Im Januar ist wie berichtet die Verordnung zur obligatorischen Einzeltierregistrierung bei Schafen und Ziegen in der Tierverkehrsdatenbank (TVD) in Kraft getreten. Seither müssen alle Tiere mit zwei Ohrmarken, eine davon elektronisch, markiert werden.

Hoher Zeitaufwand

Die Schafhalter melden alle Bewegungen bei Geburten, Zu- und Abgängen, sowie kürzlich aktuell die Alpung in die TVD. Der enorme Verwaltungs- und Zeitaufwand mit der Datenerfassung, wegen einer TVD, welche die speziellen Bedürfnisse der grossen Schafbetriebe nicht berücksichtigt, hat bei manchem Schafhalter in den letzten Monaten den Kragen platzen lassen.

Wir haben bei zwei Berufsschäfern nachgefragt, welche Anforderungen an sie gestellt wurden, welche Mängel sie festgestellt haben und welche dringende Verbesserungen bei der TVD sie Identitas vorschlagen.

Pilotbetriebe erwünscht

Lea Egli und Reto Fivian arbeiten schon seit einigen Jahren mit elektronischer Ohrmarke und einem Lesegerät für die Ermittlung des Gewichtszuwachses und die Sortierung der Herde.

Beide sind schon längst über die Erleichterungen der Datenerfassung begeistert. Obwohl Lea Egli aufgrund ihrer Tätigkeit mit EDV-Programmen im Informatikbereich versiert ist, hat sie den Mehraufwand mit der TVD total unterschätzt. «Während wir für die Ersterfassung Unterstützung erhielten, kamen wir bei den Meldungen der Geburten mittels manueller Einzeltiereingaben sowie bei den Abmeldungen für die Alp auf die Welt», sagt Egli zu ihren Erfahrungen. «Mit einer vorgängigen Testphase mit reellen Betrieben mit Alpung, Märkten, Schlachtungen und Massengeburten hätte uns Identitas unzählige Stunden vor dem PC sparen helfen». Diese Zeit habe dann bei der Betreuung der Tiere gefehlt.

Abläufe zu aufwendig

Chip-Ohrmarken seien eine gute Sache, sagt Reto Fivian, «aber die beschränkte Möglichkeit, Daten ins System zu importieren und das durch die manuelle Erfassung erhöhte Fehlerrisiko, sowie fehlende Kontrollmöglichkeiten sind für unseren Betrieb frustrierend», betont der Betriebsleiter. Die Daten müssten direkt übernommen werden können, regt er an. «Als Zuchtbetrieb ist für uns künftig auch der reibungslose Datentransfer von der TVD ins Herdebuch wichtig, ebenso die Möglichkeit, zusätzlich herdebuchrelevante Merkmale, wie die Farbe, direkt zu erfassen».

Um die Abläufe (Erfassen, Wägen, Sortieren) zu vereinfachen, das Herdenmanagement zu optimieren und die TVD auf praktikable Art zu nutzen, habe man in eine teure, elektronische Sortieranlage investiert, erwähnt Christian Nydegger, welcher auf dem Betrieb in Lanzenhäusern BE in der Gebrüdergemeinschaft für die Schafe verantwortlich ist.

 

Die Stellungnahme der Identitas AG

Seit Start der TVD für Schafe und Ziegen wurden rund 395‘000 Erstregistrierungen, über 214‘000 Geburten sowie mehr als 550‘000 Zu- und Abgänge erfasst. Die Zahlen bestätigen, dass der Grossteil der Tierhalter mit der TVD bereits vertraut sind. Uns ist aber bewusst, dass für gewisse Tierhalter der Umgang mit der TVD neu ist und der administrative Aufwand gerade für grössere Betriebe belastend sein kann. Der Support wurde daher entsprechend ausgebaut und die Mitarbeitenden geschult. Die erwähnten Verbesserungsvorschläge sind der Identitas AG bekannt. Diese werden wir unserem Auftraggeber, dem Bundesamt für Landwirtschaft BLW, unterbreiten. Das Problem bei den Abgangs- und Zugangsmeldungen von über 100 Tieren wird mit dem nächsten TVD-Release im Juli behoben, die Schnittstelle AnimalTracing steht bereits seit April zur Verfügung. Diese erlaubt beispielsweise Anbietern von Lesegeräten, ausgewählte Meldearten in ihre Software zu integrieren, sodass die Meldungen automatisiert an die TVD übermittelt werden. Dies bedingt jedoch entsprechende Anpassungen an den jeweiligen Systemen durch deren Anbieter.
Silvan Schumacher, Identitas

 

Software für Kleinstbetriebe

Aufgrund des Datenvolumens könne er in einem Schritt maximal 100 Tiere in die TVD an- und abmelden, sagt Christian Nydegger. «Diese Kinderkrankheiten haben mir mehrere 100 Stunden Zusatzaufwand gekostet», bilanziert er.

Seit der Nachmarkierung hätten einige Schafe mit der neuen Marke entzündete Ohren gehabt und mehrere Tiere eine oder beide Ohrmarken verloren, fährt er fort. Diese mussten jeweils innert nützlicher Frist nachbestellt und ersetzt werden. «Wenn mehrere Schafe gleichzeitig beide Marken verlieren, besonders auf der Alp oder in der Wanderherde, wird eine Tieridentifikation unmöglich», gibt Nydegger zu Bedenken. Für dieses Problem gebe es noch keine offizielle Lösung.

Kompatibilität erhöhen

Im Weiteren sei das geforderte Begleitdokument bei der Alpung und in Wanderherden sowie bei der Schlachtung auf nur zehn Tiere begrenzt, was bei Massenbewegungen zu unendlichen Papierstössen führe. «Auch meine Berufsschäfer-Kollegen sind der Meinung, dass dringlich Verbesserungen für einen effizienten Ablauf notwendig sind», betont Christian Nydegger. «Generell stellen wir uns vor, dass in Zukunft mittels Kompatibilität der Programme der Datenexport ab elektronischem Lesegerät und Mutationen ab unserem Handy in die TVD möglich sein sollten», lautet eine seiner Forderungen.

Die Berufsschäfer wünschen sich, dass die Kleinwiederkäuer-Branche in der Gesellschaft und in der Politik sowie bei Institutionen in Zukunft wieder mehr Anerkennung findet, auch wenn sie volkswirtschaftlich selbst innerhalb der Landwirtschaft zu den kleinen Sektoren gehören. «Welches Nutztier ist ökologischer als ein Lamm, welches auf der Alp 10 bis 20 Kilo Fleisch ohne fremde Energie und Dünger produziert?», fragt sich Nydegger.

 

Betriebsspiegel Gebrüdergemeinschaft Nydegger

Christian und Bruno Nydegger

Lanzenhäusern BE

Produktionsart: ÖLN

LN: 55 ha (Alp 90 ha)

Viehbestand: 450 Mutterschafe, total 1000 Tiere. Robuste Gebrauchskreuzungen (Saaser Mutten, Suffolk, Charolais, Berrichon du cher)

Vermarktung: Zwahlen, Thun

Arbeitskräfte: Zwei Betriebsleiter und Partnerinnen in Teilzeit, 1 Landw. Angestellter, 1 Hirt.

 

 

Betriebsspiegel Bergerie de Chandossel

Lea Egli und Reto Fivian

Villarepos FR

Produktionsart Bio

LN: 44 ha / Alp Zinal: 62 Normalstösse

Viehbestand: 330 Mutterschafe (ein Drittel Erstlingsauen), total 800 Tiere. Eigenremontierung mit Engadiner Reinzucht, Rest Einkreuzung mit den Rassen Charolais, Charmois und Texel.

Vermarktung: Direkt

Arbeitskräfte: Reto (100 %), Lea (30 %), 1 Lernende, 1 Hirtin.