«Im Winter kann man es sich nicht wirklich vorstellen», meint Benjamin Lang mit einem Blick auf die abgeknickten Stängel und gefrorenen Blätter einer Gründüngung, die aus dem Schnee ragen. In Gummistiefeln und mit einem farbigen Plan steht er auf dem Stück Land, das sein Gemüsegarten werden soll. Wobei «sein» Garten eigentlich das falsche Wort ist – denn hier soll ein Projekt der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) entstehen.

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Erfahrung in einer Solwai gesammelt

AboDank der vielen Mitarbeiter (den Genossenschaftern in der Solwai) kann man kleinräumig und mit viel Handarbeit anbauen. (Bild jsc)Solidarische LandwirtschaftSolidarische Landwirtschaft: Vor- und Nachteile von SolawisSonntag, 3. November 2019 «Das System funktioniert und es ist eine sehr ehrliche Art des Wirtschaftens», erklärt Benjamin Lang seine Begeisterung für die Solawi. Der gelernte Sozialarbeiter hat mehrere Jahre in der Solawi Erlengut in Steffisburg BE gearbeitet und dort das Handwerk des Gemüsebaus erlernt sowie das solidarische Arbeiten erlebt. Zusammen mit fünf anderen Erwachsenen und drei Kindern konnte er im vergangenen Sommer ein Bauernhaus in Bütikofen BE kaufen, die Wohngemeinschaft (WG) ist heute als Genossenschaft organisiert. Die Solawi Kosmoos soll darum herum entstehen, auf insgesamt 0,8 ha Fläche, wovon ein Teil Pachtland ist. Hauptverantwortlich für das Projekt ist Lang, der sich dieser Aufgabe seit diesem Jahr Vollzeit widmet. Die sechsköpfige Betriebsgruppe des Kosmoos – mit Mitgliedern auch von ausserhalb der WG – ist zugleich der Vorstand des Vereins, dem alle zukünftigen Gemüse-Abonnent(innen) angehören.

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Die Vorbereitungen sind schon weit 

Die Anbauplanung ist gemacht, 50 verschiedene Gemüsearten und -sorten sollen im Sommer im Kosmoos gedeihen.

«Wir streben während der Saison in der wöchentlichen Abokiste sechs bis acht verschiedene Gemüsearten an»,

erklärt Benjamin Lang.

Wie in Steffisburg will er die Setzlinge selbst anziehen. Zwar ist der Jahreszeit geschuldet noch keine Pflanze zu sehen, wohl aber jede Menge Material und Ausrüstung. Im alten Stall sind Tische aufgebaut, auf denen dereinst Gemüse verpackt werden kann. In einer Ecke ist eine Werkstattnische eingerichtet, es stapeln sich Anzuchtschalen und auf einem Regal liegt eine blaue Heizmatte. «Darauf kann man die Schalen für die Setzlinge stellen», schildert Lang und zeigt auf die schmalen Heizdrähte. «Damit erreicht man 20 Grad und schafft die nötigen Temperaturen, damit die Pflanzen früh im Jahr wachsen können.» Des erhöhten Austrocknungsrisikos ist er sich bewusst – «da ist es gut, dass die Setzlinge gleich hier wachsen».

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Ein offenes Haus soll entstehen 

AboBetriebsporträtVor der Gründung der Solawi dachte sich Christian Mächler: «Einfach mal machen»Dienstag, 3. Mai 2022 Der Plan des Kosmoos sieht neben Gemüsebeeten und -tunneln auch einen kleinen Rebberg mit Piwi-Trauben sowie Obst und Beeren als mehrjährige Kulturen vor. Dazwischen ist eine «Znüni-Plattform» eingezeichnet, denn das Gesellige soll fester Teil der Solawi werden. «Wir möchten ein offenes Haus haben und durch die Bewirtschaftung der Parzelle soll ein Treffpunkt entstehen», betont Benjamin Lang. Die Gemüse-Abonnenten verpflichten sich je nach Abo-Grösse zu vier bis sechs Halbtagen der Mitarbeit im Garten, wer möchte, darf auch mehr. Ausserdem will Lang die Möglichkeit bieten, eigene Projekte im Kosmoos umzusetzen. «Ich habe das in anderen Solawis gesehen und es festigt die Verbindung, wenn man selbst Verantwortung übernehmen kann», ist er überzeugt.

Man setzt auf Handarbeit 

Ohne Hindernisse dürfte der Anbau nicht werden. Die Parzelle für den Gemüsegarten liegt am Waldrand, wo die Rehe bis auf die Terrassen der Wohnhäuser kommen, und unter den bestehenden Hochstammbäumen hat sich eine Mäusepopulation aufgebaut. Daher liess Benjamin Lang die langjährige Wiese von einem befreundeten Landwirt aus der Nachbarschaft relativ tief umbrechen, bevor für den Winter eine Gründüngung mit Leguminosen und Kreuzblütlern folgte. «Ich orientiere mich an den Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft», erklärt Lang. Zwei Einachser und alte Gerätschaften für die Handarbeit stehen für Bodenbearbeitung, Saat und Unkrautkontrolle bereit. Demnächst kommt der Bestand eines Solothurner Frauenklosters hinzu, das seinen Garten aufgegeben und seine Geräte der Solawi verkauft hat.

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Der sandig-lehmige Boden bietet eine gute Voraussetzung für den Gemüsebau. Zur Düngung möchte die Solawi (Pferde-)Mist von Nachbarn einsetzen, erste Gespräche dazu verliefen positiv. «Tiere würden die Solawi sicher bereichern», überlegt Benjamin Lang, «aber wir haben nicht viel Fläche.» Eine kleine Schafherde ginge vielleicht, vorerst will er sich aber aufs Gemüse konzentrieren.

Keine passende Ausbildung

Damit es im ersten Jahr für die Abos auch wirklich eine bunte Vielfalt zu ernten und zu geniessen gibt, steht Benjamin Lang zusätzlich zu seinem eigenen Wissen in engem Kontakt mit anderen Betrieben und Gemüsegärtnern. Zwar habe er darüber nachgedacht, den landwirtschaftlichen Nebenerwerbskurs (NEK) oder eine Ausbildung zum Gemüsegärtner zu absolvieren. «Aber es gibt keinen Bildungsweg für nachhaltigen, kleinräumigen Bio-Gemüsebau», gibt er zu bedenken. Das bestehende Angebot sei ihm zu wenig spezifisch und wäre neben dem Aufbau der Solawi auch zu zeitintensiv gewesen.

«Ich habe mir gesagt: So was könnte ich auch 2024 noch machen.»

Benjamin Lang hat (noch) keine landwirschaftliche Ausbildung.

Kein Sammelbecken für ‹Ökos›

Im Kosmoos kann Benjamin Lang seine Erfahrungen einbringen, und zwar nicht nur im Gemüsebau. Zusammen mit einem Freund hatte er in Münsingen Bier gebraut, in Bütikofen soll es eines Tages eigenen Wein geben. «Im Gegensatz zum Bierbrauen braucht man fürs Keltern weniger Rohstoffe und kann nur mit den eigenen Trauben arbeiten», erklärt er. Als Sozialarbeiter sieht er in der klaren Tagesstruktur in der Landwirtschaft grosses Potenzial, um Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen und buchstäblich zu erden. Ihm ist aber auch wichtig, möglichst viele unterschiedliche Menschen im Kosmoos zusammenzubringen. «Wir wollen nicht einfach ein Sammelbecken von ‹Ökos› sein», stellt er klar. Unter den Bauern in der Nachbarschaft sei die neue WG jedenfalls freundlich und ihr Projekt wohlwollend aufgenommen worden. «Ein Nachbar meinte, das sei schön, weil noch niemand im Tal Gemüse anbaut.»

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Flexibel beim Preis

Bei allem Idealismus muss am Ende die Kasse einigermassen stimmen. Wie bei Solawis üblich bezahlen die Abonnenten einen jährlich vereinbarten Betriebsbeitrag und treten dem Verein mit dem Erwerb von Anteilscheinen bei. Die Betriebsbeiträge decken die laufenden Kosten, während die Anteilscheine das Stammkapital des Kosmoos bilden. Damit auch einkommensschwache Haushalte teilnehmen können, zeigt sich der Verein flexibel für individuell tiefere Preise. Wer kann und will, darf sich aber stärker finanziell beteiligen.

Zu den laufenden Kosten zählt neben z. B. Saatgut und Anzuchterde der Lohn von Benjamin Lang. «Ich strebe keinen Marktlohn an», stellt er fest. Ihm ist bewusst, dass das Einkommen in der Landwirtschaft generell «untragbar tief» ist. Das Solawi-System hat das Ziel, den Beteiligten angemessene Löhne zu ermöglichen.

Interesse ist vorhanden

Je mehr Abonnenten das Kosmoos bekommt, desto mehr Budget steht zur Verfügung. Zwei Info-Veranstaltungen waren nicht schlecht besucht, das Projekt stösst in den Nachbardörfern und der nahen Stadt Burgdorf auf Interesse. Lang schätzt, dass er mit seiner Fläche etwa 30 Ernteanteile sichern könnte. «Bis zum Sommer wären 20 das Ziel», meint er. Wenn es sein soll, kommen die Leute, so seine Überzeugung. «Da habe ich ein gewisses Urvertrauen.»

Weitere Informationen: www.gemuesegartenkosmoos.ch