Inmitten von Mais und Sonnenblumen entdeckt Christian Bumann ein Gemüse, dessen Stängel fast violett scheinen. "Schau mal, Auberginen, und es hat sogar reife Früchte", freut er sich. Dass die dunkel glänzende Frucht schon zünftig von Schnecken angefressen wurde, scheint den 30-Jährigen nicht zu stören. In hohem Bogen fliegt die durchlöcherte Aubergine rüber zu den Topinambur-Pflanzen, wo sie dann im nächsten Jahr ihre Wurzeln schlagen soll.
Andere Massstäbe
Wenn er 60 Salatköpfe ernten wolle, dann baue er eben 70 an, "die zehn gehören dann sozusagen den Schnecken und ich ärgere mich nicht." Der selbst ernannte "Agrarrebell" produziert nach den Grundsätzen der Permakultur (siehe Kasten). Im luzernischen Hüswil bietet ihm ein befreundeter Landwirt die Möglichkeit, auf dessen IP-Betrieb die Möglichkeiten und Grenzen dieser Philosophie auszutesten. "IP könnte also auch für Integrierte Permakultur stehen", meint Bumann halb im Scherz. Doch aus diesem witzig gemeinten Gedankenspiel ist mittlerweile ein recht erfolgreiches Geschäftsmodell geworden. Wobei Erfolg im Falle des Querdenkers an anderen Massstäben definiert wird: die maximale biologische Vielfalt, Humusaufbau oder gelungene Versuche beim Anbau von anspruchsvolleren Pflanzen. So wie die Melonen oder aber die Habanero-Chili, die sogar im Freiland gedeiht.
Raum für Risiko
Die Rechnung ist auch reichlich komplex, weil die Kosten nur teilweise durch Produkterlöse gedeckt werden. Weil die Fläche zu einem konventionellen Betrieb gehört, kann er kein Biogemüse verkaufen. Baum- und Hühnerpatenschaften oder Führungen durch die Permakultur sorgen für zusätzliches Einkommen. Christian Bumann ist zudem Fan von "community supported agriculture", also dass die Konsumenten ihn im Voraus entschädigen und die tatsächlich erwirtschafteten Erträge am Schluss durch alle geteilt werden. "Totalausfälle gibt es ja fast nie. Und wachsen mal weniger Kartoffeln als erwartet, gibts halt noch Tomaten oder etwas anderes dazu. Bisher waren immer alle zufrieden", lautet das Fazit des Unternehmers. Und er erlange mehr Sicherheit, um Versuche mit neuen Anbauverfahren oder Sorten zu wagen.
Da Permakultur nicht nur ökologisch, sondern auch sozial verträglich sein soll, verschenkt Christian Bumann allfällige Ernte-Überschüsse, zum Beispiel an Organisationen wie "Tischlein deck dich". Entsorgen, so weit kommt es nicht: Alles lässt sich einmachen, dient als Hühnerfutter oder zuletzt als Kompost.
Der persische Ehrenpreis
Der Rundgang durch die ehemalige Buntbrache gestaltet sich abenteuerlich, bei Unachtsamkeit endet der nächste Schritt plötzlich auf einem zarten Kräutlein oder einem kleinen Kürbis an seinen langen Ausläufern. Es gibt an jeder Ecke, unter jedem grösseren Blatt wieder etwas zu entdecken: Da spriesst ein Rüebli, dort blüht der Senf, zwischen der Gründüngung bahnen sich Buschbohnen ihren Weg. Und der gelernte Koch weiss zu jeder Pflanze etwas zu erzählen. Den Palmkohl beispielsweise könne man ruhig fünf Jahre am gleichen Standort wachsen lassen und immer wieder ernten. "Aus den Stängeln machten sie früher im Emmental Spazierstöcke für den sonntäglichen Kirchenbesuch", erzählt er verschmitzt.
Nach Ausführungen über sein aktuelles Lieblingsgemüse (Zitronenzucchetti), Lieblingskraut (Eberraute) und Lieblingshuhn (Goldi) gibt der Freigeist an, dass er so gar ein Lieblings-Unkraut habe: "Der persische Ehrenpreis schafft mit seinen Wurzeln eine unglaubliche Humusstruktur!"
Beobachten und lesen
Humus. Da kommt Christian Bumann erst recht ins Schwärmen. "Seit ich vor zwei Jahren hier begann, konnte ich die Humusschicht um zwei Zentimeter aufbauen", betont er nicht ohne Stolz. Möglich ist dies durch die grosse Biomasse, welche in Form einer Mulchschicht oder von reifem Kompost auf den Boden gelangt. Dieser sollte immer bedeckt sein, auch wenn dies für kritische Betrachter auf den ersten Blick völlig verunkrautet aussehen mag. "Kontrolliertes Unkraut", nennt es der "Gemüsetüftler". Es störe schliesslich die Kultur, hier den Mais, nicht. Und das Gemüse sollte sowieso genug stark sein, um sich gegen die Beikräuter durchzusetzen.
Dass Christian Bumann die landläufig als Unkraut bezeichneten Gewächse in ganz anderem Licht sieht, beweist folgende Aussage: "Diese Brennnessel dort drüben, das ist für mich ein Triumph! Denn sie ist ein Stickstoffzeiger." Auch Blacken, Quecken und anderes unliebsames Grünzeug weise zuverlässig auf Bodenbeschaffenheit und Nährstoffgehalte hin. Man muss sie eben zu deuten wissen.
Der Optimist
Während er seine drei Hennen und dem Hahn beim eifrigen Picken einer Zucchetti beobachtet, hält der Wahl-Hüswiler fest: "Ich bin kein Querulant." Die Meinungen der umliegenden Bauern seien ihm sehr wichtig, ebenso die gegenseitige Unterstützung. "Mittlerweile kennen mich die meisten und respektieren sogar, was ich mache." Er habe das Unkraut im Griff und arbeite unermüdlich, das verschaffe ihm Akzeptanz bei den Nachbarn. Und: "Ich kritisiere nicht, dränge auch niemandem meine Philosophie auf. Ich mache einfach mein eigenes Ding – und auch viele Fehler, dazu stehe ich." Nachdenklich wird Christian Bumann beim Gedanken ans Bauernsterben, "das muss wirklich aufhören!" Dass kleinere Betriebe keine Daseinsberechtigung haben sollen, kann er nicht verstehen. "Die Politik sollte mehr Anreize für Junge schaffen, auch für alternative Geschäftsmodelle sollte Platz sein."
Dieses Stichwort bringt die Sprache zurück auf den Traum vom eigenen Hof: "Ich suche schon seit zwei Jahren, bisher erfolglos." Die Ansprüche sind bescheiden: Zwischen zwei und fünf Hektaren Land wünscht sich Bumann, und erzählt von seinen Träumen: Eine Baumschule, um alte Sorten zu veredeln. Bäume könne man sowieso nie zu viele pflanzen. Mindestens Bio, eher sogar Demeter soll der Produktionsstandard dereinst sein, um einen gesicherten Produktabsatz zu bieten. Er sei halt durch und durch Optimist und glaube an das Gute im Menschen. Darum hält der 30-Jährige am Traum vom eigenen Reich fest.
Entwickeln und anpassen
Nebst dem Anbau schmackhafter Gemüse und Früchte in allen Formen und Farben könnte der unternehmerische Entdecker ein weiteres Ziel verfolgen: Saatgut ganz nach seinen Vorstellungen und den lokalen Bedingungen zu kultivieren. Robuste, starke, wüchsige und wenig anspruchsvolle Pflanzen sollen daraus entstehen. Zum Abschluss überreicht Christian Bumann seine "Visitenkarte": ein durchsichtiges Röhrchen, gefüllt mit Blumen- und Kräutersamen zur Gründüngung. So kann ein Teil seiner Philosophie auch an anderen Orten Wurzeln schlagen.
Andrea Gysin
Weitere Informationen unter: www.rusticus.ch