Den Frauen Sichtbarkeit und Gehör verschaffen. Traditionelle Rollenbilder aufbrechen und über Themen wie Geldflüsse, Perspektiven, Entlöhnung und Altersvorsorge sprechen: Das waren einige der Themen an der internationalen Tagung «Frauen in der Landwirtschaft», die Anfang April in Bozen, Südtirol, stattfand. Aus der Schweiz mit dabei war unter anderem Anne Challandes, Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands (SBLV). Im Interview spricht sie von ihren Erfahrungen.

Frau Challandes, was hat Sie an der Tagung am meisten beeindruckt?

Zum einen war es das Interesse der anwesenden Frauen, mehr über die jüngsten Studien und Projekte zu erfahren. Zum anderen einmal mehr die Erfahrung, wie sehr sich die Anliegen, Herausforderungen und Themen der Frauen in allen Ländern ähneln. Und schliesslich der konstruktive und positive Geist der Tagung. Die Frauen unterstützten sich gegenseitig und suchten gemeinsam nach Lösungen.

Welche Bedeutung hat solch eine internationale Tagung?

Es treffen sich nicht nur Frauen aus mehreren Ländern, sondern auch mit verschiedenen Horizonten: aus der Wissenschaft, der Praxis und den Verbänden – ideal, um sich zu vernetzen und um dazuzulernen. Indem wir gemeinsam dieselben Forderungen über die Ländergrenzen tragen, vergrössert sich das Echo.

Die letzte internationale Tagung fand 2022 in Bern statt. Hat sich seither viel bewegt?

Ja und nein. Die Schwerpunkte bleiben ähnlich, und es gab ein paar Fortschritte. In der Schweiz gehört unter anderem die soziale Absicherung dazu. Gleich geblieben sind Themen wie Wertschätzung, Einkommen, Position im Betrieb und Perspektiven.

In welchen Bereichen braucht es für Frauen in der Landwirtschaft auf gesellschaftlicher und/oder politischer Ebene Veränderungen?

Noch vor dem Inkrafttreten des Versicherungsschutzes der Ehegatten im Jahr 2027 sollte sich die Entlöhnung und Absicherung von familieneigenen Mitarbeitenden noch verbreiten. Es braucht auch Verbesserungen, um die Nicht-Eigentümerinnen und -Eigentümer von Höfen von den negativen Auswirkungen einer Scheidung zu schützen. Weiter sollte die Care-Arbeit wertgeschätzt und besser verteilt werden. Die Verbesserung des landwirtschaftlichen Einkommens, insbesondere auf den Märkten, ist ebenfalls ein unerlässliches Element, um die wirtschaftliche und soziale Situation der Bauernfamilien zu sichern. Dies würde auch positive Entwicklungen ermöglichen – insbesondere in Bezug auf die Frauen.

Worüber sprachen die Frauen sonst noch an der Tagung, ausserhalb der Referate?

Sie lernten sich kennen. Sie tauschten sich über ihre Arbeit und ihre persönliche Situation sowie über die Vorträge aus und sammelten neue Informationen. Sowohl beim offiziellen Teil wie auch bei den Gesprächen untereinander zeigte sich immer wieder, dass die Kommunikation ein grosses Thema ist, sei es zwischen den Generationen oder auch mit der Bevölkerung. Die Frau auf dem Hof ist oft die Drehscheibe, sie dient als Puffer und das ist sehr schwierig.

Was nehmen Sie persönlich mit von den Tagen im Südtirol?

«Mir gab die Tagung Kraft und Motivation. Es entstanden neue Beziehungen zu Gleichgesinnten und Freundschaften. Spannend fand ich auch den Workshop zum Thema Krisenbewältigung. Es zeigte sich, dass es eine offene Konfliktkultur braucht. Die Menschen sollten lernen, miteinander zu sprechen und Probleme frühzeitig anzugehen. Zudem braucht es Anlaufstellen, und ich konnte feststellen, dass unsere beiden SBLV-Plattformen diesem Bedürfnis bereits entsprechen.»

Den Betrieb mitgestalten
Bäuerin sein bedeutet, den Betrieb gleichwertig mitzugestalten: Dies war der Tenor der 5. internationalen Tagung Frauen in der Landwirtschaft in Bozen, wie die Südtiroler Bäuerinnenorganisation schreibt. Über 150 Frauen aus Deutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz nahmen an der Tagung teil.
«Wir müssen den Mut haben, unsere Anliegen immer wieder in allen Entscheidungsgremien einzubringen und deren Umsetzung einzufordern», sagte Antonia Egger, die Landesbäuerin des Südtirols, in ihren Schlussworten. Die Kommunikation zwischen den Vertretern der Landwirtschaft und den Institutionen sowie der Politik sei wichtig. Denn es gehe darum, nicht über die Köpfe der Beteiligten hinweg zu entscheiden. Die nächste internationale Tagung Frauen in der Landwirtschaft findet 2028 in Wien statt.