BauernZeitung: Die Bauern sind Stars in der Migros-Werbung und zeigen die ideale Heidiwelt. Einige Bauern klagen aber, in der Realität spürten sie vom Heidiland wenig, da gelte der harte Markt. Was sagen Sie diesen Bauern?


Herbert Bolliger: Dass die Bauern in unserer Werbung sympathisch rüberkommen, ist doch ein Kompliment für sie. Unsere Ansprüche an die Werbung sind hoch. Sie sollte originell sein und zum Schmunzeln anregen. Man darf aber nicht vergessen, dass Werbung nicht eins zu eins die Realität widerspiegelt.


Stehen Sie auch hie und da in einem Kuhstall und hören sich die Sorgen und die Wünsche der Bäuerin, des Bauern an?

Ich schätze die Leistungen der Schweizer Bäuerinnen und Bauern sehr. Wir pflegen ja auch eine gute Partnerschaft. Ich selbst habe immer wieder die Gelegenheit, Bäuerinnen und Bauern persönlich kennenzulernen und mit ihnen zu diskutieren. Der nächste Besuch im Kuhstall zusammen mit unseren Partnern von der IP-Suisse ist bereits

geplant, und ich freue mich

darauf.


Frisches Pouletfleisch aus dem Ausland wird neu nach Schweizer Tierschutzstandards produziert. Heisst das, der Schweizer Produzent muss bald auch billiger liefern?

Nein, überhaupt nicht. Die Migros setzt weiterhin primär auf Schweizer Fleisch. Wir sind aber auch auf Importe angewiesen, da wir teilweise nicht die ganze Nachfrage aus inländischer Produktion abdecken können. Wir haben uns deshalb im Rahmen unseres Nachhaltigkeitsprojekts Generation M zum Ziel gesetzt, die hohen Schweizer Tierhaltestandards auch bei unseren Importprodukten zu verlangen. Bereits seit dem letzten Jahr beziehen wir das Trutenfleisch aus dem Ausland von Produzenten mit Schweizer Tierwohlstandards. Und nun finden Sie auch beim  frischen Pouletfleisch Produkte, die von Tieren stammen, die in Deutschland und Ungarn nach Schweizer Tierwohlstandards gehalten werden. So stellen wir unser Sortiment bis zum Jahr 2020 nach und nach in jedem Bereich freiwillig um.


Die Migros verspricht Leda in der Werbung, bis Ende 2015 mindestens 2,5 Millionen Quadratmeter naturnahen Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu schaffen. Einige Bauern sagen, diese 2,5 Millionen Quadratmeter oder 250 Hektaren hätten wir auch gerne. Was meinen Sie dazu?

Produktion und Ökologie schliessen sich nicht aus. Dies beweisen wir seit Jahren mit dem Label Terra Suisse und unserer Partnerschaft mit der IP-Suisse und der Schweizer Vogelwarte Sempach. Das von Ihnen erwähnte Versprechen an Leda bezieht sich jedoch nicht auf die Landwirtschaft, sondern auf die Umgebung von Verteilzentren, Industriebetrieben und Filialen der Migros. Die Migros strebt mehr Biodiversität nicht nur mit der Landwirtschaft an, sondern geht diesen Weg auch konsequent im eigenen Verantwortungsbereich. Das ist auch positiv für die Bauern.


Die Migros setzt sich für eine ausgewogene und gesunde Ernährung ein mit frischen und saisonalen Produkten. Gehören Spargeln und Erdbeeren im Winter auch dazu?

Unsere Kunden sollen selbst entscheiden können, welche Produkte sie kaufen wollen und welche nicht. Viele Konsumenten möchten gewisseFrischprodukte ausserhalb der Saison in der Schweiz. Deshalb importieren wir diese und stellen für den Kaufentscheid die nötigen Informationen zur Verfügung. So ist einerseits auf den Produkten oder an den Regalen und Gestellen die Herkunft jedes einzelnen Produkts aufgeführt. Andererseits sensibilisieren wir unsere Kundinnen und Kunden für die Saisonalität von Früchten und Gemüse, indem wir regelmässig entsprechende Berichte im «Migros Magazin» und der Saisonküche veröffentlichen aber auch in den Verkaufsstellen unsere Früchte- und Gemüsekalender auflegen.


Interessiert die heutigen Stadtbewohner, woher ihr Essen kommt? Oder kaufen sie vermehrt im Ausland ein? Was tut Migros, um den Einkaufstourismus zu bremsen?

Ja, vielen Menschen ist heute wichtig zu wissen, woher das Essen kommt, wie es produziert wird oder wie die Tiere gehalten werden. Deshalb kaufen unsere Kunden zunehmend besonders nachhaltige oder regionale Produkte. So hat unser Umsatz bei den nachhaltigen Labeln 2014 um weitere 12,2 Prozent auf fast 2,5 Mrd Franken zugenommen. Auch Produkte aus der Region geniessen eine grosse Beliebtheit, und wir konnten bei AdR den Umsatz um 5,6 Prozent auf über 870 Mio Franken steigern. Über Einkaufstourismus zu jammern bringt nichts. Wir setzen uns vielmehr konsequent dafür ein, unserer Kundschaft weiterhin das beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten.


Interview Hans Rüssli