Es ist nicht klar, ob die Rinder an Bord der beiden Frachter Karim Allah (unter libanesicher Flagge) und Elbeik (trägt die Flagge von Togo) tatsächlich an der Blauzungen-Krankheit leiden, wie Agrarheute berichtet. Die World Organisation for Animal Health verzeichnet jedenfalls derzeit keinen Ausbruch der Seuche. Somit könnte die Tragödie auf See durch eine Falschmeldung ihren Anfang genommen haben.

Keiner will die Tiere haben

Mitte Dezember legten die beiden Schiffe in Spanien ab, die Karim Allah mit fast 900 und Elbeik mit rund 1'700 Rindern aus der EU an Bord, schreibt der Guardian. Das Ziel war Lybien (Karim Allah) bzw. die Türkei (Elbeik). In den Zielhäfen wurden die Tiere aber wegen Verdachts auf die Blauzungen-Krankheit an Bord abgelehnt, worauf die Schiffe weitere Häfen erfolglos ansteuerten. Währenddessen wurden Futter und Wasser knapp, beschreibt die Animal Welfare Foundation.  

Die Zahlen variieren je nach Quelle und auf seiner Irrfahrt soll Elbeik einige der Rinder in verschiedenen angelaufenen Häfen abgeladen sowie Futter und Wasser aufgeladen haben. 

Notschlachtung in Spanien

Wie Die Presse berichtet, wurden die verbliebenen Rinder an Bord von Karim Allah notgeschlachtet. Sie sollten direkt an der Küste in einem Zelt getötet werden. Der Frachter war nach Spanien zurückgekehrt, wo der Verkauf der Tiere nicht möglich sei, weil keine lebenden Tiere von ausserhalb der EU importiert werden dürften, so «Die Presse» mit Bezug auf spanische Medien. Ein Weitertransport sei nicht zumutbar gewesen. 
22 Rinder sollen bereits vorher auf dem Schiff gestorben sein. 

Elbeik weiter unterwegs

Gemäss dem Trackingdienst für Schiffe ist Elbeik noch immer unterwegs. Während Karim Allah laut diesen Daten seit Ende Februar in Spanien vor Anker liegt, hat Elbeik den ägypischten Hafen Alexandria nach einem dreitägigen Aufenthalt am 2. Januar 2021 verlassen. Das ist der letzte Eintrag, das Schiff anscheinend immer noch irgendwo im Mittelmeer unterwegs. Als Ziel wird Kalio Limenes, Griechenland angegeben. 

 

Petition gegen Schiffstransporte

Die Animal Welfare Foundation hat eine Petition gegen europäische Tierexporte per Schiff gestartet. Unter anderem fordert die Organisation ein Verfahren wegen Vertragsverletzung gegen jene Mitgliedstaaten, in denen sich die Exporthäfen befinden. Diese seien für die «systematischen Tierquälereien» mitverantwortlich. 

 

Nicht das erste Mal

Der Guardian zitiert ein Mitglied der Untersuchungskommission des EU-Parlaments, die sich mit Tiertransporten beschäftigt. Der Zitierte kritisiert, dass es keinen Notfallplan für Krankheitsausbrüche oder andere unvorhersehbare Ereignisse auf Frachtschiffen gebe. Vor zwei Jahren gab es einen ähnlichen Fall, als ein Transporter im Schwarzen Meer in Seenot geriet und die meisten der 14'000 Schafe nicht gerettet werden konnten. 

Gesetzeslücke bei Schiffstransporten

Das Hauptproblem sei eine Gesetzeslücke: Die Zeit auf dem Schiff gelte rechtlich als Ruhe- und nicht als Transportzeit. Man behandelt Schiffe also quasi als schwimmende Ställe. Die schockierenden Dokumentationen der Animal Welfare Foundation zeichnen ein ganz anderes Bild. 

So sei es möglich, die Tiere praktisch unbegrenzt lange auf dem Meer zu transportieren – ungeachtet der Zustände auf den oft überfüllten Schiffen mit wenig Besatzung und dem Risiko von Krankheit, Futter- und Wassermangel und eben der Ablehnung im Zielhafen, ziert der Guardian.