Für Vanessa Gisler eröffnete sich eine völlig neue Welt, als sie in einem Tanzkurs Manuel kennenlernte. Denn Manuel war Agronom und stellte von Anfang an klar, dass er später den elterlichen Hof in Rüeterwil SG übernehmen würde. Vanessa war gelernte Sportartikel-Verkäuferin und KV-Absolventin. Mit der Landwirtschaft hatte sie bisher wenig Berührungspunkte. «Doch für mich war schnell klar: Manuel oder keiner», sagte sie an ihrem Referat in St. Gallen.
Das war vor rund sechs Jahren. Heute ist sie eine «leidenschaftliche Überzeugungsbäuerin», wie die Mutter von drei kleinen Buben sagt. Den Rinderweidhof betreiben sie und ihr Mann gemeinsam als Generationengemeinschaft mit den Schwiegereltern, mit Milchwirtschaft als Hauptbetriebszweig. Dazu kommen Fleischproduktion und Eier. «Manuel hat mich mit seiner Leidenschaft fürs Bauern angesteckt. Ich habe über die Liebe zu meiner Berufung gefunden.»
Viele Fragen gestellt
In den ersten Jahren habe sie ihren späteren Mann praktisch an jede Viehschau begleitet. «Ich dachte, als Bäuerin macht man das so», erinnert sie sich die 25-Jährige mit einem Schmunzeln. Da sie wenig von der Landwirtschaft wusste, stellte sie unzählige Fragen. «Manche davon sind mir heute peinlich. Doch ich habe unglaublich viel gelernt.»
Heute betreut Vanessa Gisler auf dem Rinderweidhof den Online-Shop sowie die Website. Sie hilft bei der Büroarbeit und verkauft die Hofprodukte auf dem Wochenmarkt. Zusätzlich ist sie regelmässig auf Instagram aktiv, zeigt die Hoftiere und gibt Einblick in die Arbeit. «So vermarkte ich unsere Produkte. Ich will zeigen, wie die Landwirtschaft wirklich ist.» Derzeit tüftelt mit ihrem Mann zudem an einer App, die den Konsumenten mehr Wissen zum Thema vermitteln soll.
Für ihre heutige Arbeit habe sie enorm von ihren früheren Ausbildungen profitiert. «Doch mein Arbeitsalltag sieht heute völlig anders aus als vor sechs Jahren.» Der Stall sei der Bereich ihres Mannes. «Da habe ich nicht viel zu sagen.» Doch inzwischen kümmert sich die frühere Einsteigerin auf dem Hof selbstbewusst und selbstständig um die Produktvermarktung. «Und da mag ich es auch nicht, wenn mir Manuel bei der reinredet.»
Der Hof - ihre Herzensangelegenheit
Eine andere Art von Landwirtschaft betreibt Madeleine Michel aus Ramersberg OW. Ihr Hof liegt in Bergzone I und II, mit Gemüseanbau und Rindviehhaltung. Zusammen mit einer Handvoll Mitarbeitenden betreut sie zudem drei Selbsternte-Gärten und vermarktet ihre Produkte direkt ab Hof. Ihr Partner Christoph Spichig arbeitet mit einem 70 Prozent Pensum auswärts als Mechaniker und ist auf dem Hof für die Futtergewinnung und die technischen Einrichtungen zuständig.
«Der Hof selbst ist meine Herzensangelegenheit», sagte Madeleine Michel an ihrem Referat. Die zweifache Mutter ist Gemüsegärtnerin und Meister-Landwirtin. Der Bio-Hof basiert auf dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft: auf der direkten Zusammenarbeit von Produzenten und Konsumenten. «Das Risiko liegt nicht bei uns als Produzenten, wir teilen das auf.»
Sie geht dabei eigene Wege. «Ich will eine enkeltaugliche Landwirtschaft betreiben und selber bestimmen, was für uns stimmt.» Sie fälle auf dem Betrieb die strategischen Entscheide, habe dafür von der Technik keine Ahnung. «Christoph und ich können uns auch mal streiten. Doch der Hof ist mein Ding, ich ziehe es durch.»
Ein Hof ohne Bäuerin
Eigentlich seien sie ein «Bäuerinnen-loser Hof», meint sie die 37-Jährige, die auf einem Landwirtschaftsbetrieb aufgewachsen ist. Auf dem Ramersberg ist sie vor allem Landwirtin und Mutter «Und seit den Kindern auch Hausfrau». Doch der hauswirtschaftliche Teil gehe auf dem Hof oft etwas unter. «Ich bin froh, wenn am Mittag der Kartoffelgratin um zwölf Uhr gar ist und dass wir genügend frische Wäsche haben», erklärt sie mit einem Lachen. Und wenn man wieder alles drunter und drüber gehe «hilft gut durchatmen und auf die Sachsler Berge zu schauen.»
Eine Bäuerin wie ihre Mutter wollte sie nie sein. Doch ihre Definition der Bezeichnung habe sich auch gewandelt. «Eine Bäuerin soll das machen, was sie gerne und gut macht. Und sie soll das Herz des Hofes sein.» Nun sucht sie per Stelleninserat eine Bäuerin, die im hauswirtschaftlichen Bereich und bei der Produkterarbeitung stark ist.
Zwischen Stuhl und Bank
Aus einer ganz anderen Welt verschlug es Gabriella Caretta in die Landwirtschaft. «Zuerst dachte ich, das Leitthema für mein Referat könnte ‘zwischen Stuhl und Bank’ sein», sagt die 62-Jährige zum Auftakt. Gabriella Caretta ist die Tochter eines Italieners und einer Schweizerin, die in Köln aufgewachsen ist. Die Familie lebte mitten in der Stadt Zürich und Gabriella Caretta studierte am Konservatorium Musik. Dabei begeisterte sie sich für Klassik genauso wie für Pop. Mit 25 lernte ihren Mann Stephan Vetsch kennen, einen ausgebildeten Landwirt ohne Hof, ebenfalls aus Zürich. Das Paar zog auf einen Pachthof in Bern, den es 15 Jahre lang bewirtschaftetet.
Heute sind die beiden zusammen mit 13 Angestellten für das Stockengut in Kilchberg ZH verantwortlich, einem 52 Hektar grossen Gemeindebetrieb mit 30 Prozent Biodiversitätsanteil. Zum Hof gehören Mutterkühe, Legehennen, eine Pferdepension, Obst und Ackerbau sowie Christbäume. Gabrielle Caretta ist verantwortlich für die Administration und den Hofladen, über den alle Produkte vertrieben werden. Zudem kommen regelmässig Schulklassen auf den Hof, die sie ebenfalls betreut und sie ist als Musikpädagogin tätig.
Nicht ganz ernst genommen
Die Bezeichnung «Bäuerin» sei für sie schwierig einzuordnen. «Bei Fragen antworte ich meist, dass ich mit meinem Mann einen Landwirtschaftsbetrieb betreibe.» Früher habe sie auch des Öffnern gespürt, dass ihr als Städterin mit einem anderen beruflichen Hintergrund weniger zugetraut wurde. «Das traf mich manchmal schon. Doch damit muss man leben».
Das Stockengut ist als Gemeindebetrieb öffentlich zugänglich, die Betriebsamkeit sei manchmal nicht einfach. «Ich kann nicht hässig über den Hof gehen», sagt Gabriella Caretta. «Wir reden viel mit den Leuten und erklären, was wir auf dem Hof machen. Wir müssen uns auch viel erklären. Denn alle wollen über die Landwirtschaft reden.»
Auf die Frage des Moderators, ob sie als Fachfrau die Musik im Stall bestimmen würde, winkt Gabriella Caretta ab. «Im Stall hat Franz das sagen und daher läuft dort Radio. Bei mir wäre es durchaus Mozart.» Und eigentlich fühle sie sich auch gar nicht mehr «zwischen Stuhl und Bank»: «Denn es passt ja alles: Stadt und Land, Landwirtschaft und Musik, Kinder und Erwachsene.»
Ohne die Bäuerinnen stünde vieles still
Der «Tag der Bäuerinnen» ist an der Olma eine Institution, fand dieses Jahr zum 29. Mal statt. Anwesend waren rund 500 Frauen und einige Männer. In der Publikums-Diskussion nach den Kurz-Referaten drehte sich eine der Fragen um die verschiedenen Anforderungen, die an eine Bäuerin gestellt werden. «Sie sind oft auch Betriebsleiterinnen eines Familienunternehmens. Ohne sie würde vieles stillstehen. Auf die vielseitigen Leistungen, die sie erbringen, darf jede Bäuerin stolz sein», brachte es eine Frau aus dem Publikum auf den Punkt.
«Die Schilderungen der drei Quereinsteigerinnen haben gezeigt, dass von den Frauen auf den Höfen viele Innovationen ausgehen», sagte Lea Caterina Broder zum Abschluss. Sie ist Mitglied des Organisations-Teams. Man habe sich mit «plötzlich Bäuerin» bewusst für ein leichteres Thema entschieden. Zum einen, um auch jüngere Frauen anzusprechen. Und tatsächlich schien der Altersdurchschnitt dieses Jahr tiefer.