Die Aktionswoche, mit der die deutsche Landwirtschaft gegen die geplante Abschaffung der Subvention von Agrardiesel mobil machte, schloss am Montag mit einer Grossdemonstration vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
Nach Angaben der Veranstalter versammelten sich dort rund 30'000 Personen mit etwa 5000 Traktoren. Nach einer Rede von Finanzminister Christian Lindner und nachfolgenden Gesprächen zwischen Vertretern der Regierungsparteien und des Deutschen Bauernverbandes machte sich der grösste Teil der Demonstranten am frühen Nachmittag auf den Heimweg.
«Den Ball flach halten»
Was die Aktion bewirkt hat, ist derzeit noch unklar. Noch muss das Parlament die Pläne der Regierung absegnen. Der Deutsche Bauernverband (DBV) suche nun intensiv das Gespräch mit den Abgeordneten und den Fraktionsspitzen, sagte Präsident Joachim Rukwied an einer Pressekonferenz am Nachmittag.
«Jetzt ist die Zeit für Gespräche», betonte er. Den Protestierenden empfahl er deshalb, «den Ball flach zu halten». Sollte sich zeigen, dass es von Seiten der Regierung kein Entgegenkommen gebe, behalte sich der DBV aber weitere Proteste vor.
Finanzminister ausgebuht
Finanzminister Christian Lindner (FDP) war zuvor vor dem Brandenburger Tor von den Demonstrierenden ausgebuht worden. Mehrfach übertönte der Ruf «Hau ab» seine Rede. Rukwied musste die aufgebrachte Menge beruhigen und zur Ordnung rufen. Grund der Ablehnung: Bereits vor der Demonstration hatte Lindner gegenüber deutschen Medien klargemacht, dass an der schrittweisen Abschaffung der Agrardieselsubvention nicht gerüttelt werde.
«Sie können mir doch nicht erzählen, dass Sie nur wegen des Agrardiesels hier sind», sagte Lindner am Montag in Berlin: «Es hat sich seit Jahrzehnten etwas aufgestaut». In seiner Rede äusserte er Verständnis für die Anliegen der Landwirtschaft, schob die Verantwortung für die aktuelle Lage aber auf die Finanz- und Agrarpolitik der Vorgängerregierung. Weiter bot er an, Hand zu bieten beim Abbau von bürokratischen Hürden.
Rukwied widersprach dem Finanzminister an der folgenden Pressekonferenz: «Es geht vorgängig um den Agrardiesel», bekräftigte er dort. Dieser sei eine Steuererhöhung und bringe der deutschen Landwirtschaft einen massiven Wettbewerbsnachteil. «Das muss vom Tisch. Im Nachgang können wir dann die anderen Probleme besprechen», so Rukwied.
«Wir wollen ein Zeichen setzen»
BauZ-Redaktor Viktor Dubský war am Montag in Berlin vor Ort mit dabei und konnte mit Teilnehmenden sprechen. «Es geht nicht nur um die Wegnahme der Agrardieselsubvention und die KfZ-Steuer», sagte etwa Paul Zoch aus Nordbrandenburg.
Er war mit seiner Familie mit dem Traktor nach Berlin gefahren. Die Familie führt einen Betrieb mit Mutterkuhhaltung mit rund 100 Tieren, dazu baut sie auf den sandigen Lehmböden Gerste, Raps, Zuckerrüben, Hafer, Roggen, Erbsen und Silomais an.
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«Wir wollen bessere Produktionsbedingungen», sagte Zoch. In ganz Europa habe kein anderes Land so viele Auflagen, egal ob beim Ackerbau, der Tierhaltung oder dem Forst. «Wir wollen ein Zeichen setzen und der Regierung zeigen, dass die Agrarpolitik in Deutschland so nicht fortgeführt werden kann», stellte Zoch klar.
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«So wie es jetzt läuft, kann es nicht weitergehen, die Steuererhöhungen brechen uns das Genick», sagte Franz Koller, ein Bergbauer aus dem Berchtesgadener Land. Und sein Kollege Sepp Lenz gab zu bedenken: «Das geht dann auch auf die normalen Bürger über, alles wird teurer und es wird eskalieren».
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Ebenfalls an der Demo waren Landwirtschaftsstudent Luca Tom Mordelt und seine Partnerin Maike Bruns. «Es wird viel von oben entschieden, und weil die Wähler in der Stadt sind, werden die Leute auf dem Land nicht mehr einbezogen», erklärte sie. Das raube dem ländlichen Raum die Zukunft. «Das ganze Geld geht ins Ausland und für unsere eigenen Bürger haben wir nix», ergänzte Mordelt: «jetzt reichts».
Präsenz zeigten in Berlin auch die Jäger. «Wir fühlten uns verpflichtet», begründete Jagdverbands-Präsident Helmut Dammann-Tamke. «Es gab vielfältige Anfragen aus dem ländlichen Raum, dass wir uns als Jägerschaft solidarisch zeigen sollten».
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Mit dabei waren auch Lohnunternehmer. Einer von ihnen war Fred Eric Zich von Westhoff Agrar. «In Deutschland wird es immer schwieriger, vernünftig Lebensmittel zu produzieren», sagte er. «Beim Bauern kommt am Ende nichts an».
Protest «legitim und friedlich»
Einige Landwirte wollten aber keine Interviews geben: Die Erfahrungen mit der deutschen Presse seien schlecht, so der Tenor. Man befürchtet, als radikal dargestellt zu werden. Im Vorfeld waren in deutschen Medien Ängste vor einer Unterwanderung der Proteste durch Rechtsextreme geäussert worden.
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Das wurde in Berlin auch von Finanzminister Lindner selbst kritisiert. «In Zukunft sollte eher vor der linksextremen Unterwanderung der Klimabewegung gewarnt werden», sagte er und lobte die Bauern: «Ihr Protest ist legitim und friedlich».
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Rettungsgassen freigehalten
Tatsächlich war die Stimmung trotz der grossen Menschenmenge friedlich. Während der Auffahrt der Traktoren am Morgen stand der Verkehr mehr oder weniger still, schon am Vormittag hatte sich die Situation abseits der von der Polizei abgesperrten Hauptachsen des Protestes aber normalisiert. Rettungsgassen wurden konsequent freigehalten.
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Trotz klirrender Kälte hatten viele Bauern bereits die Nacht auf Montag auf den Strassen der deutschen Hauptstadt verbracht, es wurde in Wohnwagen geschlafen, Feuer gemacht und grilliert. Vorherrschend war die Freude und auch in bisschen Stolz darüber, eine Aktion von diesem Ausmass auf die Beine gestellt zu haben.
Am frühen Nachmittag machten sich die meisten Teilnehmer auf den Heimweg – nur ein kleiner Teil verharrte vor dem Brandenburger Tor. Nicht für alle ist der Protest zu Ende.
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