«Wie sicher ist die Versorgung der Schweiz mit Saatgut aus eigener Kraft?» Diese Frage stellte Hans Bieri, Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung Industrie und Landwirtschaft, am Schluss eines Podiums zum Thema «Mit welchem Saatgut säen wir die Zukunft»? Eingeladen hatte der Verein Agrarinfo.
Eine Frage des Geldes
«Die Schweiz kann aus finanziellen Gründen nicht für alle Kulturarten Saatgut produzieren und züchten», lautete die Antwort von Roland Peter. Er leitet den Forschungsbereich Pflanzenzüchtung bei Agroscope. «Dort, wo wir Kompetenzen haben, sind wir sicher», antwortete Karl-Heinz Camp von der Delley Samen und Pflanzen AG, einem Dienstleistungsunternehmen der Schweizer Saatgutbranche. Der Grad der Abhängigkeit sei eine reine Geldfrage, so Camp.
Im Dialog mit der Natur
Für Amadeus Zschunke ist die Versorgung mit Saatgut nie sicher. Sie müsse im Dialog mit der Natur stehen, sagte der Geschäftsführer der Sativa Rheinau AG. Diese setzt sich für eine eigenständige Saatgutversorgung für den Biolandbau ein. Die Entwicklung der Saatgutversorgung werde weltweit zunehmend zu einem Problem: Dies wegen der zunehmenden Konzentration dieses Geschäfts auf die weltweit vier grössten Firmen, aber auch wegen der immer wichtigeren Rolle von Patenten, die Kleinbauern weltweit unter Druck setzten. Das sagte Eva Gelinsky, die politische Koordinatorin der Interessensgemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit.
Neue limitierende Faktoren
Vor der Diskussion im Podium hatte Eva Gelinsky in einem Einstiegsreferat ihre grundsätzlichen Überlegungen zu den Entwicklungen auf dem Saatgutmarkt vorgestellt. Die Saatgutproduktion könne nicht nach dem Vorbild einer industriellen Logik erfolgen, da sie saisonal erfolge und von Reproduktionszyklen abhängig sei, sagte Gelinsky. Ausserdem entwickelten sich Aspekte wie die Gesundheit von Lebensmitteln, steigende Temperaturen und die Verfügbarkeit von Wasser bei der Saatgutproduktion zunehmend als limitierende Faktoren. Gelinsky beschrieb die konventionelle Saatgutproduktion als ein input-intensives System, das mit seinem Einsatz an Düngemitteln und Pestiziden an seine Grenzen komme.
Wie Gelinsky weiter ausführte, leide die Schweizer Landwirtschaft als Folge der aktuellen Landwirtschaftspolitik unter einem fundamentalen Widerspruch: Zum einen werde erwartet, dass sich deren Produkte auf einem internationalen und liberalisierten Markt behaupten, zum andern betreibe das Bundesamt für Landwirtschaft eine interventionistische Umweltpolitik. Diese beiden Ziele seien nicht vereinbar. Gegenwärtig unterstützt die öffentliche Hand die Pflanzenzüchtung in der Schweiz jährlich mit vier Millionen Franken. Dieser Beitrag sei viel zu tief angesetzt, kritisiert Gelinsky. Sie forderte, das Engagement des Bundes in eine standortgerechte Pflanzenzüchtung inklusive der Sortenprüfung sei substanziell zu erhöhen.
«Superpflanze» nicht in Sicht
Eva Gelinskys Haltung zu gentechnisch veränderten Saatgut ist eindeutig: Nein. Die immer wieder versprochene «Superpflanze» sei noch immer nicht in Sicht, sagte sie. Sie wandte sich auch gegen den Einsatz von Methoden wie etwa der «Genschere» Crispr/Cas. In dieser Haltung unterstützt wurde Gelinsky im Verlauf des Podiums von Amadeus Zschunke. Dieser sagte, es handle sich hier um eine junge und wenig erforschte Methode. Solche Techniken würden nur Scheinlösungen bringen.
Dem hielt Peter Arnold entgegen, Biowerkzeuge alleine genügten nicht. Neue Methoden seien nicht zum vornherein auszuschliessen. Crispr/Cas sei eine natürliche und einfache Methoden, die ein grosses Potenzial öffne. Er konzedierte allerdings, dass die GVO-Situation in der Schweiz rechtlich kompliziert sei. Auch bei der Frage, ob die Behörden heterogenes Saatgut zulassen sollten, herrschte keine Einigkeit.
Die Meinungen sind gemacht
Für Eva Gelinsky wäre dies eine Möglichkeit, vom Gedanken der Einfruchtkultur wegzukommen und mehr Biodiversität auf die Äcker zu bringen. Dem hielt Roland Peter entgegen, Mischkulturen würden bei Agroscope nicht weit oben auf der Prioritätenliste stehen. Jede in einer Zucht angestrebte zusätzliche Eigenschaft erfordere einen zusätzlichen Effort. Bei klassischen Züchtungen seien die Zuchtziele eher erreichbar.Karl-Heinz Camp wies daraufhin, dass homogenes Saatgut die Refinanzierung der Saatgutproduktion über Lizenzzahlungen ermögliche. Bei heterogenem Saatgut würde die Sortenbeschreibung erschwert und die Refinanzierung gefährdet.
Die Teilnehmerin und die Teilnehmer des Podiums diskutierten im Ton stets ruhig. Dabei zeigte sich allerdings auch beim Thema Saatgut: Die aktuellen Positionen in der Landwirtschaftspolitik klaffen fundamental auseinander. Und die Meinungen sind weitgehend gemacht.