SchädlingeDrahtwürmer werden vermehrt in anderen Kulturen beobachtetSamstag, 19. Februar 2022Der Wegfall zugelassener Bodeninsektizide und Saatgutbeizungen hat sich in den letzten Jahren bemerkbar gemacht: Die Schäden durch Drahtwürmer – die Larven verschiedener Schnellkäferarten – haben zugenommen und traten neben Kartoffeln auch etwa in Mais oder Getreide auf. «Mit Drahtwürmern ist es so eine Sache», meint Christian Lüscher, «mal sind sie da, mal nicht». Der Landwirt aus Muhen AG hatte vor Jahren auf seinem 35-ha-Betrieb mit Drahtwurmschäden in Kartoffeln zu kämpfen. «Damals waren noch Insektizide dagegen zugelassen, wir haben aber zusätzlich bereits die Fruchtfolge umgestellt», schildert er. Kunstwiesen nahm er aus der Fruchtfolge und setzt nun auf Zwischenfutter für die 61 Milchkühe und rund 40 Stück Jungvieh, die er gemeinsam mit einem Berufskollegen hält.

Ausserhalb der Reichweite

Christian Lüscher baut neben Kartoffeln auch Wintergetreide, Silomais und Freialanderdbeeren an. Er achtet darauf, dem Boden genügend Material in Form von Ernterückständen, Dünger, Mist und Gründüngungen zuzuführen. Vor Kartoffeln arbeite er in Zukunft eine Gründüngung mit dem Pflug ein. «Ich sage nicht generell ja oder nein zur reduzierten Bodenbearbeitung, sondern richte mich nach der Situation, dem Wetter und der Parzelle», hält der Landwirt fest. Gerade eine Bearbeitung im Spätsommer (August und September) gilt als indirekte Bekämpfungsmassnahme gegen Drahtwürmer, da zu dieser Zeit empfindliche Stadien an die Oberfläche befördert werden und dort vertrocknen. Scheibenegge, Hacke, Mulcher oder Fräse könnten gemäss Agroscope grössere Würmer mechanisch vernichten. «Drahtwürmer benötigen eine gewisse Feuchtigkeit im Boden – z. B. unter Kunstwiesen oder Gründüngungen – und ziehen sich bei Hitze oder Trockenheit in tiefere Bodenschichten zurück», ergänzt Rita Ziltener vom LZ Liebegg. Dort wären sie ausser Reichweite von Eggen und Co.

 

Massnahmen gegen Drahtwürmer

Agroscope nennt in einem Merkblatt folgende indirekten Bekämpfungsmassnahmen:
Standortwahl: Schäden treten vor allem auf Böden mit mehr als 5% Humusgehalt auf. PH-Vorlieben je nach Drahtwurmart.
Unkraut: Flächendeckende Unkraut regelmässig beseitigen, um keine Plätze für die Eiablage zu schaffen.
Bodenbearbeitung: Im Spätsommer (August und September) kann sie den Schädlingsdruck reduzieren. Bodenbearbeitung zur Reduktion einer bestehenden Population sei aber nur erfolgsversprechend, wenn sie konsequent über Jahre erfolgt.
Fruchtfolge: Auf stark belasteten Flächen Kulturen mit intensiver Bodenbearbeitung wählen (z. B. Körnerleguminosen vor Kartoffeln). Empfindliche Gemüsekulturen idealerweise frühestens zwei Jahre nach Wiesenumbruch oder nach Getreide anbauen.

Das Merkblatt «Drahtwürmer – Möglichkeiten der Regulierung» von Agroscope finden Sie hier

Da, aber weniger schädlich

MaisanbauKalkstickstoff hilft gegen den DrahtwurmSamstag, 30. April 2022 Sein Nachbar setze viel Mist ein und habe kaum Drahtwurmschäden, beobachtet Christian Lüscher. «Ich deute das so, dass die Würmer vor allem dann an den Kulturen fressen, wenn sie wenig organisches Material im Boden finden», vermutet er. Die Larven ernähren sich von unterirdischen Pflanzenteilen. Umso mehr ist das ein Grund für ihn, Ernterückstände und Gründüngungen einzuarbeiten «Vielleicht sind dann Drahtwürmer da, aber sie schädigen weniger die Kultur» so seine Hoffnung. Bio-Landwirte erzählten zudem, Bitterlupinen vor Kartoffeln seien eine gute Prävention, «aber das ist sehr teuer», gibt Lüscher zu bedenken. Agroscope bezeichnet den Anbau von Körnerleguminosen vor Kartoffeln als vorteilhaft, da diese Vorkultur eine intensive Bodenbearbeitung benötigt.  

Aufkalken gegen Humusschnellkäfer

Eine andere Möglichkeit nennt Rita Ziltener: «Humusschnellkäfer bevorzugen Flächen mit niedrigem pH, daher kann Aufkalken helfen, reicht bei hohem Drahtwurm-Befall aber nicht aus.» Im Gegensatz dazu sind Saatschnellkäfer eher auf Böden mit höherem pH-Wert anzutreffen. Dass die Drahtwürmer zu verschiedenen Arten gehören, erschwert die Bekämpfung (siehe Kasten). Ausserdem bauen sich die Populationen mit Verzögerung auf, da die Larvenentwicklung je nach Art zwischen zwei und fünf Jahren dauert. Seit zwei Jahren gebe es keine Saatgutbeizung gegen Drahtwürmer mehr, bemerkt Christian Lüscher. «Vielleicht sehen wir die Folgen erst in den kommenden Jahren.»

Agroscope nimmt Forschung wieder auf

Gegen Drahtwürmer ist in der Schweiz nur das Granulat Attracap per Notfallzulassung in Kartoffeln bis zum 31. Juli 2024 erlaubt (Anwendung im Frühjahr, beim Legen der Kartoffeln). Das Produkt basiert auf einem enthomopathogenen Pilz und hat laut Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) eine Teilwirkung gegen Drahtwürmer. «Die Begeisterung hält sich in Grenzen», bestätigt Giselher Grabenweger die durchzogene Wirkung von Attracap in der Praxis. Der Agroscope-Forscher beschäftigt sich bereits seit mehr als 10 Jahren mit der biologischen Bekämpfung von Drahtwürmern, doch nach anfänglichen Erfolgen im Labor seien die Resultate im Feld «enttäuschend» gewesen. «Wir arbeiten mit spezifischen Pilzen, die nur eine Drahtwurmart infizieren. In den meisten befallenen Flächen leben aber mehrere Drahtwurmarten nebeneinander», erklärt Grabenweger die Schwierigkeit. Da es neben Attracap keine alternativen Mittel gibt, hat Agroscope die Forschung zur Drahtwurmbekämpfung wieder aufgenommen. «Es ist besonders dringend, aber auch besonders schwierig», fasst der Forscher die Aufgabe zusammen. Aktuell laufen Versuche mit einer Mischung zweier Pilzstämme, allerdings wegen noch mangelnder Finanzierung auf Sparflamme. «Wir suchen noch nach Partnern», so Grabenweger.

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