Wer mit Hannah Hofer Schritt halten will, muss sich warm anziehen. Der Betriebsrundgang dauert etwa eineViertelstunde und die Informationsdichte ist so hoch, dass ein Notizblock angezeigt wäre.Es wird einem dabei die ganze Mutterkuhherde samt Namen vorgestellt, darunter die soeben geborenen Zwillinge Henriette und Henri. Beiläufig erläutert sie engagiert die Geschichte der Tierhaltung und der Bautätigkeit auf dem Betrieb. Dann gibts einen kurzen Stopp in der Kirschenanlage und eine Einführung in die Pferdehaltung auf dem vB-Hof.

Analog-digitale Netzwerkerin

Der Gang über den neu belegten Hofplatz führt am vB-Logo vorbei, das mit dunkleren Steinplatten in den Boden eingelassen ist. vB steht für von Ballmoos. Das wird bald auch ihr Name sein. In der Maschinenhalle hält Hannah Hofer kurz inne: «Hier werden wir im August Hochzeit feiern», sagt sie, «kurz nach meinem 30. Geburtstag». Sie erinnert sich an den romantischen Ausritt mit ihrem künftigen Mann Marcel, als dieser im vergangenen Herbst völlig überraschend um ihre Hand anhielt.

Rasch ist Hofer wieder beim Alltagsgeschäft: «Ich bin keine Bäuerin», betont sie, «der Betrieb ist nicht so ausgerichtet, dass er auf meine Mithilfe angewiesen ist». Das scheint aber ziemlich untertrieben. Hannah nimmt alljährlich je eine Woche Ferien für die Kirschen- und Kartoffelernte, eine weitere Woche ist heuer der Vorbereitung des Hochzeitsfests gewidmet. Zudem betreut sie mit Unterstützung der Familie die drei Pferde. Gerne beteiligt sie sich auch an der Vermarktung der hofeigenen Quinoa in der Stadt. Hier profitiert sie von ihrem Netzwerk, das sie sowohl analog wie auch digital pflegt, betreut sie doch weit herum sichtbar die Social-Media-Kanäle des vB-Hofs.

Auf der Suche nach Balance

Gerne übernimmt die «Hobby-Bäuerin», wie sie sich selbst bezeichnet, an Wochenenden auch die Stallarbeit. Tiere liebe sie über alles. Berufstraum war deshalb einst Tierärztin. Es kam anders, auch weil sie es sich nicht vorstellen konnte, sechs Jahre lang nichts zu verdienen. Hofer studierte stattdessen Geografie und Volkswirtschaft; eine Kombination, die ihr mehr Spielraum für Studentenjobs bot. Ihre erste Stelle erhielt sie dann als Assistentin an der HAFL. Dass sie nun einen HAFL-Agronomen an ihrer Seite hat, dürfte deshalb nicht ganz zufällig sein, obwohl sich das Paar vor drei Jahren anderswo erstmals begegnete.

Das kopflastige Berufsleben ergänzt Hofer durch zahlreiche Hobbys. «Ich liebe Reiten, Skifahren, Joggen und Wandern», sagt sie begeistert. Ihr Partner ist zwar passionierter 2. Liga-Fussballer, aber beim Wandern geht er es lieber etwas gemütlicher an. Sie finden sich dann jeweils in der Mitte bei rund vierstündigen Touren. Marcel ist beruflich zwar ebenfalls voll ausgelastet, aber traditionellerweise legt Familie von Ballmoos etwas mehr Wert auf eine gute Work-Life-Balance als die nimmermüde Frau Hofer. «Er holt mich runter und gibt mir Balance», schwärmt sie. So habe sie gelernt, unverplante Stunden nicht als vergeudete Zeit zu betrachten.

«Völliger Morgenmensch»

Zeit scheint ungeachtet dessen Hofers kostbarstes Gut. Der Tag habe stets zu wenige Stunden. Dies obwohl sie als «völliger Morgenmensch» oft schon vor der Dämmerung im Büro sitze. Wir unterbrechen das Gespräch kurz und machen eine Stippvisite im gegenüberliegenden Hofladen. Sie kauft hier schnell ein wenig Tiefkühl-Kost vom Bauernhof. Wie meist, muss es schnell gehen. Für Hausarbeit bleibt dabei auch nur beschränkt Zeit. Hofer hat keinerlei Hemmungen einzuräumen, dass alle zwei Wochen eine Putzfrau kommt, um die Grundreinigung in der Stöckliwohnung zu gewährleisten.

Dass der Zeitplan eng ist, erstaunt wenig. Hofer arbeitet neben der Arbeit auf dem Hof in einem 100-Prozent-Pensum für den Schweizer Bauernverband (SBV). Hier beschäftige sie sich als Leiterin des Bereichs Energie und Umwelt hauptsächlich mit dem Klimawandel und dem Schleppschlauch, sagt sie und verdreht dabei kurz die Augen. Der kürzliche Absturz des CO2-Gesetzes an der Urne habe sie schwer enttäuscht. Für das Gesetz hatte sie verbandsintern mit vollem Einsatz gekämpft und dabei immerhin zur Ja-Parole des SBV beitragen können. Das Nein sei eine verpasste Chance, auch für die Landwirtschaft.

Den fordernden Job und die gleichberechtigte Rollenverteilung will Hofer auch verheiratet weiterführen. «In Zukunft möchte ich mich sicherlich mehr auf dem Betrieb engangieren, aber ich werde auch meinen eingeschlagenen Berufsweg weiter-gehen», stellt sie klar.

Politik − warum nicht?

Liebäugelt sie auch mit der Politik? Ein politisches Engagement würde sie nicht mehr so stark ausschliessen, wie auch schon, lautet Hofers Antwort. Parteimitglied sei sie zwar nicht, aber die ehemalige CVP, Die Mitte, finde sie schon recht spannend. «Für gute Lösungen braucht es keine extreme Politik».

Seit zwei Jahren lebt Hannah Hofer nun auf dem vB-Hof. Zunächst hatte sie während des Umbaus im Stöckli zwei Monate in einer WG mit den Schwiegereltern gelebt. Das schweisste zusammen: «Wir sind ein megagutes Team». Man rede viel zusammen und helfe sich gegenseitig aus, sagt sie.

Alpsommer und ein USA-Jahr

Der Weg nach Lyssach (Kanton Bern) führte über einige Umwege. «Ich bin achtmal gezügelt, bevor ich zu Hause ausgezogen bin», erinnert sich Hannah Hofer. Sie ist in Bern und im Emmental aufgewachsen, dazwischen verbrachte sie mit ihrer Mutter einige Sommer auf der Alp und mit 17 ein Austauschjahr in den USA.

«In der Stadt bin ich die vom Land und auf dem Land die Städterin», beschreibt sie ihre Lebensumstände, «ich kriege beide Seiten gut mit». Das ist sicher kein Nachteil für die Überbrückung der Stadt-Land-Gräben, die derzeit die Schweiz durchziehen.