichneten Weine.
Zur Person
Konrad Langhart ist Biolandwirt und kommt aus Oberstammheim ZH. Er schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.
1