Der Verein «Wisent Thal» wurde 2017 gegründet, um rund 1000 Jahre nach der Ausrottung des Wisents das grösste noch existierende Wildtier Europas in der Schweiz wieder anzusiedeln. Gemäss eigenen Angaben soll «mit einer gut überwachten und betreuten freilebenden Wisent-Testherde aus 10 bis 25 Tieren während 10 Jahren überprüft werden, ob Wisente als Wildtiere im Jura leben können». Die Solothurner Bauern haben kein Verständnis für dieses Unterfangen, nachdem bereits die Wildschweine zu einer regelrechten Landplage geworden sind.
Öffentliches Interesse ja oder nein?
Unter dem Titel «Wisent – öffentliches Interesse?» schreibt Peter Brügger auf der Website des Solothurner Bauernverbands: «Unter dem öffentlichen Interesse versteht man gemeinhin etwas, das der Gesellschaft als Ganzes oder zumindest einem erheblichen Teil unserer Gesellschaft dient. Das öffentliche Interesse hat häufig Vorrang gegenüber dem Einzelinteresse. Die Einstufung eines Anliegens als öffentliches Interesse ist in der Politik gang und gäbe und dient dazu, einem Anliegen in der politischen Diskussion mehr Gewicht zu geben. Auch die Juristerei bedient sich nicht selten der Bezeichnung «öffentliches Interesse». Vor allem wenn es darum geht, Anliegen des Staates gegenüber den Anliegen einer Einzelperson oder einer kleineren Gruppierung einzuordnen. Manchmal wird die Bezeichnung «öffentliches Interesse» auch inflationär gebraucht, wie dies in den letzten 20 Jahren mit dem Begriff «Nachhaltigkeit» der Fall war.»
Bauer darf Wald nicht einzäunen
Eine ganz besondere Art des öffentlichen Interessens und dessen Definition hat der Rechtsdienst des Bau- und Justizdepartements des Kantons Solothurn (BJD) bei der Bewilligung der Wisenthaltung im Thal gefunden. Gemäss Interpretation der Juristen im BJD liegt der Wisent und dessen Ansiedlung im Thal im öffentlichen Interesse. Dieses öffentliche Interesse wird gemäss der Verfügung vom 27.12.2019 höher gewichtet als das öffentliche Interesse der Gesellschaft, freien Zutritt zum Wald zu haben.
«Als Nichtjurist bin ich bisher davon ausgegangen, dass eine rechtsgleiche Behandlung einen sehr hohen Stellenwert hat. Aus der beruflichen Erfahrung weiss ich, dass wenn ein Bauer seinen Wald einzäunen möchte, dies nicht zulässig ist. Wenn ein Bauer den Zutritt zu seinem Wald jemandem verwehren will, ist dies ebenfalls nicht zulässig. Auch eine Beschränkung des Zutritts ist nicht erlaubt. Ebenso unzulässig ist, wenn ein Landwirt seine Rinder im Wald weiden würde. Mit der Interpretation, dass die Wisente im öffentlichen Interesse stehen, gilt plötzlich die rechtsgleiche Behandlung nicht mehr. Der Verein Wisent Thal bekommt somit als privatrechtlicher Verein die Bewilligung, Wald einzuzäunen, den Zutritt vieler Leute zum Wald zumindest zu erschweren und den Wald künftig zu beweiden. Es mutet richtiggehend wunderbar an, was man mit der Deklaration des öffentlichen Interesses alles erreichen kann. Es ist manchmal schon erstaunlich, welch interessante Wege die Rechtsgelehrten von Amtsstellen finden», so Brügger.
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