Der alte Kuhstall liegt ihr am Herzen. Hier hat Susan Grest als Kind viel Zeit verbracht, sie erinnert sich noch nach Jahrzehnten an den Geruch und die beruhigenden Geräusche der wiederkäuenden Kühe. Nachdem der Grossvater die Viehhaltung aufgegeben hatte, diente der Raum im Untergeschoss des Wohnhauses lange Zeit keinem besonderen Zweck.
Als Landwirtin «zu klein und fein»
Nun hat ihn die Biobäuerin aus dem bündnerischen Jenaz zum Hofladen umbauen lassen. «Es freut mich, dass die alten Balken erhalten werden konnten», sagt Susan Grest. Auf den Regalen an den Wänden präsentiert sie Seifen und Naturkosmetik, die sie aus der Milch ihrer Ziegen herstellt. Im dahinter liegenden Stall, in dem einst Pferde untergebracht wurden, hat sie sich einen Produktionsraum eingerichtet.
Es war nicht vorgezeichnet, dass Susan Grest den Hof der Grosseltern weiterführen würde. Aufgewachsen im zürcherischen Effretikon, kam sie jeweils an den Wochenenden mit ihren Eltern nach Jenaz GR. Als es Zeit für die Berufswahl wurde, hätte sie gerne eine Lehre als Landwirtin gemacht. Naheliegend wäre es gewesen: der Familienbetrieb im Prättigau, die landwirtschaftliche Schule Strickhof praktisch am Wohnort. Doch das Umfeld winkte ab. Eine Frau und dazu noch klein und fein.
Nach Amerika die Heimkehr ins Prättigau
Susan Grest wurde stattdessen Englischlehrerin. Dann, in ihren Zwanzigern, zog es sie in den Nordwesten der USA. Acht Jahre später kehrte sie mit ihrem Sohn, der in Amerika zur Welt gekommen war, zurück. Als Lehrerin ins Prättigau.
Die Grosseltern hatten sich inzwischen zurückgezogen, das Land war verpachtet. Dennoch, Susan Grest fühlte sich nach wie vor zur Landwirtschaft hingezogen. Nachdem sie während drei Sommern z Alp gegangen war, schloss sie mit vierzig Jahren die berufsbegleitende Nachholbildung am Plantahof ab. Als frisch diplomierte Landwirtin beschloss sie, mit Unterstützung ihres Vaters den kleinen Familienbetrieb wieder zum Leben zu erwecken.
Erste Experimente mit Ziegenmilch
Dabei galt es, die Ausrichtung festzulegen. «Zuerst dachten wir an Mutterkühe», erzählt Susan Grest, «aber dann kamen Ziegen ins Spiel.» Dabei fiel die Wahl auf eine einheimische Rasse, die pfiffige und trittsichere Bündner Strahlenziege. Zudem musste der Stall, der etwa ausserhalb des Dorfes liegt, neu gebaut werden. Die gesamte Ziegenmilch kam in die lokale Sennerei, mit der Zeit jedoch begann die experimentierfreudige Frau, einen Teil davon für die Herstellung von Kosmetikprodukten zu verwenden. Das war nicht Neues, bereits während ihrer Zeit in Amerika hatte sie mit dem Seifensieden erste Erfahrungen gesammelt.
Um Naturseifen, Shampoos, Salben und Lippenbalsam herzustellen, verwendet Susan Grest nebst Milch auch tierisches Fett. «Dabei handelt es sich um reines, inneres Fett», erklärt sie. «Es ist sehr fein und riecht nicht nach dem Tier, wie man vielleicht denken könnte.» Von Jägern erhält sie verschiedenerlei Wildtierfett. Dasjenige vom Hirsch beispielsweise bilde einen besonders schützenden Film auf der Haut und beuge Wundliegen vor. Die Kosmetika kommen ohne synthetische Inhaltsstoffe aus. Sie enthalten nebst Milch und Fett teilweise auch kleine Mengen Kokosöl sowie ätherische Öle.
Gehaltvolle Milch von Kaschmirziegen
Ausserdem verarbeitet die Jenazerin darin auch Auszüge von Kräutern, die sie im eigenen Garten anpflanzt oder in den Bergen wild sammelt. «Für mich ist es entscheidend, dass die Hauptrohstoffe vom eigenen Betrieb kommen», sagt sie. Extra gehaltvolle Milch liefern ihre Kaschmirziegen, die vor ein paar Jahren die Strahlenziegenherde aufgemischt haben. Die Seife aus deren Milch gilt als besonders pflegend. «Zudem habe ich die Kaschmirgitzi speziell gern. Sie sehen mit ihrem lockigen Haar aus wie kleine Engel und verkörpern pure Lebensfreude», sagt die Biobäuerin. Die Geissenherde umfasst aktuell 68 Ziegen, fünf Böcke sowie einige Gitzi.
Naturkosmetik stellte Susan Grest anfangs nur für den Eigenbedarf her. Später begann sie, die Produkte zu verschenken und schliesslich auch zu verkaufen. Heute beliefert sie damit verschiedene Hofläden, Bioläden und den Dorfladen, die Nachfrage ist steigend. Neu kommt der eigene Hofladen dazu, in dem auch Lebensmittel im Angebot sind, wie etwa Gitzifleisch sowie der selbst hergestellte Frischkäse aus Ziegenmilch. Mittlerweile bewirtschaftet die 48-Jährige ihren Betrieb im Haupterwerb.
Kundschaft war motivierend
Der Weg dahin sei manchmal harzig gewesen, stellt sie fest. «Die Kundschaft hat mich jedoch immer wieder motiviert, weiterzumachen. So wie auch der Dorfladen, der meine Erzeugnisse laufend nachfragt.» Unterstützung in Form von Arbeitskraft gibt es vom Vater, der täglich im Stall mithilft, und ab und zu auch von ihrem Sohn, der seit einer Weile ausgeflogen ist.
Seit einiger Zeit beschäftigt sich Susan Grest auch mit der Regenerativen Landwirtschaft. Ausschlag dazu war ein Kurs gewesen, der am Plantahof durchgeführt wurde. «Das Thema hat mir vor Augen geführt, dass ein lebendiger Boden gehaltvolle und lebendige Produkte hergibt», sagt die Prättigauerin. Ihre Vision sei es, noch bewusster mit all dem umzugehen, was der Boden hergibt. Das sei auch daran festzustellen, dass ihr Garten laufend reichhaltigere Ernten hervorbringt.
Weitere Informationen: www.alpenstrahlen.ch