Vor wenigen Tagen ist es passiert: Erstmals in diesem Jahr verliert ein Landwirt ein Kuhkalb an die Wölfe. Auf einer Herbstweide oberhalb von Visp rissen sie das drei Tage alte Kalb, schreibt der «Walliser Bote».
Der Wolf steht auch Ende Monat im Fokus, denn am 28. November 2021 stimmt die Walliser Bevölkerung über die Initiative «Für einen Kanton Wallis ohne Grossraubtiere» ab. Die BauernZeitung hat dazu mit drei beteiligten Personen gesprochen. Es sind dies Guido Walker, Präsident des Initiativkomitees und Alt-Grossrat (CVP/VS); Brigitte Wolf, Präsidentin von «Fauna-VS» und Grossrätin (Die Grünen/VS) sowie Urban Eyer, er sömmert zusammen mit seinen Brüdern und Kindern über 280 Schwarznasenschafe im Gemeindegebiet Termen/Ried-Brig.
[IMG 4] Guido Walker:
Der Bestand von Grossraubtieren hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Ziel dieser Initiative ist es, diese Entwicklung zu stoppen oder zumindest abzubremsen. Mit der Annahme dieser Initiative hätte der Kanton einen verfassungsmässigen Auftrag, Vorschriften zum Schutz von Grossraubtieren zu erlassen. Zudem hätte man eine Handhabung, um gegen den Bund mehr Druck auszuüben. Herdenschutz allein wirkt zu wenig, dafür gibt es genügend Beispiele. Für eine unkontrollierte Vermehrung von Grossraubtieren ist unser Kanton nicht geschaffen. Wir müssen die Berglandschaft in unserem schönen Kanton schützen.
[IMG 3] Brigitte Wolf:
Diese Initiative ist sinnlos. Die Handhabungen zur Regulierung von Grossraubtieren sind auf Bundesebene geregelt, der Kanton hat dort gar keinen grossen Spielraum. Zudem wird der Bevölkerung schon im Titel dieser Initiative Sand in die Augen gestreut, denn ein Wallis ohne Grossraubtiere wird es auch bei einer Annahme nicht geben. Anstatt mehrheitlich über den Abschuss von Wölfen zu reden, muss den Schäfern mehr Geld für den Ausbau der Herdenschutzmassnahmen zugesprochen werden. Wenn es die Umstände erfordern, bin ich nicht gegen Einzelabschüsse von schadenstiftenden Wölfen.
[IMG 2] Urban Eyer:
Jeder gemeldete Wolfsriss lässt mich als Schäfer nicht kalt. Mit so vielen vorhandenen Wölfen, war es leider diesen Sommer eine Frage der Zeit, bis die eigene Alp auch betroffen war. Der Herdenschutz ist eine kostenintensive Massnahme, die wohl in der Theorie funktionieren kann, in der Praxis aber viele Schwachstellen hat. Ich befürworte diese Initiative, denn mit einer Annahme könnte das Verfahren im Zusammenhang mit Wolfsabschüssen beschleunigt werden. Hier besteht akuter Handlungsbedarf. Es kann nicht sein, dass es mehrere Wochen dauert, bis eine Abschussbewilligung vorliegt.
Starke Bestandeszunahme
Der Wolfsbestand hat in der Schweiz in den letzten Jahren drastisch zugenommen. 2012 lebte erst ein Wolfsrudel in der Schweiz, neun Jahre später sind es bereits deren 15. Dies entspricht einem schweizweiten Wolfsbestand von rund 130 bis 150 Einzeltieren. Der Wolf hat sich längst über die Schweiz ausgebreitet, doch nirgends polarisiert dieses Thema mehr als zwischen der Furka und dem Genfersee. Allein im Kanton Wallis wurden dieses Jahr 20 Wölfe nachgewiesen. Diese haben im aktuellen Jahr über 300 Schafe gerissen, viermal so viele wie im Vorjahr. Die exponentiell wachsenden Wolfsbestände sind ein kontroverser Dauerbrenner in der Landwirtschaft, auch im Rhonetal. Nicht zuletzt deswegen wurde die Initiative von den Oberwalliser Mitte-Parteien 2016 ins Leben gerufen.
Nach dem knappen Nein zum revidierten Jagdgesetz vom letzten Herbst war der Unmut bei der Bergbevölkerung gross. Der Kanton Wallis hat, wie viele weitere Bergkantone, dem Gesetz mit 68,6 Prozent deutlich zugestimmt.
Umstrittene Initiative
«Der Staat erlässt Vorschriften zum Schutz vor Grossraubtieren und zur Beschränkung und Regulierung des Bestands. Die Förderung des Grossraubtierbestands ist verboten.» Dieser Text soll in die Walliser Kantonsverfassung geschrieben werden. Eine massvolle Regulierung sei nötig und der Text spreche sich für die Sicherheit von Mensch und Tier aus, so das Initiativkomitee.
Die Gegner(innen) erachten die Initiative als nutzlos. Denn das Management und die Regulation von Grossraubtieren liegen in der Kompetenz des Bundes, schreibt das Gegenkomitee. Im Wallis herrscht vielerorts Konsens darüber, dass eine allfällige Annahme in der Tat nicht viel ändern würde. Es wäre aber ein starkes Signal nach Bundesbern.