AboDie Schweiz könnte Gebiete ausscheiden, in denen der Erhalt der Alpwirtschaft als übergeordnetes öffentliches Interesse gilt – diesen Vorschlag bringt Rechtsprofessor Roland Norer ins Spiel. Schutzstatus«Eine Art Raumplanung für Wölfe»Montag, 27. Mai 2024 Die Hoffnung aus Sicht des Umweltschutzes im Zusammenhang mit Wölfen liegt in ihrer Funktion als Regulator der Wildpopulation in der Schweiz. Die Grossraubtiere sollen – sei es durch Reduktion der Bestände oder Beeinflussung deren Verhaltens – den Wald vor Verbiss schützen und so die natürliche Verjüngung fördern. Die kürzlich von der Stiftung Kora veröffentlichte Analyse zum Nahrungsspektrum von Wölfen hierzulande liefert aber nur bedingt Hinweise darauf, ob sich diese Hoffnung bestätigt.

Knapp drei Viertel Wildfleisch

Man habe die schweizweite Untersuchung basierend auf rund 350 Kotproben von Wölfen aus dem Zeitraum von 2017 bis 2022 durchgeführt, schreibt Kora. Die Hauptbeute der Grossraubtiere machen demnach mit 74 Prozent wilde Huftiere aus, allen voran Rothirsche (35,7 Prozent). Den zweitgrössten Anteil an Fleisch auf dem Speisezettel von Schweizer Wölfen stammt von Gämsen (20,3 Prozent), gefolgt von Rehen (17,6 Prozent). An vierter Stelle, mit 11,3 Prozent, stehen Schafe und mit grossem Abstand auf Platz fünf Rinder und Rotfuchs (jeweils 3,1 Prozent). «Das Ausmass des Fressens von Wildschweinen ist im Vergleich zu anderen Regionen wie beispielsweise Süd- und Osteuropa eher gering», so die Kora.

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Regionale und saisonale Unterschiede

Wölfe ernähren sich den Studienresultaten zufolge sowohl regional als auch saisonal unterschiedlich. So fressen sie in den Kantonen Graubünden, Tessin und Glarus 20 Prozent häufiger Rothirschfleisch als im Wallis, wo sich die Grossraubtiere eher auf Gämsen zu konzentrieren scheinen. Die Ursache dieser regionalen Unterscheide ist laut Kora Gegenstand laufender Untersuchungen.

«Saisonale Schwankungen beeinflussen ebenfalls die Nahrungspräferenzen der Wölfe», heisst es weiter. Insbesondere im Sommer – während der Alpzeit – steige der Anteil an Nutztieren in der Wolfsnahrung: Schafe machen im Sommer 14,6 Prozent aus, im Winter 8,7 Prozent.

Fleischverzehr versus getötete Tiere

Die Kora macht in ihrer Meldung eine wichtige Feststellung: «Die in den Proben identifizierten Tiere wurden von Wölfen gefressen, jedoch bedeutet dies nicht zwingend, dass der Wolf sie auch erlegt hat.» Als opportunistischer Nahrungsverwerter verzehrten Wölfe auch Aas. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass die Grossraubtiere nicht zwingend im selben Umfang (Nutz)tiere getötet haben müssen, wie sie entsprechendes Fleisch aufgenommen haben. Darauf weist der Verein Schweiz zum Schutz der ländlichen Lebensräume vor Grossraubtieren (VSLvGRT) in einer Reaktion auf die Kora-Analyse hin.

Bis zu 10 Schafe pro Angriff

«Es ist bekannt, dass Wölfe bei Attacken auf Schafherden leicht 10 Schafe bei einem einzigen Angriff töten können», schreibt der VSLvGRT. Dabei werde aber nur eine kleine Menge Fleisch von einem einzigen Schaf verzehrt. «Daraus muss man den Schluss ziehen, dass die Zahl dieser Studie verfälscht ist» so der Verein. Es werde nämlich nur der Prozentsatz des verzehrten Nutztierfleisches angegeben, aber kein Wert zu den von Wölfen getöteten (oder verletzten) Nutztieren.

Allerdings argumentiert der VSLvGRT basierend auf der Kora-Studie auch in die andere Richtung: Die Daten würden zeigen, dass Wölfe selten gewordene Tiere wie Gämsen frässen. Hingegen leisteten sie keinen Beitrag zur Reduktion der weit verbreiteten Wildschweine. «An ein natürliches Gleichgewicht zu glauben, in dem man die Jäger durch den Wolf ersetzt, ist völlig utopisch», schliesst der Verein.