Dieser Artikel erschien im Magazin FrauenLand - welches per Juni 2021 eingestellt wurde.
Bei den einen juckt und zwickt es nur hin und wieder. Andere kämpfen regelmässig mit Pilzinfektionen. Und ab etwa Mitte 40, schon vor Beginn der Wechseljahre, müssen die meisten Frauen feststellen, dass die Schleimhaut ihres Intimbereichs dünner und trockener wird und schneller überreizt reagiert.
Das beeinträchtigt nicht nur das Wohlbefinden im Alltag, sondern auch die Freude an der Sexualität. Vielen dieser Beschwerden kann man mit der richtigen Pflege vorbeugen. Das fängt beim Waschen an. «Im Allgemeinen reicht Wasser für die tägliche Reinigung völlig aus», weiss Regina Widmer. Sie ist Gynäkologin, Sexologin und Phytotherapeutin mit eigener Praxis in Solothurn. «Bei Bedarf kann allenfalls eine rückfettende Intim-Waschlotion verwendet werden.»
Intimbereich: Wie die Gesichtshaut pflegen
Was oft vernachlässigt wird, ist die zarte Intimhaut nach dem Waschen einzufetten. «Pflegen Sie Ihren Intimbereich täglich wie Ihr Gesicht», rät Regina Widmer. Denn Waschen trocknet aus. Fett pflegt und schützt die Haut. Dafür sollten aber nur hochwertige Produkte verwendet werden.
Solche Produkte müssen nicht teuer sein, es kann auch ein einfaches Mandelöl genutzt werden oder, gerade bei gereizter Haut, eine Babycreme. Als Alternativen bieten sich pflanzliche Salben an (wie Ringelblume oder Hamamelis), Scheidenzäpfchen aus natürlichen Fetten, pflanzliche Körperöle (wie Lavendel-, Rosen-, Sanddorn oder Granatapfelöl) oder spezielle Intim-Öle. Ungesättigte Fettsäuren zum Einnehmen können bei trockener Haut und Schleimhaut zusätzlich helfen. Sie sind zum Beispiel in Fischöl-, Leinöl- oder Sanddorn-Kapseln enthalten.
Intimbereich: Es ist nicht immer ein Pilz
Die Apothekerin Patrizia Ochsner aus Zuzwil hat sich auf die Herstellung von pflanzlichen Intimpflegemitteln spezialisiert. Schon als Studentin interessierte sie sich für die Rezepte von «Liebesmitteln», die sie in alten Büchern fand. «Doch das beste Liebesmittel nützt nichts, wenn Juckreiz, Brennen, wiederkehrende Infekte, Blasenreizungen und Scheidentrockenheit das Liebesleben massiv stören und uns die Lust auf Lust vergeht», sagt sie.
«Solche Beschwerden können in jedem Alter auftreten.» Während ihrer Praktika realisierte sie, wie viele Frauen über Probleme im Intimbereich klagen. «Später, in meiner eigenen Apotheke war ich erstaunt, wie oft Frauen ‹Anti-Pilzmittel für den Intimbereich› verlangten.
Bei näherem Nachfragen stellte sich oft heraus: Nicht jeder selbstdiagnostizierte Pilz ist ein Pilz. Vielmehr führten oft synthetische Slips und Slipeinlagen, Intimwaschlotionen, enge Jeans, Enthaarungsmittel oder Hormonumstellungen zu Unwohlsein. Da es keine geeigneten Pflegemittel auf dem Markt gab, hat die Apothekerin in enger Zusammenarbeit mit leidenden Frauen begonnen Ovula, Cremes und Öle für den Intimbereich selber herzustellen.
Intimpflege: Möglichst ohne Konservierungsstoffe
Patrizia Ochsner vertreibt die Femisanum-Intimpflegeprodukte inzwischen online. Die Öle und Salben enthalten ausschliesslich für die Körperpflege optimale pflanzliche Öle, Pflanzentinkturen und natürliche ätherische Öle. Sie brauchen durch ihre Zusammensetzung keine Konservierung, erlauben der Intimhaut zu ‹atmen› und behindern den Feuchtigkeitsaustausch nicht. Industriell hergestellte Intimpräparate enthalten dagegen aus Kostengründen oft synthetische Duftstoffe und Erdölnebenprodukte wie Vaseline oder Parabene, die Allergien auslösen können.
Zeit für sich selber nehmen
«Liebevolle Pflege lohnt sich. Das sehe ich bei meinen Patientinnen immer wieder», sagt Regina Widmer. «Für das körperliche Wohlbefinden und für die Sexualität.» Bei vielen Frauen wird das Thema in der Mitte des Lebens aktuell: Mit 40 merkt man langsam, dass sich körperlich etwas verändert. Manche sind schon länger in einer festen Beziehung, die Sexualität ist etwas abgeflacht. Andere Frauen sind Singles und leben wenig bis keine Sexualität.
Dieses Nicht-mehr-Aktiv-sein steigert sich oft bis 50, was sich auf die Vulva auswirkt, die trockener und enger wird. Kommt es zu einem Liebesakt, kann die Penetration schmerzhaft sein. «War die Sexualität hingegen bisher lebendig, lässt sie sich auch mit den Wechseljahren arrangieren.» Und wenn die Sexualität schon seit Langem nicht mehr gelebt wird?
Frauen ab Mitte 40 rät Regina Widmer in solchen Fällen, den Scheideneingang zu pflegen und regelmässig mit ein bis zwei Fingern zu dehnen. Und: «Warten Sie nicht, bis sich von selber wieder Lust entwickelt. Das funktioniert nur in jungen Jahren, sofern man Sex mit guten Erlebnissen verknüpfen kann.» Doch mit zunehmendem Alter klappt das nicht mehr. Die Lust kommt dann beim Anfangen, beim Machen.
Was gefällt mir?
Die Gynäkologin bietet seit zehn Jahren Kurse für Frauen jedes Alters an, die «Lust auf Lust» haben und mehr über ihre Sexualität erfahren wollen. In ihren Kursen ermuntert Regina Widmer die Frauen, ihren eigenen Körper besser kennen zu lernen. Es geht dabei nicht darum, irgendwelche Normen zu erfüllen, sondern heraus zu finden: Was gefällt mir, was ist mir wichtig.
Zwar vermittelt sie jeweils auch etwas Grundlagenwissen. Doch ins Zentrum stellt Regina Widmer konkrete Körperwahrnehmungen und -übungen. Zum Beispiel, wie man den Beckenboden entspannen kann. «Viele Frauen sind dort etwas angespannt, gerade wenn sie viel leisten müssen, funktionieren wollen.» Zudem wurde den Frauen lange Zeit beigebracht, diese Muskeln anzuspannen um Inkontinenz zu vermeiden.
Dadurch haben viele Frauen einen zu hohen Muskeltonus. Um die Sexualität wieder mehr geniessen zu können, muss der Körper lernen, den Beckenboden auch wieder zu entspannen. «Es geht ums Loslassenlernen. Das ist viel wichtiger als die Muskeln zu stärken.»
Die engagierte Frauenärztin hält wenig davon, sich nur mit der Theorie auseinander zu setzen. «Selber ausprobieren bringt einem viel mehr, als darüber zu reden.» Das geht in jedem Alter. «Es ist nie zu spät um heraus zu finden, was man braucht.»
Hormonersatz ja oder nein?
Lange Zeit hatten Hormonersatztherapien einen schlechten Ruf. Und heute? «Generell sollten Frauen nicht allzu viel Angst vor Hormonen haben. Das Thema ist nicht gut oder böse, sondern wird heute sehr differenziert angegangen», weiss Regina Widmer. «Langes Leiden lohnt sich nicht.»
Wer stark von den hormonellen Veränderungen betroffen ist, soll sich von seiner Gynäkologin beraten lassen. Es steht heute sowohl eine Auswahl an bewährten pflanzlichen Heilmitteln zur Verfügung wie auch künstliche Hormone in einer sehr natürlichen Form und mit wenig Risiken und Nebenwirkungen.
Unser Buchtipp:
Wechseljahre - natürlich begleitet
Ruth Jahn, Regina Widmer (Beobachter-Verlag)
Homepage der Schweizerischen Medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie.
Unter dem Navigationspunkt «Phyto-Referenzapotheken» findet sich eine Liste mit Apotheken, die sich auf
die Herstellung von pflanzlichen Heilmitteln spezialisiert haben.
Unter dem Navigationspunkt «Infos» finden sich verschiedene Merkblätter rund um die Intimpflege und -gesundheit.
In der Schweiz hergestellte, pflanzliche Intimpflege-Produkte
Ganz verschieden und doch gleich
Die Bilder mit den Portemonnaies in diesem Artikel stammen aus der Serie «Coin Cunts» von Suzanna Scott. Bei den Werken der US-Künstlerin schaut man meist zweimal hin. Oft greift sie feministische Themen auf. «Nicht nur in meinem Heimatland ist es noch ein langer Weg, bis die Gleichberechtigung endlich erreicht wird», sagt sie. Ihre Werke lassen dabei viel Spielraum für Interpretationen.
Beim «Coin Cunts»-Projekt verwandelte sie Portemonnaies in Vaginas. «Für einzelne brauchte ich bis zu 100 Stichen. Bei diesem Projekt waren mir viele Themen wichtig: Selbstbestimmung über den Körper, Frauenrechte, verzerrte Körperideale, aber auch die Verbindung von Frauen, Macht und Geld.» Die «Coin Cunts» wurden bereits in verschiedenen Galerien ausgestellt. Suzanna Scott lebt mit Mann und Tochter im US-Bundesstaat Louisiana.