Die Coronakrise hat so manchen Plan in diesem Frühjahr vereitelt. Nach dem Inkrafttreten des Lockdowns haben sich die Meldungen über ausfallende Infoanlässe, Pressekonferenzen und Ausstellungen förmlich überschlagen. Doch ganz gemäss dem Motto «moderne Probleme erfordern moderne Lösungen» haben sich einzelne Betriebe und Organisationen virtuelle Alternativen einfallen lassen.
Weindegustation via Stream
Schon am zweiten April hat die Winzerfamilie Mounir aus Salgesch VS aus der Not eine Tugend gemacht und mit grossem Erfolg eine Online-Weindegustation veranstaltet. Damit hat das Weingut «Cave du Rhodan» landesweit für Aufsehen und für ein beträchtliches Medienecho gesorgt.
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Sandra und Olivier Mounir haben mit ihrer innovativen Idee erfolgreich Neuland beschritten. (Bild Cave du Rhodan)
Eine Lösung innert kurzer Zeit
Nach dem Inkrafttreten des Lockdowns sind auch alle Anlässe der Winzerbranche und alle Degustationen gestrichen worden. In Zusammenarbeit mit einem jungen Team von Marketing- und Digitalisierungsfachleuten hat Familie Mounir deshalb in kurzer Zeit ein Konzept entwickelt, wie sich eine Degustation im virtuellen Raum durchführen liesse. Dabei ist es der Winzerfamilie zugutegekommen, dass sie sich in ihrem letzten Betriebsjahr eingehend mit der Digitalisierung befasst hat: Sowohl der Webauftritt inklusive des Webshops als auch die sozialen Medien der Cave du Rhodan sind noch 2019 komplett überarbeitet worden.
Folglich haben sich die Walliser dafür entschieden, ihre Online-Kampagne mit dem Hashtag #WalliserSonnenschein zu versehen und die Degustation auf ihrer Facebookseite und via Youtube zu streamen. Statt nach Salgesch zu fahren, konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu vorab ein eigens zusammengestelltes Degustationsset à sechs Halbliterflaschen bestellen. Während sie die Weine am 2. April zuhause verkosteten, konnten sie sich als Zuschauer in den Stream des Weinguts einklinken. Dort degustierte und diskutierte das Winzerehepaar Mounir die Weine mit zugeschalteten Experten. Die Weinverkostung war aber keineswegs eine «One Way Kommunikation», denn die Zuschauer konnten sich via Chat an der Diskussion beteiligen und Fragen zu den einzelnen Weinen und zum Weinbau stellen.
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Das Degustationsset mit sechs Halbliterflaschen kann man weiterhin bestellen. (Bild Cave du Rhodan)
Trotz grossem Erfolg nur «Tropfen auf den heissen Stein»
Der Walliser Online-Pilotversuch hat grossen Anklang gefunden, wie die Zuschauerzahlen und die Rückmeldungen der Teilnehmenden erkennen lassen. Über 500 Degustationssets sind verkauft worden und rund 300 Accounts haben sich am zweiten April in den Stream eingeloggt. Da meist mehrere Personen vor den Bildschirmen gesessen haben, geht das Winzerpaar Mounir von rund 1000 Zuschauerinnen und Zuschauern aus. Neben viel Zuspruch, den Familie Mounir noch am selben Abend von ihren Kundinnen und Kunden erhalten hat, haben auch diverse Schweizer Tageszeitungen und die lokale TV-Station über die Premiere berichtet. «Es freut uns sehr, dass unser Plan so gut funktioniert hat und dass das Ergebnis obendrein noch schön anzusehen war», sagt Sandra Mounir rückblickend. Angesichts der vielen positiven Rückmeldungen hat sich die Cave du Rhodan entschieden, weitere Anlässe ähnlicher Art durchzuführen. So werden Online-Degustationen im kleineren Rahmen angeboten, die via ZOOM gestreamt werden.
Trotz der erfolgreichen Premiere ist der durch die Degustationen erzielte Absatz für Familie Mounir lediglich ein Tropfen auf den heissen Stein. «Gerade die wegfallenden Ausstellungen treffen uns und die gesamte Branche hier im Mittel- und Unterwallis sehr hart. Leider können wir diese Ausfälle auch durch diese innovative Lösung nur teilweise abfedern», räumt Sandra Mounir ein. «Wir ziehen unser Konzept jetzt vorerst aber weiter und haben es sogar ausgebaut. So haben wir einen gewissen Absatz und machen unseren Kunden eine Freude während des Lockdowns.»
Auf der Website der Cave du Rhodan findet sich ein Mitschnitt der ganzen Degustation. Zusätzlich lassen sich auch die während des Streams gestellten Fragen und die Antworten der Fachleute nachlesen. Interessierte finden zudem Wissenswertes rund um den Weinbau und die Walliser unter www.rhodan.ch.
Erste Virtuelle Viehschau der Schweiz
Auch viele Viehschauen können aufgrund des Lockdowns nicht wie geplant stattfinden. So wäre etwa die Show der Swiss Highland Cattle Society ein Highlight der diesjährigen Churer Handels-, Industrie- und Gewerbeausstellung (HIGA) gewesen. Nachdem die HIGA wie alle anderen Grossveranstaltungen abgesagt worden ist, hat man beim Verein den Kopf nicht in den Sand stecken wollen: «Da die Hochlandrinder die einzige Fleischrasse in der Schweiz sind, für die seit zwanzig Jahren eine eigene Viehschau veranstaltet wird, wollten wir auch im 21. Jahr präsent sein», sagt Vereinspräsident Jürg Schuler.
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Die erst eineinhalbjährige JGO Marisa wurde zum Rassensieger weiblich gekürt (oben), Hochland-Stier Kracken zum Rassensieger männlich. Die HIGA musste abgesagt werden. (Bilder Swiss Highland Cattle Society, Montage lja)
Viehschau aus dem Homeoffice
Auf vereinsinterne Anregungen hin hat die Swiss Highland Cattle Society schliesslich beschlossen, ihre Viehschau auf dem virtuellen Weg stattfinden zu lassen. Dazu sind die Zuchtbetriebe aufgefordert worden, Fotos ihrer bereits angemeldeten Tiere einzusenden. Anhand der eingegangenen Bilder hat eine ausländische Richterin die Tiere in den verschiedenen Kategorien gerichtet, ohne sie in Bewegung zu erleben oder sie anfassen zu können. Dieses Vorgehen mag zunächst erstaunen, es wird aber international seit einem halben Jahrzehnt mit Erfolg so praktiziert. In einer eigens zu diesem Zweck eingerichteten Facebook-Gruppe zeigen Züchter aus der ganzen Welt ihre schönsten Tiere, um sie von einer internationalen Fachjury beurteilen zu lassen.
Virtueller Doppelsieg
Entsprechend routiniert hat die finnische Fachfrau Riika Palonen ihre Aufgabe meistern können und ist zu einem Ergebnis gelangt: Züchter Josef Gisler aus Oetwil am See darf sich gleich über einen Doppelsieg freuen. Seine Kuh JGO Marisa und sein Stier Kracken wurden zum Rassensieger weiblich und männlich ausgezeichnet. «Es war gar nicht so einfach, die beiden Tiere schön zu positionieren und dann auch noch gute Bilder zu schiessen. Ich habe fast einen halben Tag pro Tier gebraucht», meint Josef Gisler und lacht. «Natürlich habe ich mich sehr über das Ergebnis gefreut. Beides sind sehr junge Tiere, Marisa ist ein erst eineinhalbjähriges Rind und Kracken nicht viel älter. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass die beiden gleich so gut abschneiden. Das macht die ganze Sache doppelt speziell und schön für mich», sagt der Gewinner der ersten virtuellen Viehschau der Schweiz.
Die gesamte Rangliste ist auf der Website des Vereins aufgeschaltet worden.