«Komm mit, ich will dir gerne meinen Betrieb zeigen», lädt Helena Lisibach die Schreiberin unmittelbar nach der Begrüssung ein. Das würde sie auch mit Kunden machen, die bei ihr Angus-Beef bestellen. «Mir ist es sehr wichtig, dass die Kundschaft sieht und versteht, wie wir die Tiere halten. Hält es der Kunde für unnötig eine Betriebsbesichtigung zu machen, verkaufe ich ihm kein Fleisch», hält sie fest.
«Wir besprechen alles»
Sauberkeit und Tierwohl fallen sofort auf. Im Laufstall, wo sich 23 Black-Angus-Mutterkühe mit ihren Kälbern befinden, schwirrt keine Fliege herum und der Stall wirkt wie frisch rausgeputzt. «Das ist bei uns Alltag. Sauberkeit bedeutet Mehrarbeit, aber auch, dass die Tiere selten krank sind», erklärt die Landwirtin. Die Kühe erhalten ausschliesslich hofeigenes Futter und die Kälber Muttermilch. «Wir lassen jedem Tier genügend Zeit zum Wachsen. Darum verzichten wir vollständig auf den Einsatz von Kraftfutter», erklärt Lisibach.
Die vierzigjährige Helena Lisibach führt ihren 50 Hektaren grossen IP-Betrieb allein. Ihr Ehemann ist Vollzeit auswärts tätig. Vater Werner hilft vor allem beim Heuen und bei der Tierhaltung. «Mein Vater ist mein Lehrmeister und Mentor.» Es gebe keinen Tag, an dem nicht etwas besprochen werde. Er habe ihr nach der Hofübergabe nie befohlen, was sie wie zu tun habe. «Ich konnte immer selbst entscheiden.» Ihre Mutter Elisabeth wiederum hilft bei der Produktion und im Garten.
«Ein Glückstreffer»
Dazu kommt Thomas Höhlig: «Ein Glückstreffer, er hilft überall und als gelernter Koch können wir vor allem in der Produktion von seiner Erfahrung profitieren», erwähnt sie. Dass Helena Lisibach den grossen Betrieb allein führen kann, hat sie auch ihrem Au-Pair zu verdanken: «Sie hält mir den Rücken frei, erledigt Hausarbeiten und ist für unsere neunjährige Tochter Joanna da, wenn ich am Arbeiten bin.»
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Bereits sechste Generation
Den Hof Vogelsang in Ebikon hat Helena Lisibach vor sechs Jahren übernommen und verkündet stolz, dass sie schon die sechste Generation sei. «Meine Vorfahren, vor allem meine Eltern, haben sehr gute Arbeit geleistet, und so durfte ich einen idealen Betrieb mit gesundem Boden übernehmen.» Sie hat den Bachelor in Sozialanthropologie und Staatsrecht und lange im Bereich Migration gearbeitet. Dann bildete sie sich berufsbegleitend zum MAS Leadership und Management weiter und absolvierte 2016/ 17 den Nebenerwerbskurs in Hohenrain. Also ist sie bestens gerüstet für die vielen Herausforderungen in und um den Grossbetrieb.
Zum Betrieb gehören 4,7 ha Wald. Die Familie pflegt über 100 Hochstammbäume wie Birnen, Kirschen, Apfel, Nuss, Kastanien und Quitten. 22 Hektaren sind Ackerbau mit Weizen, Gerste, Dinkel, Raps und Mais. Geliefert wird in die Bachtalmühle in Sins AG. Das Fleisch der Swiss-Black-Angus kann Helena Lisibach alles direkt verkaufen. Es wird nicht im Hofladen angeboten, sondern muss bestellt werden und in Mindestmenge von 1/8 (sprich 20 Kilogramm) gekauft werden. Weiter zählen 50 Freilandhühner und 190 Mastschweine zum Betrieb.
Hofladen der grosse Stolz
Der Hofladen wirkt sehr einladend. Auch hier, Perfektion pur. Nebst Schintbühlglace aus dem Entlebuch und Käse aus Nidwalden bietet Helena Lisibach alles hofeigene, mit Herzblut hergestellte Produkte an. Zum Beispiel Apfelpunsch, Konfi, Sirup, Öle und Honig. Ein Imker kommt mit Bienen auf den Hof und produziert ihren Vogelsang-Honig. «Meine Kundschaft schätzt diesen Honig, weil er aus der Region ist.» Der lokale Honig sei vor allem für Allergiker(innen) geeignet, weil der im Honig enthaltene Pollen das Immunsystem mit dem Allergen vertraut machen kann, weiss die Landwirtin.
Öpfelringli, Gemüse aus dem eigenem Garten, Würste, Eingemachtes, Apfelmus, Williamsbirnen, Knöpfli usw. ergänzen das Sortiment. Aus ihrem Dinkelmehl werden Gebäcke und seit Anfang Jahr auch verschiedene Pasta hergestellt. «30 bis 40 Eier verkaufen wir täglich im Hofladen, der Rest geht in die Pastaproduktion», so Lisibach. Das sei ein kluger Entscheid, so die Rückmeldungen der Kundschaft, denn Teigwaren aus Dinkel seien für viele Leute verträglicher.
Kräuter sind Wellness
«Kräuter sind meine persönliche Leidenschaft. Dort kann ich Energie schöpfen. Wenn ich am Nachmittag Teekräuter ernte und Mischungen herstelle, ist das für mich Wellness», freut sich Helena Lisibach. So ergänzen die Kräuter als Teemischungen, Gewürz oder Essblüten das Hofladen-Angebot. «Im Moment bilde ich mich zur Phytotherapeutin weiter, so kann ich die Kundschaft auch in diesem Bereich beraten.»
Nahe der Stadt
Sooft wie möglich sucht sie das Gespräch mit den Kunden. «Wir schätzen unsere Lage sehr», sagt die Landwirtin über die Nähe zur Stadt und dem Naherholungsgebiet ob dem Rotsee. Die Vermarktung laufe sehr gut: «Wir dürfen viele Stammkunden und auch einige Geschäfte in und um Luzern bedienen.» Ihre Philosophie: «Nachhaltigkeit, Qualität, Auftritt und sich auf ein bestimmtes Kundensegment auszurichten, sind sehr wichtig. Man soll sich bewusst für die Direktvermarktung entscheiden und dies in den Arbeitsalltag einplanen. Mit der Direktvermarktung als Lückenfüller nimmt man sich sonst das letzte bisschen Freizeit, das in der Landwirtschaft bleibt.»
23 Prozent Biodiversität
Biodiversität und Nachhaltigkeit sind Helenas Lisibachs grösste Anliegen. Ihre Eltern haben es vorgelebt. 23 Prozent macht etwa die Biodiversitätsfläche auf ihrem Landwirtschaftsbetrieb aus. Ganzheitliche Nachhaltigkeit bedeute, dass es einer Bauernfamilie auch ökonomisch gut gehe und betreffe Produzent sowohl als auch Konsument. «Nur so kann ich einen gesunden Betrieb an die nächste Generation weitergeben.»
Hühner dürfen weiterleben
Nachhaltigkeit zieht sie auch bei der Hühnerhaltung durch. «Anderthalb Jahre legen die Hühner bei uns Eier, dann werden sie verschenkt.» Sie gehen quasi in Pension. Die Suche nach den neuen Plätzen sei aufwendig, aber für sie wichtig.
Helena Lisibach will weiterführen, was ihre Eltern ihr mitgegeben haben. Sie ist offen für Neues, interessiert und in der Landwirtschaft sehr engagiert. So trifft man sie auch am Stand zum Thema Biodiversität am Anlass «Luzern muht» in der Mall of Switzerland, Ebikon, am 3. September.