Hildegard Ruf empfängt ihren Besuch in der Freiämter Sonntagstracht. Ein Erbstück, das ihre Mutter während der Bäuerinnenausbildung am Kloster Fahr genäht hatte. Damals, Anfang der 60er-Jahre, habe das zum Pflichtstoff im Unterricht gehört, weiss die Tochter. Sie selbst hat zwanzig Jahre später ebenfalls die Bäuerinnenschule am Fahr besucht. Eine Werktagstracht hat sie sich dann aber an einem Kurs geschneidert. Und vor kurzem ist noch eine dritte Tracht in ihren Besitz gelangt: eine Gotthelf-Tracht von einer verstorbenen Verwandten. "Es ist eine Ehre für mich, dass ich diese Tracht übernehmen darf", sagt die Bäuerin aus Muri.

Tracht und Tanz
Zur Tracht gehört für Hildegard Ruf das Volkstanzen. Entdeckt hat sie es dank ihrem Mann. Walter Ruf war als Achtzehnjähriger eingestiegen und ist bis heute dabei geblieben, auch wenn ihn mittlerweile die Gelenke bremsen. Die Gehirnzellen sind fitter geblieben: Einen einmal gelernten Tanz vergesse er nicht, weiss der Landwirt aus langjähriger Erfahrung. "Es ist ein wunderbarer Ausgleich zum Alltag", erklärt er seine Treue zum Volkstanzen. "Es tut einfach gut", stimmt seine Frau zu. Mit den Vereinsmitgliedern und an Anlässen habe sie schon so viel Schönes erlebt. "Gemeinsam in der Tracht unterwegs sein, das ist ein gutes Gefühl. Das motiviert." Das Ehepaar teilt sich zwar das Hobby, aber in verschiedenen Vereinen. Er tanzt in Boswil, sie in Muri. "Das schadet nichts", schmunzelt die Bäuerin. So komme man nicht in Versuchung, den Partner zu kritisieren, wenn einmal etwas nicht gerade gelinge. Und an grossen Anlässen sind die beiden dann wieder gemeinsam unterwegs. So freuen sie sich auf das Unspunnenfest in Interlaken BE.

Haushalt und Melkstand
Walter und Hildegard Ruf, Eltern vier erwachsener Kinder, führen in Muri einen Landwirtschaftsbetrieb mit Milchwirtschaft und Ackerbau. Nebst der Haushaltsführung springt die Bäuerin auf dem Betrieb ein, wo sie gerade gebraucht wird, auf dem Heukran, im Melkstand und anderswo. Einige Stunden pro Woche arbeitet sie zudem extern. Und sie nimmt sich Zeit für eine blühende Umgebung rund um das Bauernhaus. Ihren prächtigen Garten säumen Buchshecken, die sie vor dreissig Jahren selber gezogen hat.

Fichu und Kragen
Das Trachtentragen und das Volkstanzen: "Wenn niemand diese Traditionen weiterführt, sterben sie aus", bedauert Hildegard Ruf. Ihre beiden Enkelkinder jedenfalls hat sie mit ihrer Freude angesteckt. Die vierjährige Lara besucht bereits die Kindertanzgruppe im Dorf. Die zweijährige Jana ist dafür noch zu klein, aber Trachten tragen beide gerne. "Da gibts beim Anziehen nie Protest, nur Freude", sagt die Grossmutter. Dafür geht sie gerne einen Kompromiss ein, etwa wenn Lara das Fichu dem Sonntagskragen vorzieht, der doch etwas steif um den Hals sitzt.

rae

Die BauernZeitung Zentralschweiz und Aargau stellt in einer Serie die Trachten der Kantone Aargau, Luzern, Ob- und Nidwalden, Schwyz, Uri und Zug vor.