Ein würziger Geruch liegt in der Luft auf dem Fallernhof der Familie Flückiger in Rüttenen SO. Wir befinden uns in der voralpinen Hügelzone am Jura-Südfuss, wo ein sanfter Hügel dem anderen folgt – erschwerte Bedingungen für den Ackerbau. Für Familie Flückiger eher ein Vorteil: Hier auf 555 m ü. M. wachsen verschiedenste Kräuter und Gewürze, deren Inhaltsstoffe gerade durch die höheren Lagen zum Teil positiv beeinflusst werden.
Per Zufall zum Kräuteranbau
Ernst Flückiger ist vor 33 Jahren eher per Zufall in den Kräuteranbau gerutscht. "Mein Lehrbetrieb hat Kräuter produziert. Danach versuchte ich mich auf 10 bis 15 Aren mit Spitzwegerich", erzählt der Biobauer von seiner Lehrzeit. Heute gehören in Flückigers Kräutersortiment neben Spitzwegerich zehn weitere Kräutersorten wie Ehrenpreis, Thymian, Apfelminze, Salbei, Zitronenmelisse und Pfefferminze, die er mit seinem Sohn Dominik auf fünf Hektaren anbaut. "Das sind Kräuter, die besonders bei Ricola gefragt sind", so Flückiger. Die Hustenbonbonproduzentin Ricola ist die Hauptabnehmerin der Fallernhofer Kräuter und bestimmt die Qualitätsrichtlinien (nach Bio Suisse) sowie die Mengenverteilung unter den Kräuterbauern.
Gute Pflege hält Jahre
Für Ernst Flückiger beginnt die Saison ab Anfang April oder je nach Witterung sogar ein bis zwei Monate später. Denn "die jungen Kräuter sind empfindlich. Um unerwartete Kälteeinbrüche zu vermeiden, verschieben wir die Aussaat dann lieber", sagt er. Das Saatgut bezieht der Kräuterbauer von Mediseed, eine Tochterfirma von Ricola. Die Setzlinge lässt er von einer Biogärtnerei anziehen. Stecklinge z. B. von Apfelminze werden im eigenen Gewächshaus angezogen. Sind die Bedingungen gut, beginnt Flückiger mit der Saat (z. B. Salbei) und Pflanzung (z. B. Zitronenmelisse). Er bevorzugt das Pflanzen vor allem dann, wenn Parzellen zu mehr Unkraut neigen: "Damit erreichen wir einen Vorsprung von einigen Wochen gegenüber der Saat. Die Pflanze ist dann weniger anfällig auf Unkraut und wir können bereits im Pflanzjahr je nach Kraut ein bis zwei Schnitte durchführen." Danach liessen sich die meisten Kräuter bei guter Pflege einige Jahre halten.
Hacken gegen Unkrautdruck
Zur guten Pflege gehört vor allem das Aushacken der Unkräuter. Das kann entweder per Hand oder Maschine erfolgen. Ernst Flückiger setzt auf beides: "Im ersten Jahr halten wir z. B. bei Pfefferminze die drei Pflanzreihen mit dem Hackgerät offen. Im zweiten Jahr nehmen wir die Unkrautbekämpfung nur noch in den Fahrspuren vor, wenn sich die Reihen schon geschlossen haben." Im Jugendstadium kommt die Hackbürste zum Einsatz, die ab zunehmender Entwicklung der Kultur durch das Gänsefussschar-Hackgerät abgelöst wird. Gute Erfahrungen hat Flückiger bisher in den Minzkulturen auch mit dem Hackstriegel gemacht: "Die Geräte stammen aus dem Gemüsebau. Ich habe sie für meine Bedürfnisse einfach angepasst", erzählt er. Wo die Maschinen nicht hinkommen, wird das Unkraut per Hand entfernt. Vor allem habe das Franzosenkraut zugenommen und in den letzten Jahren grosse Probleme bereitet.
Bis zu dreimal ernten
Sobald die Kräuter spriessen, aber die Blüte noch nicht erreicht ist, geht Ernst Flückiger mit seinem alten Schilter durch die Pflanzen. "Den habe ich für den Kräuteranbau speziell umgebaut", erzählt der Biobauer. Im ersten Jahr könne er damit ein- bis zweimal ernten. "Für einen zweiten oder dritten Schnitt erreichen die Kräuter meist nicht mehr die gewünschte Höhe", erzählt er. Aber wenn Flückiger beim Thymian nicht zu tief ansetzt, könne er hier noch einen zweiten Schnitt im September rausholen. In den Folgejahren sei das dann kein Problem mehr. "Die Pflanzen sind gross genug und können je nach Kultur zwei, sogar bis zu drei Schnitte vertragen", ergänzt der Biobauer.
Keine Schädlinge seit Jahren
Mit Schädlingen hat der Kräuterbauer bisher keine Probleme gehabt, «und das seit 33 Jahren», erzählt er stolz. Dagegen seien Mehltau (Apfelminze) und Rost (Pfefferminze) eher ein Problem. Um aber die Qualitätsansprüche der Abnehmer einzuhalten, spritzt Flückiger wenn nötig in Apfelminze vorbeugend Kaliumbicarbonat zwei- bis dreimal im Abstand von zehn Tagen. Die frisch geschnittenen Kräuter transportiert der Biobauer dann nur einige Meter weiter zu seiner computergesteuerten Trocknungsanlage, die er seit 1988 zu seinem Besitz zählen darf.
40 Tonnen pro Jahr trocknen
"Durch den kurzen Transportweg können wir die Inhaltsstoffe optimal konservieren", erzählt der Kräuterbauer. Mit der Trocknungsanlage trocknet Ernst Flückiger jährlich knapp 40 Tonnen Kräuter – 1/3 aus dem eigenen Anbau sowie 2/3 aus anderen Kräuterbetrieben. In den Räumen der Anlage riecht es stark nach Menthol. Hier wird gerade Pfefferminze getrocknet. Damit möglichst viele Inhaltsstoffe in den Kräutern verbleiben, trocknet Flückiger seine Kräuter besonders schonend – nicht zu heiss, nicht zu lang und mit ausreichend Luft. In Ballen verpackt, gehen die frisch getrockneten Kräuter weiter zur Ricola nach Laufen BL, wo sie mit Kräutern anderer Bauern gemischt werden. So entsteht die 13-Kräutermischung, die Basis aller Ricola-Produkte.
250 Schweizer Kräuterbauer
Für Ernst Flückiger lohnt sich das Geschäft mit den Kräutern. «Man wird zwar vom Kräuteranbau nicht reich», sagt er. "Aber wenn mans gut macht, kann man davon leben." Denn die Nachfrage nach Schweizer Kräutern steigt stetig. In der Schweiz bauen mittlerweile 250 Bioproduzenten auf rund 200 Hektaren 100 verschiedene Gewürz- und Medizinalkräuter an. 100 von ihnen liefern an die Abnehmerin Ricola.
Über 100 Produzenten
Über 100 Schweizer Bergbauern aus dem Wallis, Emmental BE, Puschlav GR, Jurasüdfuss und der Zentralschweiz bauen nach Bio-Suisse-Richtlinien für die Hustenbonbonproduzentin Ricola jährlich 1400 Tonnen Kräuter an. Darunter fallen Kräuter, die Ricola für ihre bekannte 13-Kräutermischung, die Basis aller über 60 Ricola-Kräuterbonbons und -Teesorten, verwendet. Ergänzt wird diese Kräutermischung je nach Produkt mit weiteren Kräutern wie beispielsweise Zitronenmelisse, Apfel- oder Orangenminze und Echinacea. 90 Prozent der Produktion werden exportiert in mehr als 50 Länder wie die USA, Frankreich, Italien und Deutschland. Aktuell werden auf 90 Hektaren in der Schweiz Kräuter angebaut. Neue Produzenten nimmt Ricola jedoch keine mehr auf.