Nahezu geräuschlos und zentimetergenau zieht ein Traktor ohne Kabine und ohne Fahrer seine Bahnen über ein Feld. Eine angehängte Pflanzenschutzspritze bringt punktgenau die nötigen Mittel aus; nur wo ein Pflänzchen wächst, wird gespritzt. Wo genau, weiss die hochmoderne Spritze, weil die entsprechenden Daten bereits bei der Saat erhoben und auf einer virtuellen Feldkarte verzeichnet wurden. Dass gerade jetzt die richtige Zeit zum Spritzen ist, haben die Daten gezeigt, die eine Drohne beim morgendlichen Flug über das Feld geliefert hat.

Aufgrund aller ihm zur Verfügung stehenden Informationen hat der Besitzer des Feldes entschieden, seinen eigenständig fahrenden Traktor und die Spritze aufs Feld zu schicken. Die digital arbeitenden Helferlein, die ihn bei dieser Entscheidung unterstützt haben, sind untereinander vernetzt, speichern Informationen und «lernen» eigenständig dazu.

Eine «smarte» neue Welt

Selbständig arbeitende Traktoren und Feldroboter, Drohnenflüge, miteinander kommunizierende Fütterungs- und Melkroboter, ganze Landwirtschaftsbetriebe, die als ein digitales System steuerbar sind – all diese technologischen Neuerungen fallen unter die Schlagworte «Smart Farming» oder «Landwirtschaft 4.0».

Die Zukunft der Landwirtschaft soll noch «smarter» verlaufen. Gemeint ist damit der vermehrte Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, wie sie etwa als Bestandteil der Smartphones längst einen festen Platz in unserem Alltag gefunden haben. Damit knüpft die «Landwirtschaft 4.0» an die technologischen Neuerungen an, die unter der Bezeichnung «Precision Farming» im Rahmen der «Landwirtschaft 3.0» Einzug auf dem Hof gehalten haben.

«Precision» ist die Grundlage

SonderbeilageLandtechnik Special 2021Freitag, 26. November 2021 Die im Zuge der «Landwirtschaft 3.0» etablierten Technologien dienen grösstenteils dazu, die Landwirtschaft präziser, effizienter und ressourcenschonender zu machen. Zentrale Hilfsmittel dabei sind Geräte zur Positionsbestimmung von Maschinen oder Tieren, wie das GPS- bzw. das RTK-System (Echtzeitkinematik; ein Verfahren, das enorm präzise Positionsdaten liefert), verschiedene hochsensible Sensoren, Analysegeräte und Mini-Computer.

Mit den Verfahren der modernen Präzisionslandwirtschaft lassen sich beispielsweise Unterschiede des Bodens und der Ertragsfähigkeit innerhalb einer Parzelle viel detaillierter erkennen. Anhand der gesammelten Daten können virtuelle Feldkarten erstellt werden, die es dem Landwirt dann erlauben, seine Arbeiten entsprechend anzupassen und teilflächenspezifisch etwa mehr oder weniger Dünger auszubringen.

«Decision» ist das Resultat

Auf dieser Arbeitsweise bauen die Technologien der «Landwirtschaft 4.0», des «smarten Farmings» auf. Die modernsten landtechnischen Geräte sind innerhalb eines virtuellen Systems miteinander verbunden, erheben und tauschen stetig Daten aus und arbeiten häufig autonom. Alle Informationen laufen letzten Endes auf dem Computer oder dem Smartphone des Landwirts zusammen und dienen ihm als Entscheidungsgrundlage im Arbeitsalltag.

So bewegt sich die Landwirtschaft vom «Precision Farming» hin zum «Decision Farming» – oder auf Deutsch: Zu einer Form von Landwirtschaft, bei welcher die Technik dem Landwirt bei wichtigen Entscheidungen eine Faktengrundlage liefert, die auf enorm vielen Informationen beruht.

Nicht für jeden Betrieb gleich gut geeignet

Der Nutzen der neuesten Technologien liegt auf der Hand, auch wenn sie vielfach kaum den Kinderschuhen entwachsen sind: Je mehr Informationen zur Verfügung stehen, desto eher gelingt es, das Richtige am richtigen Ort und zur richtigen Zeit zu tun – und dies dereinst vielleicht völlig automatisierte Roboter erledigen zu lassen (siehe Kasten).

Trotzdem wird es noch eine Weile dauern, bis sich die Landtechnik 4.0 grossflächig Verbreitung findet. Das hat mehrere Gründe: Zunächst kommt sogar Technik aus der «Landwirtschaft 3.0» wegen der häufig hohen Anschaffungskosten eher nur bei grossen Betrieben oder Lohnunternehmern zum Einsatz.

Weiter sind leistungsfähigere Mobilfunksignale nötig, um die grossen Datenmengen, die dauerhaft erhoben und ausgewertet werden müssen, zu übermitteln. Bis aber das 5G-Netz auch auf dem Land ausgebaut ist, dürften noch einige Jahre vergehen. Und letzten Endes will nicht jeder Landwirt seinen Betrieb komplett technologisieren.

Die beste Herangehensweise im Umgang mit den neuen Technologien lautet wohl «Prüfe alles, behalte das Beste». Was auf dem einen Betrieb passt, muss nicht zwingend für den nächsten stimmen. Trotzdem dürfen wir alle gespannt sein, welche Neuerungen die landtechnische Zukunft für uns bereit hält.

Im vergangenen Jahrhundert hat sich die Landwirtschaft enorm entwickelt. Dabei lassen sich grob vier Phasen unterscheiden, die jeweils mit dem technischen Wandel einhergehen. Von Stufe zu Stufe wird die eingesetzte Technik komplexer, während die landwirtschaftliche Arbeit effizienter und ressourcenschonender wird.

Landwirtschaft 1.0, um 1900: Zentral ist die Mechanisierung; der Traktor löst das Pferd ab. Die Effizienz wird gesteigert, trotzdem ist hoher Arbeitsaufwand nötig.

Landwirtschaft 2.0, ab 1950: Der Traktor wird moderner und erhält eine zentrale Rolle. Dünger und Pflanzenschutz werden effizienter, die Erträge steigen.

Landwirtschaft 3.0, ab 1990: «Intelligente Maschinen» mit Lenksystemen, Ertragskartierung usw. erlauben das «Precision Farming».

Landwirtschaft 4.0, heute: Die modernsten Maschinen sind vernetzt und häufig automatisiert. Grosse Datenmengen liefern Entscheidungsgrundlagen.


(Quellen Heinrich Prankl, Stefan Gfeller)