Liselotte Pulver erscheint in unauffälliger blau-weiss gestreifter Bluse und dunklen Jeans. Ein Ring mit grossem, blank geschliffenem Stein schmückt die rechte Hand - ein Bergkristall, sagt sie. Die Augen hinter der Brille funkeln, als sie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA aus ihrem Leben erzählt.
Schon als Mädchen wollte sie Schauspielerin werden
Liselotte Pulver wächst in Bern mit zwei älteren Geschwistern auf, Bruder Eugen Emanuel und Schwester Corinne. Schon in der Schule habe sie auf die Frage nach Berufswünschen jeweils gesagt "Schauspielerin", erzählt sie. Auf Wunsch des Vaters besucht sie aber die Handelsschule, die sie 1948 abschliesst. Darüber sei sie froh, sagt sie, das könne man immer brauchen.
Sie nimmt Unterricht bei Schauspieler und Regisseur Paul Kalbeck, der damals an der Berner Schauspielschule unterrichtet. Schon nach ein paar Monaten darf sie am Stadttheater Bern, später am Schauspielhaus Zürich vorsprechen. Die talentierte Jungschauspielerin erhält vorerst kleine Rollen, in Zürich etwa in "Goethes Faust II".
Drei Filme pro Jahr
"Eigentlich bin ich Theater-Schauspielerin", sagt Liselotte Pulver. "Dann kam der Film, und ich hatte nur noch Gastrollen". Dies in verschiedenen Theatern im In- und Ausland, wo sie zahlreiche Titelrollen spielt - etwa Undine in Berlin, Emilia Galotti in Salzburg, Käthchen von Heilbronn in Zürich.
Die lange Liste der Liselotte-Pulver-Filme beginnt 1949: In "Swiss Tour" spielt sie unter der Regie von Leopold Lindtberg ein junges Mädchen, das mit amerikanischen GIs auf Schweizer Urlaub flirtet. Ein unwichtiger Streifen, winkt sie ab. Wirklich begonnen habe es 1950 mit dem Bergdrama "Föhn" an der Seite von Hans Albers.
Produziert wird der Film von Friedrich A. Mainz von Fama-Film. Der nimmt Liselotte Pulver für dreieinhalb Jahre unter Vertrag - drei Filme pro Jahr. Daneben sei an andere Filmgesellschaften ausgeliehen worden.
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Internationale Erfolge
Mitte der 1950er Jahre avanciert die junge Schauspielerin zum Publikumsliebling im ganzen deutschsprachigen Raum: Als Vreneli in den Gotthelf-Verfilmungen "Uli der Knecht" und "Uli der Pächter" mit Hannes Schmidhauser, als Piroschka in "Ich denke oft an Piroschka" mit Gustav Knuth , als Juliane Thomas in "Die Zürcher Verlobung" mit Paul Hubschmid.
1958 kommt der internationale Durchbruch mit der Hauptrolle in der US-Verfilmung von Erich Maria Remarques Kriegsdrama "A Time to Love and a Time to Die" unter Regisseur Douglas Sirk. Auch in französischen Produktionen ist "die Pulver" bald in tagenden Rollen an der Seite bekannter Darsteller zu sehen, etwa mit Jean Gabin in der französischen Filmkomödie "Monsieur" oder ernster in "La religieuse" an der Seite von Anna Karina.
Persönlich habe sie ernste Rollen bevorzugt, sagt Liselotte Pulver. Mehrheitlich wird sie aber in Komödien besetzt, die sind erfolgreicher. Die "Lilo" ist abonniert auf die Rolle der burschikosen, frechen jungen Frau. Als Markenzeichen gilt ihr ungestümes, ansteckendes Lachen. "Ich lachte einfach lauter als die anderen, aber sonst nicht anders", wiegelt sie ab. Das "Markenzeichen" habe irgendwer mal aufgebracht.
Hat Liselotte Pulver eine Lieblingsrolle? "Die Piroschka", kommt es wie aus der Pistole geschossen. Und eine Wunsch-Rolle, die sie nie spielen konnte? Auch hier muss sie nicht lange überlegen: "Maria Stuart". Einzelne Szenen habe sie in ihrer Ausbildung erarbeitet. Dabei sei es leider geblieben.
Hoch geehrt
Talent und Leistungen von Liselotte Pulver wurden vielfach ausgezeichnet. Auch ihr Lebenswerk wurde mehrfach geehrt, zuletzt 2018 mit einem Bambi - ihrem siebten. Den habe sie bei sich in der Seniorenresidenz, wo sie seit Jahren wohnt, und wo man sie "nicht als etwas Besonderes" betrachte. Alle übrigen Auszeichnungen seien zuhause, in ihrem Haus am Genfersee.
Auch wenn Liselotte Pulver ein Star war - sie hob niemals ab, wurde keine unnahbare Diva. Eine Zeitlang habe sie noch die eine oder andere Videokassette mit Filmaufnahmen hervorgeholt, wenn Besuch kam, erzählt sie. Aber das mache sie nicht mehr. Wie sie ihren Geburtstag feiert, weiss sie noch nicht. Vielleicht fahre sie nach Hause zu ihrem Sohn, ihrem erwachsenen Enkel, ihrer Schwester.