Die Trinkwasser-Intiative (TWI) will die Anforderungen an den Ökologischen Leistungsnachweis deutlich verschärfen. Während im Parlament kommende Woche darum gefeilscht wird, ob die Initiative ohne Gegenvorschlag an die Urne kommen soll, hat Agroscope nun eine Studie zur Folgenabschätzung der Trinkwasser-Initiative veröffentlicht.
Intensive Betriebe würden zusätzlich intensivieren
Die Studie untersucht wirtschaftliche und strukturelle Wirkungen der TWI anhand verschiedener Szenarien. Die Modellrechnungen zeigen laut Agrsocope, «dass bei einer Verschärfung des ÖLN eine im Vergleich zu heute grosse Zahl von Betrieben aus dem ÖLN aussteigen würde». Grund dafür ist die Tatsache, dass es für die Betriebe logischer ist, die Produktion zu intensivieren anstatt eine Verteuerung der Produktion durch weitergehende Auflagen zu akzeptieren.
Da die Trinkwasser-Initiative verlangt, dass nicht nur pestizidfrei produziert wird, sondern auch auf den prophylaktischen und regelmässigen Antibiotikaeinsatz und auf den Futterzukauf verzichtet wird, würden vor allem tierintensive Betriebe unter Druck kommen. Wie Agroscope schreibt, haben die Modellrechnungen gezeigt, dass 33 bis 66 Prozent aller Schweine- und Geflügelbetriebe aus dem ÖLN aussteigen würden. Bei Spezialkulturbetrieben sind es sogar noch mehr; nämlich 51 bis 93 Prozent. Für diese Betriebe sei es profitabler, ohne Direktzahlungen und mit stark verminderten ökologischen Vorgaben weiter zu produzieren, wie es im Bericht heisst.
Anders sieht die Situation für Betriebe mit Raufutterverzehrern aus. So würden rund 87 Prozent der Betriebe weiterhin im ÖLN verbleiben. «Für sie würde es sich nicht lohnen, ohne Direktzahlungen zu wirtschaften.»
Insgesamt deuten die Modellrechnungen laut Agroscope für alle Betriebstypen darauf hin, dass mit der Umsetzung der TWI «die bereits heute relativ intensiv wirtschaftenden Betriebe eher aus dem ÖLN aussteigen und in der Folge noch weiter intensivieren würfen, während die eher extensiven Betriebe im ÖLN verbleiben und folglich noch extensiver wirtschaften würden.»
Zur Studie
Für die Modellberechnungen wurden detaillierte Angaben darüber benötigt, wie sich Preise, Naturalerträge, Kosten sowie Arbeitszeitaufwand in den Betrieben verändern würden. Die damit verbundenen Unsicherheiten wurden mittels 18 Szenarien aufgefangen, die sich in diesen Angaben unterscheiden. Die Modellannahmen wurden auf Basis wissenschaftlicher Literatur, Expertengesprächen sowie in enger Zusammenarbeit mit einer Begleitgruppe erarbeitet. In dieser Gruppe sassen Vertreterinnen und Vertreter des Schweizerischen Bauernverbandes, Pro Natura, des Bundesamts für Landwirtschaft und des Bundesamtes für Umwelt sowie der ETH Zürich und von Vision Landwirtschaft.
Die Studie beinhaltet die Ergebnisse aller 18 Szenarien, eine Diskussion und eine Zusammenfassung der Modellergebnisse von Seiten Agroscope sowie die Einordnung der Ergebnisse durch die Begleitgruppenmitglieder. Zudem sind die Resultate dieser Studie Basis für die Evaluation der Umweltwirkungen der Trinkwasserinitiative, welche Agroscope in einem separaten Bericht voraussichtlich im ersten Quartal 2020 publizieren wird.
Die Berechnungen würden zudem zeigen, dass je nach Szenario 70 bis 92 Prozent der offenen Ackerfläche mit der Annahme der Trinkwasser-Initiative pestizidfrei bewirtschaftet werden würden. «Sie zeigen jedoch auch, dass (...) der Selbstversorgungsgrad rückläufig wären, wodurch noch mehr Nahrungsmittel in die Schweiz importiert werden müssten.»
SBV sieht sich bestätigt
Der Schweizer Bauernverband äusserte sich in einer Medienmitteilung «nicht erstaunt». Die gerechneten Szenarien würden bestätigen, «dass die gewünschte Wirkung nicht erzielt wird, sondern vielmehr das Gegenteil.» Der SBV weist ausserdem darauf hin, dass die Landwirtschaft die von der TWI angesprochenen Themenbereiche ernst nimmt und Handlungsbedarf anerkennt.
Die Antworten auf die Herausforderungen der Landwirtschaft (u.a. Biodiversitätsverlust, Antibiotikaeinsatz, Gewässerverunreinigungen, Bodenerosion) liegen seiner Meinung nach bei den Aktionsplänen Pflanzenschutz und Biodiversität und der Strategie gegen Antibiotika-Resistenzen. Der SBV verweist zudem auf die «sich in der Pipeline» befindende Branchenstrategie für eine nachhaltige Schweizer Futtermittelversorgung und auf die Agrarpolitik 2022+, die ebenfalls Umweltthemen aufnehme. «Der SBV ist überzeugt, dass mit einer konsequenten Um- und Durchsetzung aller Instrumente mehr als genug Hebel da sind, um die Ziele einer nachhaltigen Landwirtschaft zu erreichen und die aktuellen Herausforderungen anzugehen», so der Verband weiter.