Die sechs Beanstandungen gegen die SRF-Sendung «Netz Natur» vom Dezember 2020 mit dem Titel «Landwirtschaft – mit der Natur!« stammen augenscheinlich von landwirtschaftlichen Akteuren. So haben sich neben dem Schweizer Bauernverband SBV etwa ein leidenschaftlicher Gemüsegärtner, ein aktiver Bauer sowie ein Bündner Bekannter diverser Bergbauern und Journalist bei der SRF-Ombudsstelle beschwert. Die Vorwürfe sind happig und gehen alle in dieselbe Richtung: «Netz Natur» habe einseitig berichtet und die konventionelle oder nicht-Bio-Landwirtschaft schlecht dargestellt.
Weder die Redaktion der Sendung noch die Ombudsstelle wehren sich gegen den Vorwurf der Einseitigkeit. Die Beanstandungen weisen sie aber dennoch zurück.
Sachgerecht trotz «anwaltschaftlichem Fokus»
Natürlich seien die journalistischen Prinzipien (Sachgerechtigkeit, Transparenz, Vielfalt) zu beachten, nimmt die Ombudsstelle einen Vorwurf auf. Der Blickwinkel bei «Netz Natur» sei aber wissenschaftlich und aus der Perspektive der Natur gewesen, argumentiert die Redaktion. Wie beim «Kassensturz», der klar Position für Konsumentinnen und Konsumenten beziehe, dürfe «Netz Natur» den «anwaltschaftlichen» Fokus auf die Natur richten.
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Die Initiativen wurden zu Beginn erwähnt
Einseitig war die Sendung aus Sicht der Beanstander in erster Linie im Hinblick auf die anstehenden Pflanzenschutz-Initaitven. Diese seien während der ganzen Sendung kein Thema gewesen, so die Ombusstelle, und dieser Vorwurf daher «eher gesucht». Allerdings weist Biologe Andreas Moser einleitend genau darauf hin – Mit dem Ausstrahlungszeitpunkt im Dezember wolle man genügend Distanz zur Abstimmung über die Pflanzenschutzmittel schaffen. Er erklärt das Ziel der folgenden Ausstrahlung so: «Wir wollen heute aus einem biologischen, wissenschaftlichen Blickwinkel schauen, was ein grosser Teil der Landwirtschaft in der Schweiz für Auswirkungen auf die Natur hat, warum das der Fall ist und ob es alternative, konstruktive Ansätze gibt, wie eine Landwirtschaft mit der Natur sogar mithilfe der Natur ausgezeichnete Resultate erreicht.»
«Anfeindung war nicht das Ziel»
Die «Netz Natur»-Redaktion schreibt in einer Stellungnahme, es sei überhaupt nicht das Ziel gewesen, die Landwirtschaft ausserhalb der gezeigten Produktionsmethoden insgesamt zu verurteilen. «Es wurde in der Sendung nie der Anspruch erhoben, die vorgestellten, naturnahen Produktionsweisen könnten zum jetzigen Zeitpunkt und bei ihrem derzeitigen Entwicklungsstadium den gesamten Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten decken», heisst es weiter. So sagt Andreas Moder am Ende des Films auch, im Moment sei es noch eine «Utopie einiger weniger, die überzeugt davon sind, dass es eine Alternative zu den Zwängen von Markt und Aktien gibt». Direktvermarktung ist hier der wichtigste Absatzkanal.
Etwas gar plakativer Kontrast
Im Weiteren räumt die Ombudsstelle ein, in den ersten Minuten werde der Kontrast verschiedener Produktionsformen mit romantisch verklärendem Bild und Ton gegenüber Aufnahmen aus den Anfängern der industriellen Landwirtschaft in dunklen Tönen etwas «gar plakativ» gezeigt. Das allein sei allerdings nicht gegen das Sachgerechtigkeitsgebot verstossend, bilanziert die Ombudsstelle.
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Das menschgemachte, offene Kulturland habe im Gegensatz zum geschlossenen Wald die Biodiversität gesteigert, heisst es bei «Netz Natur». Jedenfalls bis zum Zweiten Weltkrieg und der zunehmenden Industrielaisierung der Landwirtschaft, so die Sendung. (Bild Screenshot SRF)
Sachzwänge seien aufgezeigt worden
An folgenden Beispielen wird ausgeführt, «Netz Natur» habe die Sachzwänge der Landwirtschaft durchaus erläutert:
- Man erwähne, wie schwierig die Produktion sei,
- dass viel Ausschuss anfällt,
- dass die alternativen Produzenten bei Grossverteilern keine Chancen hätten
- und dass sie ihre Produkte nur direkt vermarkten können
Damit werde der Zielkonflikt Versorgung – Naturschutz von den gezeigten Produzenten selbst angesprochen.
Eigene Meinungsbildung möglich
Ausserdem weise Moderator Andreas Moser in seinem Schlusswort nochmals auf wirtschaftliche Sachzwänge, behördliche Vorschriften, die hohen Handelsmargen bei Bio-Produkten und die Macht des Konsums hin. «Die Bauern können nicht anders, selbst wenn sie wollten», sagte Moser dazu.
Den Zuschauenden sei es möglich gewesen, sich eine eigene Meinung zu bilden, schlussfolgert die Ombudsstelle und weist die Beanstandungen zurück.
SBV zieht die Sache nicht weiter
Man sei enttäuscht über die Antwort der Ombudsstelle, schreibt der Schweizer Bauernverband auf Anfrage. Schliesslich habe diese selbst festgestellt, dass die beanstandete Sendung anwaltschaftlichen Journalismus betreibe, verschiedene Aussagen zu kurz greifen und die Lage zu einfach darstellen würden. Das ist gemäss Ombudsstelle aber keine Verletzung des Radio- und TV-Gesetzes.
Der SBV will die Sache nicht weiterziehen. Dies deshalb, weil man mit der nächsthöheren Stelle, der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI), auch schon seine Erfahrungen gemacht habe.
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