Je älter ich werde, desto bewusster wird mir, dass diese Momente unweigerlich immer wieder kommen. Und trotzdem trifft es mich, so habe ich das Gefühl, jedes Mal stärker. Die Momente der Schicksalsschläge, die Momente der schockierenden, der tragischen und traurigen Nachrichten. Es gibt keinen Gewöhnungseffekt und keine Abhärtung. Es sind Unfälle, Krankheiten und Todesfälle, es sind Kriegsausbrüche, Naturgewalten oder andere Ereignisse, die Menschenleben prägen, für immer verändern, und manchmal auch beenden.
Es sind die Momente, in denen man zuerst Zeit braucht, um zu verstehen. Egal ob nahestehend, entfernt bekannt oder nur eine Vorstellung, die Gedanken gehen zuerst zu den Menschen, die unmittelbar betroffen sind. Wie geht es diesen Menschen jetzt und wer steht ihnen bei? Was kann ich tun?
Es sind die Momente, in denen man immer auch an sich und seine Nächsten denkt. Wie würde es mir gehen? Wie würden wir es als Gruppe und als Familie verarbeiten, wie würden wir weitermachen und was würde sich ändern?
Ich frage mich, ob man mit dem «Älterwerden» per se empfindsamer für die Lebensgeschichten anderer wird. Oder ob das nichts mit dem biologischen Alter zu tun hat, sondern mit der zunehmenden Summe der nahen und eigenen Schicksalsschläge, die in diesen Momenten ebenfalls wieder ins Bewusstsein rücken. Ich komme zum Schluss, dass Lebenserfahrung nicht stärker macht. Vielleicht ruhiger und kontrollierter. Aber auch bewusster und empfindsamer.
Und doch entdecke ich auch Gutes darin, den Ernst des Lebens und dessen Endlichkeit kennengelernt zu haben. Es schärft die Sinne für das Leben und die Schönheit darin. Im Alltag lässt sich vieles unbeschwert hinnehmen, stellt man es in den Kontext. Glück suchen, stückweise finden, und immer auch mal herausfordern: alles, was Leben ausmacht, fällt doch auch leichter, wenn man sich denkt, dass es doch schon mal ein Geschenk ist, dies überhaupt zu können. Und wenn schliesslich die Endlichkeit obsiegt, ist es doch das, worauf wir zurückschauen sollten: haben wir das Geschenk angenommen?
Zur Person
Der Landwirt und Agronom Christian Galliker führt mit seiner Familie einen Bioetrieb in Beromünster LU mit Mutterkuhhatlung, Pouletmast und Ackerbau.