Ab diesem Jahr dürfen Schweizer Milchprodukte, die in Deutschland und Österreich unter der Dachmarke "Suisse Garantie" verkauft werden, neu mit dem Zusatz "Ohne Gentechnik" ausgelobt werden. Das hat die Agro-Marketing Suisse (AMS), die Inhaberin von "Suisse Garantie", kürzlich beschlossen.
"In Deutschland und Österreich ist ‘Ohne Gentechnik’ ein wichtiges Verkaufsargument", begründet AMS-Präsident Urs Schneider den Entscheid. Das neue Logo erlaube es, sich zu differenzieren und bei Gentechnik-kritischen Konsumenten zu punkten.
In der Schweiz kommt das neue Logo jedoch nicht zur Anwendung. Denn im Gegensatz zu Deutschland und Österreich ist es in der Schweiz schwieriger, Lebensmittel als "GVO-frei" auszuloben. Zwar erlaubt die Gesetzgebung grundsätzlich eine solche Kennzeichnung. Allerdings nur, wenn lückenlos dokumentiert werden kann, dass im Herstellungsprozess vollständig auf GVO verzichtet wurde.
Ein solcher Nachweis sei sehr aufwendig und schwierig zu erbringen, sagt Thomas Reinhard vom Dachverband der Schweizer Milchproduzenten (SMP). Das Problem sind Futtermittelzusätze wie etwa Enzyme oder Vitamine, welche oft mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt werden und eine Auslobung unmöglich machen (siehe Textbox).
GVO-freie Fütterung ausloben
Dass in der Schweiz strengere Regeln bei der "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung gelten als im Ausland, sei ein Wettbewerbsnachteil, beklagt der Schweizer Bauernverband. Die hiesige Landwirtschaft verzichte wie kaum eine andere auf Gentechnik. So landet in hiesigen Futtertrögen ausschliesslich konventionelle Soja. Diese ist deutlich teurer als GVO-Soja, weil sie weltweit kaum noch angebaut wird. Laut Bauernverband führt die GVO-freie Fütterung zu Mehrkosten von jährlich rund 35 Mio. Franken. Gerne würde man diesen Mehrwert auch kommunizieren. "Wir fordern, dass die GVO-freie Produktion endlich auch in der Schweiz direkt auf den Lebensmitteln ausgelobt werden darf", sagt Martin Rufer vom Bauernverband. Die Landwirtschaft sieht darin ein Verkaufsargument, um bei der Gentechnik-kritischen Bevölkerung zu punkten und ein Instrument, um sich von ausländischen Produkten abzuheben.
Bald schon «Ohne Gentechnik»-Produkte?
Die Chancen stehen gut, dass die "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung in der Schweiz bald schon neu geregelt wird. Jacques Bourgeois, FDP-Nationalrat und Bauernverbandsdirektor, hat im Dezember 2015 eine Motion eingereicht, worin er eine Regelung wie in Deutschland fordert (siehe Textbox). Der Nationalrat und der Bundesrat haben dem Vorstoss bereits zugestimmt.
Der Konsumentenschutz hat zwar Verständnis, dass die Schweizer Landwirtschaft die GVO-freie Fütterung ausloben will. "Aus unserer Sicht ist es jedoch täuschend, wenn man Produkte als explizit gentechfrei auslobt, welche eben doch mit Gentechnik in Berührung kamen – etwa die Futtermittelzusätze", erklärt Josianne Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz. Bei der "Ohne Gentechnik"-Deklaration gelte es einen Ansatz zu finden, der aussagekräftig und verständlich, aber dennoch nicht täuschend sei, so Walpen.
Auch Coop betont, dass eine "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung glaubwürdig sein müsse. "Am einfachsten wäre die Beschränkung der Anforderungen an eine Auslobung, die sich auf die verwendeten Rohstoffe beschränkt", sagt Coop-Sprecher Ramón Gander. Die Eins-zu-eins-Übernahme einer Regelung eines Nachbarstaates erachtet Coop als nicht sinnvoll.
Emmi sieht derzeit keinen Handlungsbedarf bei der "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung. "Erstens, weil GVO-frei für die meisten Schweizer Konsumenten bei Milchprodukten eine Selbstverständlichkeit ist und zweitens, weil das Sortiment an Milchprodukten noch von Schweizer Produkten dominiert ist", sagt Emmi-Sprecherin Sibylle Umiker. Sollte inskünftig der Anteil an ausländischen Milchprodukten in den Schweizer Regalen zunehmen, wäre aber die GVO-Freiheit wohl ein mögliches Differenzierungskriterium für Schweizer Milchprodukte. In diesem Fall sei es sinnvoll, die GVO-Freiheit auf Branchenstufe zu kommunizieren, so Umiker.
Michael Wahl, lid