Gestern war ich an einer dieser unzähligen Veranstaltungen, die rund ums Jahr allerorten stattfinden – ich werde zu allerlei Themen eingeladen, denn Konsum ist ein weites Feld. Ich kenne somit die Seminarräume und Tagungsorte landauf, landab gut. Vom bescheidenen Sitzungszimmer in einem Bahnhofbuffet bis zum eleganten Saal im wohlbekannten Stadthotel: Sie alle bieten die sogenannte «Sitzungsverpflegung» an. Nebst den obligaten Gipfeli (die neue Ernährungspyramide des Bundes rät davon ab, aber das wussten wir schon vorher) bis zu hübschen Müeslikreationen im Gläsli ist die Bandbreite gross. Aber immer hat es einen Früchtekorb. Und jedes Mal, einfach jedes Mal trampe ich in die Falle. Ich belade meinen Teller mit dem Angebot und mache mich darüber her.
Schön, aber leider steinhart
Und jedes Mal dieselbe Enttäuschung. Steinhart. Schön sehen sie ja aus, die Früchte, ohne Makel, manchmal sogar glänzend poliert. Aber ich mache kein sogenanntes Foodstyling damit, mache keine Fotos für Instagram, TikTok oder was auch immer. Ich nehme diese Früchte, weil ich sie, das mag erstaunen, essen will. Und gestern, an besagter Veranstaltung, ist mir der Kragen geplatzt. Wer mich kennt, weiss: Siggs Kragenplatzen ist ausgesprochen höflich, da wird niemand in den Senkel gestellt. Und was können die Angestellten dafür, wenn das Management sich für «hart, aber schön» entscheidet? Die liebenswürdige Iranerin, welche uns den Kafi zubereitete, erklärte mir dann, dass es durchaus einen Sinn ergäbe, nur harte Früchte zu servieren. Denn offensichtlich verlange die Kundschaft solche, da sie dann noch weniger Fruchtzucker hätten und somit mit weniger Kalorien zu Buche schlügen.
Die Erde tat sich unter mir auf. Ich konnte und kann es nicht fassen. Wie degeneriert sind wir? Es sind zwei völlig unterschiedliche Genussmomente, ob ich entweder von einem Pfirsich das Fleisch mühselig vom Stein säbeln muss oder ob ich denselben, bereits weich und vielleicht nicht mehr ganz makellos, gleich über dem Schüttstein esse, rechts und links tropft der süsse Saft übers Kinn. Das ist Genuss, das ist Freude! Dieses Beispiel ist vielleicht nicht gerade das beste, denn Pfirsiche sind ja meist Importware, die unreif auf die Reise geschickt werden, damit sie optisch ansprechend bei den Konsumenten landen. Aber ob sie aus Kalifornien eingeflogen oder aus dem nahen Frankreich herangefahren werden und in der Obstschale noch etwas nachreifen dürfen, ist ein Unterschied. Und ganz auf Fernes zu verzichten, das wäre schade.
Lieber regional und saisonal
Doch zurzeit ist das Angebot an Heimischem gross wie nie im Jahresverlauf. Auf dem Oerliker Markt, den ich jeweils am Samstag besuche, aber auch auf dem Bärenplatz in Bern, wo ich arbeite, quellen die Stände über von regionalem Angebot. Frischer gehts nicht. Fantastisch! Sind die Märkte geschlossen, bleiben uns Konsumenten als Alternative zum Detailhandel die Hofläden, wo sich in den letzten Jahren Unglaubliches getan hat. Vorbei sind die Zeiten, wo «Hofladen» ein dehnbarer Begriff war – auch dunkle Kellerlöcher mit einem mediokren Angebot durften sich so bezeichnen. An der diesjährigen «Sichlete» auf dem Bundesplatz durfte ich mich überzeugen, was Innovation, Mut, Flair, Geschick, vor allem aber auch Wissen und Können hervorbringen. Die schönsten Hofläden wurden ausgezeichnet; und ich durfte mit grosser Freude die Laudatio für einen der Preisträger halten. Inmitten all der Stände, der Tiere, der kulinarischen Angebote, der Wein- und Schnapsauswahl für die Passanten wurde mir wieder einmal bewusst: Ohne unsere Bauern hätten wir wohl kaum ein derart reiches Angebot an frischen, regionalen und saisonalen Früchten und heimischem Gemüse. Danke, Schweizer Bauern und Landwirte (Bäuerinnen und Landwirtinnen selbstverständlich mitgemeint!).
Zur Person
Babette Sigg ist Präsidentin des Schweizerischen Konsumentenforums (kf). Sie schreibt regelmässig für die Rubrik «Arena» der BauernZeitung Ostschweiz/Zürich.