Silvan putzt seinem Schwingerkollegen das Sägemehl vom Rücken. Nicht nur das Schwingen, sondern auch Gewinnen und Verlieren wollen gelernt sein. Der Bauernbub aus Wäggis ist zusammen mit rund 80 anderen Jugendlichen diese Woche ins Toggenburg gekommen. Er will im Königscamp von den ganz Bösen lernen.
Üben, üben, üben und nochmals üben
Beim Besuch der BauernZeitung am Dienstag dieser Woche sind die Gebrüder Orlik am Werk. «Isch guat ganga?», fragt Armon Orlik, die Hände in seine Hüften gestemmt, einen Knaben. Dieser schaut ihn mit grossen Augen an. «Glaub scho», sagt der Junge. Armon lächelt. «Machs nomol», gibt er die Anweisung und geht weiter zum nächsten Paar, das im Sägemehl rauft. Auf der anderen Seite des Rings schaut sein älterer Bruder Curdin Orlik in derselben Pose – Hände in den Hüften – einem Paar zu. Dieser Hüftestemmer (Hände am Gurt der Schwinghose aufgestützt) ist in der Schwingwelt eine viel genutzte Pose. Die Orlik-Brüder beherrschen sie aus dem Effeff.
Ihre Bedeutung in der Körpersprache macht Sinn: Die Person wirkt breiter, sie scheint bedrohlich, ja gar aggressiv. Auch das will gelernt sein. Und wenn die aktiven Jungschwinger der Jahrgänge 2007 bis 2012, die heuer am Camp in Wildhaus teilnehmen, auch in erster Linie die Schwünge lernen wollen und sollen – es braucht eben noch viel mehr, um ein wirklich böser Schwinger zu sein.
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«Sie machen richtig gut mit», sagt Curdin Orlik. Er weiss, dass es, obschon der Schwingsport eine enorme Popularität geniesst, um den Nachwucht nicht ganz einfach steht. Solche Camps wie dieses, das von Fox Sports Management mit Sitz in Wollerau SZ organisiert wird, sollen die Jungen motivieren. Bereits zum 10. Mal organisiert Firmeninhaber Roger M. Fuchs dieses Königscamp, das stets hoch dotiert ist.
Heuer sind neben Orliks auch Schwingerkönig und Rekordkranzsieger Nöldi Forrer, der Kilchbergsieger Fabian Staudenmann, das grosse Toggenbuger Talent Werner Schlegel, der Berner Spitzenschwinger Michael Wiget sowie Schwingerkönig Matthias Sempach dabei. Sempach stellt sich in diesem Jahr bereits zum siebten Mal am Königscamp zur Verfügung.
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Schlussgang Wicki gegen Giger?
Silvan Arnold aus Weggis trägt ein gelbes Shirt, das er noch vom letzten Königs-Camp hat. Er ist also nicht zum ersten Mal dabei. Seine Brüder sind auch hier, «nur der Jüngste noch nicht», erklärt er. Sein grosses Vorbild, Joel Wicki, ist nicht hier zum Trainieren. Silvan glaubt aber, dass der Innerschweizer Spitzenschwinger am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF) in Pratteln BL Ende August mit dem Ostschweizer Samuel Giger den Schlussgang bestreiten wird. Wer ihn gewinnen wird, sagt er nicht, aber hoffen tut er sicher auf sein grosses Vorbild Wicki.
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Für einmal Orlik gegen Orlik
Zwischendurch zeigen die Gebrüder Orlik den Nachwuchsschwingern beim Zusammengreifen, wie sie es machen. Es ist ein Bild, das der grossen Schwingergemeinde sonst verborgen bleibt. Zum einen schwingen die beiden in zwei verschiedenen Teilverbänden, weil Curdin Orlik, wohnhaft in Thun, heute unter Berner Fahne schwingt. Zum anderen werden Brüder kaum je zusammen eingeteilt. Orlik gegen Orlik – ein Bild also, das sich bestenfalls in einem Schlussgang ergeben würde.
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Heute ist Lernen von den Besten angesagt, also wehren sich die beiden nicht gegeneinander. Und wenn sie die Köpfe so nebeneinander zu Boden richten, weiss der Zuschauer nicht mehr, wer jetzt am Erklären ist, so ähnlich wirken ihre Stimmen.
Eine gute Ergänzung
Die Nachwuchstalente schauen genau hin, was die beiden Spitzenschwinger zeigen. Dann üben sie vor dem einmaligen Panorama auf dem Vorplatz des Berggasthauses Oberdorf weiter. «Camps sind eine gute Ergänzung zum Training in den Schwingklubs und fördern das Miteinander», weiss Organisator Roger M. Fuchs. Neben dem Schwingtraining stehen noch andere Sportarten auf dem Programm: Unihockey, Slackline, Fussball, Schwimmen, Wandern oder Seilziehen – und natürlich dürfen auch Kondition und Fitness nicht zu kurz kommen.
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Die Sonne steigt in Richtung Mittag, es ist warm geworden. Die Jugendlichen wischen sich den Schweiss von der Stirn, der sich mit Sägemehl vermischt hat. Sie haben Pause, während die Gebrüder Orlik den anwesenden Medienvertreter(innen) für Interviews zur Verfügung stehen. Dazu braucht es auch mal «gestellte» Fotos. «Das gehört einfach dazu, das lernt man», sagt Curdin Orlik. Wieder etwas mehr, das es im Schweizer Nationalsport demnach zu lernen gibt. Silvan, der daneben mit der BauernZeitung spricht, weiss das. Ihm macht das Trainieren Spass, aber auch die Wettkämpfe und dass er irgendwann im Rampenlicht stehen könnte, wenn er in die Fussstapfen seines Vorbilds Wicki tritt, machen ihm sichtlich wenig aus.
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