Rund die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe wird von Ehepartnern gemeinsam geführt. Trotzdem trägt bloss auf 6% der Schweizer Bauernhöfe eine Frau die Hauptverantwortung. Die Meisterlandwirtin Nicole Mühlestein hat sich deswegen nie beirren lassen und den Hof ihrer Eltern vor einem Jahr übernommen. Im Stall stehen 25 Milchkühe, 300 Legehennen geniessen den Auslauf im mobilen Hühnermobil. Bei der Käserei Glauser wird die Milch zur Belper Knolle veredelt, die Eier werden im Hofladen direkt vermarktet. Zudem produziert Mühlestein Sonnenblumen für Öl, Brotweizen, Futtergetreide und -mais und bietet Schule auf dem Bauernhof an. Auf dem Betrieb macht sie alles, von der Tierbetreuung über den Ackerbau bis zu den Büroarbeiten. Sogar die Klauenpflege und die künstliche Besamung ihrer Kühe übernimmt sie selbst.
Gleichwohl war für die junge Frau nach der Schule weder eine Beschäftigung in der Landwirtschaft und erst recht nicht die Betriebsübernahme ein Thema. Erst in ihrer Ausbildung zur Fachangestellten Gesundheit (FaGe) merkte sie, dass sie sich als Angestellte nicht wohlfühlte. Zudem war ihr die Arbeit als FaGe zu eintönig. Kurzerhand hat sie sich darum in zwei Jahren zur Landwirtin ausbilden lassen. In einer gemischten Klasse von Zweitausbildnern war sie in ihrem ersten Lehrjahr mit ein paar Frauen zusammen, im zweiten (eigentlich dritten) Lehrjahr dann nur noch mit einer anderen Frau unter Männern. Die Lehre reichte ihr nicht: so absolvierte sie noch die Meisterprüfung.
Auch als Exotin hatte sie immer das Gefühl, respektiert zu werden und fand den Austausch mit ihren Klassengspänli spannend. Privat konnte sie auf Unterstützung zählen. "Meine Freunde wussten immer, dass ich mich in diesem Berufsfeld zurechtfinden würde", meint sie. Man müsse schon taff sein in diesem Beruf. "Aber auch Männer müssen wissen was sie wollen, wenn sie einen Landwirtschaftsbetrieb führen."
Ihr Bruder habe immer gewusst, dass er den Hof nicht führen möchte. So managt heute Nicole den Hof zusammen mit ihren Eltern, die eigentlich pensioniert sind. "Mein Vater ist Spezialist im Reparieren der Maschinen, meine Mutter hilft bei den Tieren und kocht für uns." Die Unterstützung und Zusammenarbeit mit der älteren Generation sei wertvoll, und trotzdem geniesst sie ihren eigenen Haushalt.
"Es ist tragisch, dass manche Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben sozial so schlecht abgesichert sind."
Schwache Liquidität als faule Ausrede
Sie könne viel lernen von den Eltern, beispielsweise von der Mutter, die den Hofbesitz mit ihrem Mann geteilt hatte und stets versichert war: "Mir war lange nicht bewusst, dass es nicht normal ist, dass Frauen auf den Betrieben sozial abgesichert sind. Es ist tragisch, dass manche Frauen so schlecht versichert sind." Sie selber zahle ein für die AHV und die Säule 2b. Die Ausrede, dass zu wenig Geld für die soziale Absicherung der Frau vorhanden sei, zählt in ihren Augen nicht. "Der Buchhalter muss diese Kosten halt berücksichtigen, wenn beispielsweise ein neues Projekt geplant wird."
Auch maschinell auf dem Betrieb ist Mühlestein gut organisiert. "Der Beruf ist körperlich anspruchsvoll und obwohl ich muskulös bin, habe ich schon Probleme mit dem Rücken", sagt sie und betont, dass eine gute Arbeitsorganisation viel körperliche Arbeit erleichtern kann.
Gleiche Leistung soll gleich bezahlt werden
Nicole Mühlestein kann die Arbeit auch am Frauenstreiktag nicht ablegen: "Ich muss mein Einkommen ja selber erwirtschaften." Für sie sei klar, dass gleiche Leistung auch gleich bezahlt werden soll, egal ob Mann oder Frau. Allerdings gäbe es auch viele Bereiche, die Frauen besser liegen würden als Männern. Und Frauen, die Gleichberechtigung einfordern, müssten sich bewusst sein, dass beispielsweise Militärdienst und Vaterschaftsurlaub auch eingeschlossen seien.
"Natürlich können auch Frauen einen Betrieb führen. Es ist alles eine Frage der Organisation."
Grundsätzlich findet Mühlestein, dass eine Frau den Betrieb gleich gut führen könne wie ein Mann. Es sei keine Frage des Geschlechts, sondern eine Einstellungssache und Frage der Motivation. Man habe es vielleicht etwas schwieriger als Frau in gewissen Branchen, gibt sie zu. Als Betriebsleiterin in der Landwirtschaft sei beispielsweise die Familienplanung nicht ganz einfach anzugehen: "Man muss sich in diesem Fall nicht nur gut organisieren, sondern die finanziellen Mittel müssen auch da sein, um sich eine Aushilfe leisten zu können."
Von der Frauenquote hält sie allerdings nichts. "Ich finde, dass die fähigste Person den Job besetzen soll. Es wäre schade, wenn die Qualität leidet, nur weil man aufgrund des Geschlechts nicht die besten Leute einstellen darf." In der Landwirtschaft sehe sie Potential für mehr Frauen. "Dank der besseren Mechanisierung und der technischen Fortschritte wird dieser Beruf für Frauen in Zukunft kein Hindernis mehr darstellen."