Was machen ein Landwirt und ein Informatiker, wenn ihnen langweilig ist? Sie entwickeln zusammen technische Gadgets, die ihnen die Stall-Arbeit erleichtern oder sogar abnehmen. Die Rede ist von Adrian Zumstein und Joel Ming aus Giswil OW. Sie sind die Gewinner des bäuerlichen Innovationswettbewerbs.
Adrian Zumsteins und Joel Mings neuste Entwicklung ist ein Futterschieber, den man mit dem Mobiltelefon auch von weither bedienen kann. Weither kann heissen: vom Feld, vom Dorfladen, aus dem Schulzimmer oder auch aus dem Büro. «Alle zwei Stunden das Futter zuschieben ist ideal für die Kühe – und für mich», sagt der 30-jährige Meisterlandwirt Adrian Zumstein. Die Kühe fressen mehr und er könne 30 Minuten Arbeit pro Tag sparen. Das sind pro Jahr über 180 Stunden oder mehr als drei Arbeitswochen. Eine Win-win-Situation also – für Kuh und Landwirt.

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Simpel und effektiv

Der Futterschieber funktioniert folgendermassen: Ein alter Anhänger-Pneu, der als Futterschieber dient, ist mit einem Metall-Gestänge verbunden. Dank der Lagerung ist der Pneu drehbar. Der Futterschieber läuft in einer Schiene, welche direkt unter dem Fressgitter montiert ist. Eine Gummimatte direkt über der Schiene verhindert, dass Futter in die Schiene gelangt.
Der Antrieb des Schiebers erfolgt über eine Winde. Und damit der Pneu nicht allzu schwer auf dem Boden liegt und viel Reibung erzeugt, steht das Metall-Gestänge auf einem kleinen Stützrad. Und wenn der Futterschieber einmal im Weg sein sollte, lässt er sich einfach von Hand nach oben klappen. «Eigentlich ganz simpel», erklärt Joel Ming. Die Landwirtschaft ist eine grosse Leidenschaft des 36-jährigen Informatikers. Deshalb ist er in seiner Freizeit oft bei Zumsteins anzutreffen.

«Eine Fertiglösung wäre für mich zu teuer gewesen.»

Adrian Zumstein, Landwirt und Erfinder des Futterschiebers

Zusammen haben die beiden intensiv getüftelt wie sie das Zuschieben des Futters lösen können, ohne in eine teure Fertiglösung, wie einen Roboter zu investieren. «Für meine 25 Kühe wäre eine solche Investition unverhältnismässig», ist sich Adrian Zumstein sicher.

 

Betriebsspiegel «Wespimattli»

Nicole und Adrian Zumstein mit Lia und Tino, Giswil (Obwalden)

  • LN: 17 ha
  • Bewirtschaftung: Bio
  • Betriebszweige: Milchvieh, Alpwirtschaft, Lohnarbeiten
  • Tierbestand: 25 Milchkühe, 30 Stück Jungvieh
  • Kulturen: Grünland
  • Arbeitskräfte: Betriebsleiter, ein Lernender, ein Zivildienstler und eine Aushilfe im Sommer

«Smart Home» wird «Smart Stall»

Die beiden mussten sich viel Wissen über Steuerungstechnik aneignen. «Für die Steuerung musste ich mich richtig reinknien, googeln, Youtube-Videos schauen, ausprobieren und mich mit dem Elektriker absprechen», sagt Joel Ming, «mit logischem Denken kommt man schon sehr weit».
Sein Informatik-Wissen hat dafür beim Konfigurieren und Einrichten des Smart-Home-Systems geholfen. Smart Home wird normalerweise in Einfamilienhäusern und Wohnungen eingesetzt. Ming besorgte das System für etwa 500 Franken und programmierte es auf den Stall um. Aus «Smart Home» wurde «Smart Stall». Mit diesem System lässt sich nun einiges anstellen:
«Bin ich auswärts oder ein paar Stunden auf dem Traktor, kann ich mit meinem Mobiltelefon die App von Smart Home starten», sagt Zumstein, «dank der Überwachungskameras sehe ich dann, ob die Milchkühe noch genug Futter haben». Sämtliche Überwachungskameras sind in der Smart-Home-App aufrufbar. Hat es zu wenig Futter vor dem Fressgitter, betätigt Zumstein in der gleichen App den selbst gebauten Futterschieber. «Alternativ können wir ihn so programmieren, dass er einfach z. B. alle zwei Stunden läuft».

Eine App für alle Anwendungen

Der Futterschieber ist nicht das einzige, was die beiden programmiert haben. Auch die beiden Mistschieber, sowie das Stall-Licht können mit der App gesteuert werden. «Morgens, eine halbe Stunde bevor ich in den Stall gehe, geht das Licht an», sagt Zumstein. Abends löscht es um 21 Uhr. Für den Biorhythmus der Kühe sei das ideal, sagt Zumstein. (Siehe Artikel in «die grüne», LED bringt Licht ins Dunkle, Ausgabe 11, 2019). Futterschieber, Mistschieber, Licht, Überwachungskameras – alles geschieht in ein und derselben App. «Darauf haben wir viel Wert gelegt», sagt Ming. «Sonst hätte man schlussendlich von jedem Hersteller eine App – und das ist echt mühsam». Der Futterschieber läuft jeweils hin und zurück. «Wenn viel Futter da ist kann es passieren, dass es den Pneu leicht anhebt und das Futter nicht ideal zum Fressgitter geschoben wird. Aber spätestens, wenn der Futterschieber wieder zurückläuft, schiebt er die Mischung hin. Totalmischrationen eignen sich bestens, um mit dem Pneu zugeschoben zu werden. Heu funktioniere weniger gut, weil es zu leicht ist. Das gelegentliche Wischen brauche es aber noch immer.

«Wenn man sich dafür interessiert, ist es keine Hexerei»

Joel Ming, Informatiker / Entwickler des Futterzuschiebers

Im Fall, dass etwas im Weg steht, etwa ein Traktor, stellt der Schieber wegen der Überlastsicherung automatisch ab. «Die einzigen Bedenken habe ich wegen unseren Kindern», sagt Zumstein. Denn nur wenn der Widerstand genug gross ist, stelle der Schieber ab. «Die Kinder sind aber sehr wohl sensibilisiert und wissen, dass sie nicht zu nahe an den Schieber dürfen», sagt Zumstein.

Geringe Investitionskosten

«Die Investitionskosten von rund 3000 Franken waren sehr gering, für das, was es mir nützt», sagt Adrian Zumstein. «Klar haben wir je rund eine ganze Arbeitswoche getüftelt und gebaut», sagt Ming, «aber das war es allemal wert». Damit es nicht zu teuer wurde, mussten die beiden lange nach einer geeigneten Winde ausschauen. Denn die erste, günstige Variante riss. Schliesslich wurden sie nach einem Aufruf in einer Facebook-Gruppe fündig – es handelte sich um eine alte Winde eines Mistschiebers.
Was sie denn mit den 3000 Franken Preisgeld anstellen werden? «Wir haben bereits weitere Projekte», sagt Zumstein. Da wäre etwa die Heubelüftung, die man je nach Wetterprognose automatisieren könnte. Sie erhoffen sich eine grosse Kosteneinsparung, wegen des geringeren Stromverbrauchs. Oder einen selbst gebauten elektrischen Antrieb für den Mischwagen. Oder die Funktion des Viehhüters, die man überwachen könnte.

Netzwerk tut sich auf

Doch viel wichtiger als das Preisgeld sind Adrian Zumstein und Joel Ming die neuen Kontakte, welche sie durch den Gewinn des bäuerlichen Innovationspreises knüpfen konnten. Die beiden Tüftler-Kollegen geben ihre Erfahrungen gerne an andere weiter.
Kann denn jeder wie sie so eine Steuerung selber installieren und konfigurieren? Die beiden sind sich sicher, dass das geht. «Wenn wir Zeit haben, also vor allem im Winter, tüfteln wir unheimlich gerne», sagt Zumstein und Ming ergänzt: «Wenn man sich dafür interessiert, ist es absolut keine Hexerei.»
So schnell gehen den beiden Tüftlern die Ideen also nicht aus. Und Adrian Zumstein ist froh, wenn er nach der Suisse Tier 2019 seinen Futterschieber wieder mit nach Hause in seinen smarten Stall nehmen kann. Denn in diesen drei Tagen wird er wohl oder übel, das Futter von Hand zuschieben müssen.

 

Offizielle Preisverleihung an der Suisse Tier Messe

Die Preisverleihung der Spezialpreise sowie der bäuerlichen Innovationen findet in diesem Jahr anlässlich der Suisse Tier Eröffnungsfeier am 22. November 2019 (9.30 Uhr bis 11.00 Uhr) statt. Begleitet wird diese von einer Podiumsdiskussion zum Messethema «Tiergesundheit».