In der Diskussion um die übervollen Euter an Viehausstellungen geht es in die nächste Runde. Nationalrätin Irène Kälin (Grüne/AG) hat heute eine Motion eingereicht. Darin ersucht sie den Bundesrat, «die Tierschutzverordnung dahingehend anzupassen, dass bei Rindern das Verschliessen von Zitzen jeglicher Art zu Schau- und Präsentationszwecken verboten wird.» Die Sachlage sei klar, erklärt die grüne Politikerin auf Anfrage der BauernZeitung. «Hier handelt es sich um tierquälerische Massnahmen, es wird ganz eindeutig gegen das Tierschutzgesetz verstossen.»
Sanktionen durch Verarbeiter
Für Irène Kälin ist nicht nur das längst verbotene Einsetzen von Sekundenleim problematisch, sondern jegliches Versiegeln eines Euters. Diese Ansicht teilt auch Julika Fitzi vom Schweizerischen Tierschutz (STS). «Der STS steht hundertprozentig hinter einem solchen Verbot und findet, dass dies längstens überfällig wäre», erklärt die Tierärztin gegenüber dieser Zeitung. Für die Tiere an den Veranstaltungen würde ein komplettes Verbot eine riesige Erleichterung bedeuten, ist sie sicher.
Ein komplettes Verbot einer Verschliessung der Zitzen zu Präsentationszwecken wird derzeit auch in den Reihen der Milchverarbeiter diskutiert. «Zum Tierwohl in der Milchproduktion gehört auch die Behandlung der Milchkühe an Ausstellungen», erklärt Lorenz Hirt, Geschäftsführer der Vereinigung der Schweizerischen Milchindustrie (VMI) auf Anfrage. Deshalb sei auch ein entsprechender Punkt in die Nachhaltigkeitsstrategie der BO Milch aufgenommen worden. Ein eigentliches Verbot des Verschliessens der Zitzen bei Kühen an Viehausstellungen müsste seiner Meinung nach aber im Rahmen der Ausstellungsreglemente erfolgen.
Aufgabe der Branche
«Idealerweise sollte bereits das Entstehen von überladenen Eutern verhindert werden», so Lorenz Hirt. Dies sei grundsätzlich die Aufgabe der entsprechenden Branchenakteure, die VMI sei mit diesen in Kontakt und auch bereit, wo nötig zu unterstützen. «Eine solche Unterstützung kann im Extremfall bis hin zur Umsetzung einer Sanktionierung über die Einkaufskonditionen für die Milch gehen», erklärt Hirt weiter. Einfach ausgedrückt, dürfte das heissen, entweder halten sich die Viehaussteller an die Regeln oder riskieren, bei Verstössen, ihren Milchabnehmer zu verlieren.
Der STS findet diese Haltung absolut gerechtfertigt. «Die Milchverarbeiter zeigen damit, dass sie die belastenden, tierschutzrelevanten Prozeduren an den Tieren nicht mittragen wollen und sich deutlich dagegen aussprechen. Aus unserer Sicht eine notwendige Massnahme.»
Ruf nicht aufs Spiel setzen
Nationalrätin Irène Kälin sieht die Tradition der Viehschauen bedroht, da diese durch fragwürdige und oft tierschutzrelevante Manipulationen überehrgeiziger Züchter an Ausstellungskühen zunehmend in Verruf gerieten. «Es kann nicht sein, dass für eine perfekte optische Erscheinung tierquälerische Praktiken angewandt werden dürfen», erklärt sie. Wenn der Bund die Viehschauen schon subventioniere, so solle er auch darum besorgt sein, dass diese ohne tierquälerische Praktiken über die Bühne gehen, fordert die Grüne in ihrer Motion.
Simone Barth