«Das heute verfügbare Fachwissen zum nachhaltigen Umgang mit Wasser reicht nicht», stellte Andreas Keiser fest. Der Dozent an der Fachhochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) führte durch das erste Treffen des neuen «Forums für nachhaltiges Wassermanagement». Angesichts der Folgen des Klimawandels liessen er und die verschiedenen Referenten keinen Zweifel am bestehenden Handlungsbedarf. Sie informierten darüber, welche Projekte vorgesehen sind.
Leitfaden bald veröffentlicht
«Wasser ist heute überhaupt keine Selbstverständlichkeit mehr», stiess Thomas Hersche vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) ins gleiche Horn. In der Politik und beim Bund laufe sehr viel, vom Aktionsplan zur Anpassung der Schweiz an den Klimawandel über diverse Vorstösse bis zur Klimastrategie. Letztere enthält die schonende Bewirtschaftung der Wasserressourcen als eines von acht Teilzielen. «Ein Leitfaden zur Bewässerungsinfrastruktur ist in Arbeit und soll in der ersten Hälfte 2024 veröffentlicht werden», stellte Hersche in Aussicht. Er sei ausserdem zuversichtlich, dass künftig weitere Bundesgelder zur Unterstützung von Bewässerungs- und Rückhaltemassnahmen zur Verfügung stehen werden. Denkbar wären Ressourcenprojekte oder Strukturverbesserungen.
Mehr Daten zur Bewässerung sammeln
Petra Schmocker-Fackel vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) erinnerte daran, dass mit zunehmender Verknappung Entnahmeverbot für die Landwirtschaft häufiger werden. Das liege aber auch an der Temperatur: Gewässer müssen ausreichend Wasser führen, damit die Fische nicht durch zu viel Wärme zu Schaden kommen.
«Man weiss ungefähr, wo bewässert und wo Wasser entnommen wird», so Schmocker-Fackel. Daten zu den bewässerten Flächen und verbrauchten Mengen würden aber fehlen. Hier soll das Projekt «Swissirrigatinfo» von Agroscope und HAFL über satelliten- und modellgestützte Schätzungen Abhilfe schaffen, um Prognosen für den künftigen Verbrauch zu erstellen und eine Entscheidungshilfe zu liefern. Swissirrigatinfo soll eine Art bewaesserungsnetz.ch für die ganze Schweiz sein, genaue Fristen wurden aber nicht genannt.
Neue Plattform des Bundes ab 2025
Im Gegensatz zu Swissirrigatinfo hat die Trockenheitsplattform des Bundes einen klaren Fahrplan. Per 2025 soll eine Basisversion in Betrieb genommen werden, erläuterte Simone Bircher vom Bundesamt für Meteorologie und Klimatologe (MeteoSchweiz). «Diese Version wird für die Landwirtschaft noch mässig nützlich sein», so Bircher. Längerfristig ist das Ziel aber eine umfassende Entscheidungshilfe zum Bewässern sowie eine Warnkette vor Trockenheit, die beide diverse Faktoren wie Bodenfeuchte, Niederschlag, Pegelstände, Vegetationszustand und weitere einbeziehen.
Bewässerung sichert Ernten
Man müsse Bewässerung als etwas Gutes betonen, ist Christoph Carlen überzeugt. «Als Oberwalliser habe ich schon als Kind gelernt, dass es ohne Bewässerung keine Ernte gibt». Damit sichere man die Lebensmittelproduktion und leiste einen Dienst für die Bevölkerung, erklärte der Agroscope-Forscher weiter. Bewässern ist zwar nicht die einzige Anpassungsmöglichkeit an den Klimawandel, bei den Alternativen sieht Carlen allerdings Hürden: Dass Hitze- und Trockenheitstoleranz nicht explizit in den Sortenprüfungen untersucht werden, erschwert die gezielte Sortenwahl. Neue Kulturen wie etwa Sorghum statt Mais oder Hirse statt Getreide werden am Markt schlecht akzeptiert.
«Als Oberwalliser habe ich schon als Kind gelernt, dass es ohne Bewässerung keine Ernte gibt»
Christoph Carlen betont, wie wichtig Bewässerung als Leistung für die Gesellschaft ist.
Nicht nach ihrer Meinung gefragt
Der Markt bzw. die Ansprüche der Abnehmerseite spielten sowieso bei der Bewässerung eine entscheidende Rolle, ergänzte David Brugger vom Schweizer Bauernverband aus dem Publikum. «Die Mehrkosten in Form von Aufwand und Stress lassen sich nicht auf die Preise abwälzen», bemerkte er. Umso mehr sollte man die Bewässerung als etwas sehen, das die Landwirte vielmehr für die Gesellschaft tun als für sich selbst.
Darin Erfahrung hat Thomas Wyssa. Der Seeländer Gemüsebauer verwies angesichts des reklamierten Datenmangels auf die Aufzeichnungen im Rahmen von SwissGAP: «Darin sind 30'000 ha mit ihrem Wasserverbrauch erfasst», so Wyssa. «Natürlich können wir diese Daten künftig nicht mehr gratis zur Verfügung stellen», ergänzte er nicht ohne Ernst. Andreas Keiser sieht in der besseren Verfügbarkeit von Bewässerungsdaten aber auch eine Chance: «Die Landwirte können zeigen, dass sie Wasser sorgfältig einsetzen.» Es gehe nicht darum, basierend auf den Zahlen einen zu hohen Verbrauch zu kritisieren. Oft würden die Landwirte in der Bewässerungsdiskussion nicht nach ihrer Meinung gefragt, fuhr Wyssa fort. «Aber es ist auf den Betrieben sehr viel Wissen vorhanden.»
«Die Landwirte können zeigen, dass sie Wasser sorgfältig einsetzen.»
Andreas Keiser, HAFL, sieht mehr Bewässerungsdaten als Chance.
Anlaufstelle und Austauschplattform
Im Rahmen des Kick-Off-Events zum Forum für nachhaltiges Wassermanagement wurden erste Arbeitsgruppen gebildet. In einer davon kamen Landwirte, Forschende und Kantonsvertrer(innen) ins Gespräch und man einigte sich, dass mit einer «Plattform Bewässerung» eine Art Anlaufstelle sowohl für Landwirt(innen) als auch für Behörden geschaffen werden soll. Darin sollen die Produktion (Gemüse-, Acker- und Obstbau) sowie die Forschung, Behörden und Beratung sich austauschen können über Bedürfnisse, Techniken und Möglichkeiten. Bei Interesse könnte zusätzlich ein Arbeitskreis für Landwirt(innen) entstehen.
Bei Interesse melden
Wer sich für die «Plattform Bewässerung» interessiert, kann sich bei David Perler melden (Mailadresse siehe unten). Der Landwirt aus Kleinguschelmuth FR ist selbst Teil einer Bewässerungsgesellschaft und zudem Berater am Inforama tätig. Perler hat Erfahrung mit Bodensonden zur Ermittlung des Bewässerungsbedarfs und wird die «Plattform Bewässerung» moderieren.
Bei Interesse an der «Plattform Bewässerung» melden Sie sich bei: bauernhof.perler(at)gmail.com
Der Handel war eingeladen
Der Detailhandel war bei dem Treffen nicht vertreten und würde sich auch an Planungssitzungen nicht beteiligen, so das Votum eines Kulturingenieurs. Dabei bestimmten doch die Abnehmer, wie die Landwirte arbeiten. «Der Grosshandel war eingeladen und hat Interesse gezeigt, es ist aber niemand gekommen», stellte Andreas Keiser fest. Sie künftig einzubeziehen, sei allerdings schon geplant. Anwesend war hingegen der WWF und auch künftig will der Umweltverband seine Sicht im Forum einbringen.
Verein gründen und Finanzierung sichern
An das Forum zum nachhaltigen Wassermanagement gibt es verschiedene Erwartungen, die am Kick-Off-Event zur Sprache kamen. Andreas Keiser skizzierte es als Plattform für Wissensaustausch und -vermittlung zwischen diversen Akteuern. Das BLW erhofft sich auch Rückmeldungen für die AP 30+. Das Forum soll ebenfalls der Forschung helfen, z. B. bei der Definition kritischer Phasen für Wassermangel je nach Kultur. Nicht zuletzt ist angedacht, mit dem Forum dem Thema nachhaltiges Wassermanagement und den Beteiligten eine Stimme in der Politik zu geben.
Der nächste Schritt wird sein, das Forum als Verein zu gründen und die Finanzierung zu sichern. Träger werden Agridea und die HAFL, finanzielle Unterstützung erhofft man sich vom Bund oder z. B. von Versicherungen. «Ende 2024 möchten wir eine Online-Plattform mit Basisfunktionen lancieren, die stetig weiterentwickelt wird», so Andreas Keiser. Weitere Mitwirkende sind willkommen.
Wer beim Forum nachhaltiges Wassermanagement mitwirken möchte oder Fragen dazu hat, kann sich an Danielle Albiker, Agridea (danielle.albiker(at)agridea.ch) oder Andreas Keiser von der HAFL (andreas.keiser(at)bfh.ch) wenden.