Die BauernZeitung hat Ernest Schläfli und Curdin Orlik zum Interview getroffen. Die Schwingerlegende und der aktive Spitzenschwinger haben neben ihrer Sägemehl-Leidenschaft eine weitere Gemeinsamkeit: sie sind in der Landwirtschaft tätig.
Der gebürtige Welsche Schläfli ist zwar seit zwölf Jahren in Pension und hat den Landwirtschaftsbetrieb im freiburgischen Posieux an die nächste Generation übergeben, ist aber immer noch aktiv im Business. Zum Beispiel im Vermitteln von Liegenschaften.
Agronom Orlik, gebürtiger Bündner und wohnhaft im bernischen Thun, arbeitet bei IP Suisse – sein Arbeitgeber ist gleichzeitig auch Hauptsponsor der Gebrüder Curdin und Armon Orlik.
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BauernZeitung: Was haben Schwingen und Landwirtschaft miteinander zu tun?
Ernest Schläfli: Schwingen ist meines Wissens eine der ersten Sportarten, die man auf der Alp kannte. Was man in diesen Dörfern damals hatte, war das Schwingen. Im Grunde das Gleiche, was die Kinder in den Pausen taten – nämlich einander raufen.
Curdin Orlik: Ernest hat das richtig gesagt, es entstand auf den Alpen. Auch heute noch ist es im landwirtschaftlichen Milieu sehr verbreitet und eben auch beliebt.
Wie seid ihr beide zum Schwingen gekommen?
Orlik: Durch meinen Vater. Davor war ich im Judo, wie mein Vater und alle meine Brüder auch. Zwölfjährig entschied ich dann, dass ich auch schwingen möchte und ging ins erste Training. Es hat mich sofort gepackt und es gefiel mir von Beginn weg enorm.
Schläfli: Bei mir lief das ein wenig speziell ab. Meine Familie war zwar eine Schwingerfamilie, ich habe aber bis 20-jährig Fussball gespielt. Als ich damals an einem Donnerstag mein Auto in den Service brachte, kreuzte ich den Präsidenten des Schwingclubs, der mich geheissen hat, am Abend ins Training zu kommen. Also ging ich hin. Es passte mir im Sägemehl, also meldeten sie mich am Sonntag ins Bernbiet an ein Schwingfest. Dort wurde ich Dritter. Am nächsten Schwingfest nahm ich mit sechs gewonnenen Gängen den ersten Muni mit nach Hause.
Orlik: Und dann ging es so weiter, oder?
Schläfli: Ja, von insgesamt 325 Schwingfesten habe ich 185 gewinnen können – 103 Kränze, davon fünf Eidgenössische. Und das Schönste ist, dass ich nie ein Fest auslassen musste, weil ich nie verletzt war.
Hat sich in all den Jahren etwas verändert, welche Kinder heute zum Schwingen kommen?
Schläfli: Ich glaube nicht unbedingt. Natürlich haben die Jungen heute viel mehr Möglichkeiten. In einer grossen Gemeinde werden bis zu 40 Sportarten angeboten. Das Schwingen hat zum einen viel mit Tradition zu tun, andererseits spielen die Medien und die Eidgenössischen Feste eine wichtige Rolle. Als ich in Langenthal meinen Rücktritt hatte, lud meine Frau Elisabeth die Woche darauf 17 Medienleute zu meinem Abschied auf den Hof ein. Wofür? Um ihnen Danke zu sagen für alles, was sie gemacht haben. Ein Sport muss kommuniziert werden – da richte ich der Presse meinen grossen Dank aus, noch heute.
Orlik: Ich glaube, dass das Schwingen früher in erster Linie etwas für die ländliche Bevölkerung war. Jetzt wird die Sache städtischer. Das heisst, die Stadtbevölkerung interessiert sich zunehmend fürs Schwingen – auch dank der Medien. Das ist der Grund, dass auch mehr Junge aus diesen Regionen angesprochen werden, was ich wiederum als Bereicherung fürs Schwingen betrachte. Es ist nur gut, dass auch andere diesen schönen Sport betreiben wollen.
«Wir müssen mit der Zeit gehen.»
Ernest Schläfli, ehemaliger Schwinger mit eindrücklichem Palmarès.
Wie sieht denn die Vorbereitung auf die Saison heutzutage aus, Curdin Orlik?
Orlik: Der Winter ist sicher eine strenge Zeit mit vielen Trainings im Sägemehl. Hinzu kommen die Krafttrainings und der Konditionsaufbau. Seit rund einem Jahr trainiere ich bei Matthias Glarner, der viele Sportler unterstützt – insbesondere Schwinger. Er hat sehr viel Erfahrung. Wenn es dann in Richtung Saison geht, nimmt die Anzahl der Trainings ab. Es wird weiterhin mehrmals wöchentlich trainiert, aber nicht mehr täglich.
Schläfli: Im Bereich der Kondition war es sicher früher anders und zwar in diesem Sinne, dass man härter gearbeitet hat, weil die Arbeit mühsamer war. Ich ging nie in einen Kraftraum. Wir haben auf dem Hof Kartoffeln produziert. Da habe ich nicht selten zehn Tonnen von Hand aufgelegt – und das in 50 kg Säcken.
Orlik (schmunzelt): Da hast du dein Krafttraining gehabt.
«Der Körper gewöhnt sich an die Belastung.»
Curdin Orlik, aktiver Spitzenschwinger des Berner Teilverbands.
Schläfli: Ja, das ist so. Und darum kann man es vermutlich mit heute auch nicht mehr wirklich vergleichen. Wobei ich schon glaube, dass man heute der Kraft etwas zu viel Beachtung schenkt und der Beweglichkeit zu wenig. Die Schwinger kommen heute etwas steifer daher. Wenn wir ans Innerschweizerische Schwingfest auf der Rigi denken, wo von 200 Schwingern 15 Verletzte vom Platz gingen, ist das vermutlich schon auf die harte Muskulatur zurückzuführen. Ich habe das Gefühl, man müsste elastischer sein.
Orlik (wiegt den Kopf hin und her): Es gibt sicher Schwinger, die elastischer sein dürften. Ich habe hier den Vorteil, dass ich bereits von klein auf sehr beweglich war. Was in meinen Augen das Allerwichtigste sein soll, ist das Schwingtraining. Da hat man genau die Belastungen, die man auch am Schwingfest hat. Der Körper gewöhnt sich an diese Bewegungen und Belastungen. Daher sollte das Schwingen immer vor dem Krafttraining stehen.
Wenn wir bei den Veränderungen sind. Gibt es etwas, das man verändern sollte?
Orlik (schmunzelt): Phuu, etwas verändern?
Wenn wir nur schon die Budgets betrachten, sind wir beim Eidgenössischen heute im zweistelligen Millionenbereich. Aber das auf dem Platz hat sich nicht verändert, oder?
Schläfli (lächelt): Es soll sich nicht verändern. Auch die Geselligkeit um den Schwingplatz nicht. Natürlich sieht man das heute vielleicht auch etwas anders. Ich werde dich, Curdin, am Bernisch Kantonalen in einem Stadion schwingen sehen. Das ist nicht mehr das Gleiche, aber auch das soll Platz haben – seien wir ein wenig offen.
Orlik: Das ist tatsächlich ein Trend, das vermehrt Feste in Stadien abgehalten werden. Der grosse Vorteil daran ist, dass die Infrastruktur bereits steht. Das verursacht deutlich tiefere Kosten, als wenn alles irgendwo aufgebaut werden muss. Es wird zunehmend schwieriger, Leute zu finden, die bei der Durchführung eines Fests helfen. Von daher verstehe ich das gut, dass Feste vermehrt in bestehenden Stadien stattfinden.
Schläfli: Ja, das ist so. Wir dürfen nicht vergessen, dass ohne Armee und Zivilschutz die Durchführung der grossen Feste gar nicht mehr möglich wäre. Feste am Samstag durchzuführen ist eine weitere Veränderung. Damit habe ich persönlich keine Probleme. Hier müssen wir sicher mit der Zeit gehen. Denn die Zeit bringt ja auch die Erfolge.
Kampfrichter stehen unter grossem Druck
Am Interview haben sich Ernest Schläfli und Curdin Orlik auch zur Frage geäussert, ob eine Überprüfung der Resultate mittels Videobeweis sinnvoll wäre. «Ich glaube nicht», sagt Orlik relativ rasch. Er frage sich ernsthaft, wer so etwas überhaupt vollziehen möge, dafür müsste man zuerst die Leute finden, ist er sicher.
Orlik erinnert, dass die Kampfrichter ihre Arbeit auf dem Platz ehrenamtlich machen. Er ist der Ansicht, dass es unter Umständen sinnvoller wäre, mehr in die Kampfrichter zu investieren, in deren Ausbildung oder Entlohnung, statt in einen Videobeweis. «Sie sind sehr stark unter Druck. Durch diese ganzen Aufnahmen sieht man Dinge, die früher niemand sah. Also kam es auch nicht zu Diskussionen.» Einen Kampfrichterentscheid gelte es zu akzeptieren, ist der Spitzenschwinger sicher. «Mal ist es für dich – mal gegen dich. Ich finde diese Videodiskussion etwas überflüssig», so Orlik.
Schwierige Entscheide
Auch Ernest Schläfli nennt sich einen Gegner dieser Videos. Zum einen würde so etwas die Schwingfeste nur unnötig verlängern, zum anderen handle es sich um Bruchteile von Sekunden über die es zu befinden gibt. «Ich muss hier vorausschicken: das hat es immer gegeben und wird es auch immer geben.» Schläfli erinnert sich, dass er hin und wieder um einen Schlussgang geprellt wurde, weil der Kampfrichter im Ring daneben eine 10 schrieb.
«Es ist schwierig», ist Schläfli sicher und wirft den Ball den Medien zu. Hier würde er der Presse gegenüber denn eine kleine Rüge anbringen. Die Diskussionen um diese Resultate würden in den Medien sehr aufgebaut und verbreitet. Man dürfe einfach nicht vergessen, dass es um Millimeter gehe und es sich um Augen handle, die beurteilen würden und nicht um eine Lupe. Im Vergleich mit dem Fussball äussert Schläfli den Wunsch: «Lassen wir das beim Schwingen noch beiseite und seien wir positiv gesinnt.»
Kein beliebter Job
Curdin Orlik ergänzt, dass es zunehmend schwieriger werde, neue Kampfrichter zu finden. Den Grund dafür sieht der Spitzenschwinger auch darin, dass es eben eine schwierige Aufgabe darstelle. Man müsse sehr selbstsicher sein und zum gefällten Entscheid stehen. Mit diesen Videoaufnahmen, die überall gemacht würden, kann Orlik den Respekt der Kampfrichter nachvollziehen.