Noch schauen Zelt und Wohnwagen aus dem erst rund einen Meter hohen und 25 000 Quadratmeter grossen Maisfeld hervor, das teilweise mit Sonnenblumen eingefasst ist. Bis zur Ernte im Oktober kann der Tierfuttermais dann bis zu drei Meter hoch stehen. Der Hof Tschannen verfügt über rund 40 rustikale Betten. Die Mehrheit befindet sich in einer umgebauten Remise, sechs im Maisfeld. Ein Spielplatz und eine gemeinsame Feuerstelle zum «Bräteln» stehen den Gästen zur Verfügung. Holz zum Feuer machen hat es. Spiel und Spass für die Kleinen und Erholung für die Grossen.
Viel Zeit investiert
Im vergangenen Winter hatten Daniel und Claudia Tschannen-Oettli die Idee, ein grosses Maislabyrinth vor ihrem Hof einzurichten. Doch nach Vorabklärungen mit der landwirtschaftlichen Schule Arenenberg besannen sich die beiden auf die bestehende Hof-Infrastruktur und gaben die Pläne für ein Irrlabyrinth wieder auf. Stattdessen konnte das Projekt «Schlafen im Maisfeld, im Zelt, im Wohnwagen oder unter freiem Himmel» realisiert werden. «Wir haben einige tausend Franken und viel Zeit und Energie in das neue Angebot investiert», sagt Daniel Tschannen.
Schutz vor Mücken
Am ersten Julitag wurden die Betten mit braunen Anzügen mit Herzmuster bezogen. Nordisch schlafen mit Daunendecken heisst die Devise. Das neue Metallbett ist durch ein Sonnen- oder Zeltdach geschützt, das beinahe wie ein weisser Baldachin aussieht. An den Seiten werden Vorhänge montiert und ein Moskitonetz aufgehängt: Wind, Regen oder Mücken haben keine Chance, den Touristen ihre Ferien zu vermiesen.
Der wogende Mais, der die königliche Schlafstätte umgibt, ist erst rund einen Meter hoch, sodass die Küsse der Verliebten noch nicht verborgen bleiben. Ein Holzstrunk dient als Nachttisch. Ein fünf auf drei Meter grosses Holzpodest erlaubt es, dass das Bett auch frei ohne Dach stehen kann. Auf fünfzehn Quadratmetern ist dann grenzenlose Romantik angesagt – und das alles mit viel Sternenpracht, Schleierwolken oder Mondschein, je nach dem wie das Wetter gerade spielt.
Ein ganz besonderes Gefühl
Übernachtet die Familie Tschannen selber auch im Mais? Dazu Daniel Tschannen: «Klar, bereits im Jahr 2015 unternahmen wir diesen Versuch. Wir müssen doch wissen, was das für ein Erlebnis ist.» Die schmalen Wege, die durch das Feld führen, die Sonne und die Maisstaudenblätter, die einem links und rechts über die Schultern streichen, während man sich zu seinem «Zimmer» begibt: All das habe etwas Besonderes. Angst, dass plötzlich ein Rudel Wildschweine auftaucht, hat Daniel Tschannen nicht: «Die sind erst im Herbst an den reifen Maiskolben interessiert.»
Einfache Gästeunterkunft
«Wir sind kein Hotel, sondern eine einfache Gästeunterkunft im Nebenerwerb. Manager mit Rollkoffern sieht man bei uns nicht», sagt Gastgeberin Claudia Tschannen. «Wir möchten der Stadtbevölkerung das Leben auf einem Bauernhof näherbringen. Wir haben keine Kuscheltiere, sondern Arbeitstiere wie Kühe, Rinder und zwei Pferde. Es gibt Obstplantagen, viel Ackerbau und Wald. Wir sind kein Schaufensterhof. Das Authentische zu zeigen, das ist unser Ziel und eine Herzensangelegenheit», sagt Claudia Tschannen.
Gäste aus aller Welt
Viele der Gäste des Hofs Tschannen reisen umweltfreundlich per Velo oder mit dem öffentlichen Verkehr an. Im letzten Jahr wurden über tausend Gäste auf dem Hof beherbergt. Es sind vor allem Familien, Schulklassen und Velofahrer. «60 Prozent unserer Gäste kommen aus der Schweiz, etwa 30 Prozent sind Deutsche und zehn Prozent kommen aus der ganzen Welt zu uns nach Illighausen», freut sich Claudia Tschannen, die auch für die gesamte Administration auf dem Hof zuständig ist.
Die Nacht im Maisfeld kostet im Zelt (Doppelbett) 95 Franken pro Person, im Campingwagen sind es 70 Franken pro Person. Im Preis inbegriffen ist ein opulentes Bauernfrühstück, das die Köchin Claudia Tschannen mit vielen Köstlichkeiten frisch zubereitet.
Urs Oskar Keller