Frühlings-Saison ist Delegiertenversammlungs-Saison. So auch für den Kälbergesundheitsdienst (KGD). Entsprechend lud der Verein seine Delegierten und Gäste zur Versammlung nach Schönbühl im Kanton Bern.
Als erstes genehmigten die Anwesenden das Protokoll der letztjährigen DV vom 25. Juni 2021. Martin Kaske, Geschäftsführer KGD, betonte daraufhin die erfreuliche Fusion des Schweizer Kälbergesundheitsdienstes mit dem ehemaligen Rindergesundheitsdienst (heute Rindergesundheit Schweiz, RGS), welcher seit Oktober 2021 operativ tätig ist. «Hätte man diese Zusammenfügung nicht vorgenommen, hätte ich heute ein flaues Gefühl im Magen», sagte auch KGD Präsident Fredi Siegrist zu Beginn der DV in Schönbühl. Anlässlich der Versammlung und nach Erreichen des vierten Förderungsjahres durch das BLW stellt der Vorstand im Editorial des Geschäftsberichts 2021 die Frage, «ob wir ausreichend erfolgreich waren mit unserem Anspruch, Konzepte für Vorbeugungsmassnahmen zu entwickeln, diese in der Praxis zu etablieren und so den Einsatz von Antibiotika nachhaltig zu reduzieren. Die Antwort kann nur lauten, dass wir zwar mehrere sinnvolle Ansätze mit erheblichem Einsatz erarbeitet und protegiert haben, dass wir aber als Tiergesundheitsdienst nicht in Jahrzehnten zementierte Spielregeln der verschiedenen Akteure der Branche drastisch ändern können – auch wenn das durchaus opportun erscheint», ist dem Editorial zu entnehmen.
Staatliche Unterstützung läuft aus
Die Zusammenlegung des KGD und des RGS erfolgte daraus, dass die staatliche Unterstützung des Ressourcenprojekts KGD per Ende 2023 auslaufen wird. Der Vorstand des Kälbergesundheitsdienstes sei allerdings nach wie vor überzeugt, die Fragestellungen des KGD zu erhalten. In welcher Form dessen Ziele weitergeführt werden, sei zur Zeit jedoch noch nicht klar. Es sei auf jeden Fall essenziell, die Produzenten an der Stange zu halten und die angebotenen Dienstleistungen nicht teurer werden zu lassen, so der Konsens innerhalb des Vorstandes.
Weniger Konsens herrschte hinsichtlich des Themas Kälbermast. So betonten verschiedene Stimmen aus dem Plenum, dass die bäuerliche Kälbermast nicht am sterben sei, wie es von Geschäftführer Martin Kaske beschrieben wurde, sondern aktiv ausgerottet würde. Grund dafür seien unter anderem die niedrigen Preise.
Highlights des KGD-Berichtsjahres 2021
- 313 Bestandesbesuche, davon 95 Betriebe mit akuten Problemen.
- 1134 Mitglieder. Bei den Tierhaltern sind das 47% mehr gegenüber 2020.
- 6 wissenschaftliche Publikationen und 21 Fachinformationen in Medien.
- KGS mit elektronischem Behandlungsjournal für Kühe und Kälber.
- 2 Basiskurse für VTA (deutsch und französisch).
Keine Gratisbesuche mehr
Judit Peter-Egli, die operative Leiterin des KGD, stellte den Delegierten das Budget des laufenden Jahres vor, welches aufgrund der Zusammenarbeit mit dem RGS einigen Veränderungen unterliegt:
- Vorsichtiges Budgetieren und Vorgehen in Hinblick auf die Auflösung des KGD per Sommer 2023.
- Entsprechend müssten auch die Aufwände kompakt gehalten werden.
- Ab diesem Geschäftsjahr bietet der KGD keine Gratisbesuche mehr an. Ein Besuch kostet 150.-. Dies führe zu einer kleinen Erhöhung der Einnahmen.
- Leitung wurde stark geschrumpft, entsprechend geringer sind die Lohnaufwände.
- Der Jahresgewinn beträgt gemäss Budget 2022 2276,25 Franken.
Das Budget wurde an der DV einstimmig genehmigt.
Das Problem mit der stillen Pandemie
Danach ging KGD-Geschäftsführer Martin Kaske zum Tätigkeitsprogramm 2022 über. Er thematisierte die Problematik der Antibiotika-Multiresistenz, die mittlerweile in aller Munde und in der Branche intensiv darüber debattiert wird. In der Schweiz würden pro Jahr 300 Personen einer Antibiotika-Multiresistenz zum Opfer fallen. Fachleute sprechen von der sogenannten «stillen Pandemie». Es sei klar, dass je mehr Antibiotika eingesetzt werden, desto mehr resistente Isolate bei den Bakterien entwickeln sich, bemerkte Kaske vor den Delegierten.
Alternativen sind teuer
Dass der Einsatz von kritischen Antibiotika in der Kälberaufzucht reduziert werden müsse, sei klar, so Kaske. Das Prinzip «Weiter so» sei keine Option mehr. Aber die Alternativen zum herkömmlichen Antibiotika-Einsatz seien bisher um ein Vielfaches teurer, wirken schlechter und seien ökonomisch gesehen weniger attraktiv, so der Tierarzt des KGD.
Zu den Alternativen zu Antibiotika gehören beispielsweise
- Kürzere Behandlungsintervalle
- Bessere Lüftung für ein ausgeglicheneres Stallklima
- Kleinere Gruppen
- Mehr Tränkeautomaten
…um die verabreichte Menge der Wirkstoffe zu halbieren.
«Es kommen massive Investitionen auf uns zu»
Das gab auch Ruth Sigerist, Vize-Präsidentin des KGD, Tierärztin und Inhaberin einer Tierarztpraxis zu bedenken: «Auf die Kälberhalter kommen massive Investitionen zu, Lüftungsschläuche, kleinere Gruppen, mehr Tränkeautomaten. Das alles kostet viel Geld.» Entsprechend sei es zentral, dass diese Kosten letztendlich nicht der Produzent, sondern der Konsument zahle. «Wenn der Konsument den Mehraufwand für gesund gehaltene Kälber nicht an der Theke zahlt, muss er es sonst irgendwo bezahlen». Damit bestätigte Ruth Sigerist die Forderung von Martin Kaske und den Delegierten, dass der KGD vermehrt politisch aktiv sein sollte: «Der KGD muss der Politik aufzeigen, welche Investitionen getätigt werden müssen», schlug Ruth Sigerist vor.