Laut den Kontrollberichten der kantonalen Laboratorien werden Rückstände wie Natamycin und Lysozym, Aflatoxin und Histamin im Schweizer Käse kaum, im Importkäse dagegen häufig gefunden.
Martin Brunner vom Kantonalen Labor Zürich hält es trotzdem für fahrlässig zu behaupten, dass Schweizer Käse besser sei. Die Zahl der untersuchten Proben sei schlicht zu klein, um gesicherte Aussagen über Unterschiede zwischen in- und ausländischem Käse machen zu können. Abgesehen davon sei das auch nicht seine Aufgabe. „Es geht bei unseren Analysen nicht um einen Vergleich der Herkünfte, sondern um die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen – und die sind für alle Käse gleich.“
In der Schweiz gelten schliesslich dieselben Lebensmittelvorschriften wie in der EU, weshalb die Verwendung von Natamycin, einem Anti-Pilzmittel, auch bei uns erlaubt ist, solange die Grenzwerte eingehalten werden. Das gilt ebenso für das Enzym Lysozym, dessen Verwendung deklariert werden muss. Aflatoxin, ein Schimmelgift, sollte dagegen weder im Import- noch im heimischen Käse in grösseren Mengen vorkommen und bei Histamin ist alles offen, denn es gibt keinen Grenzwert beim Käse.
Strenger als das Gesetz
Zwischen Gesetz und Praxis liegen trotzdem Welten. Die gewerblichen Schweizer Käsereien halten sich nämlich an die Branchenvereinbarung von Fromarte, die besagt, dass Käse nur aus Milch, Lab und Salz hergestellt wird. Natamycin und Lysozym sind folglich tabu.
Dieser Branchencodex wird breit umgesetzt, wie Fromarte-Direktor Jacques Gygax versichert: „99 Prozent der Schweizer Naturkäse wird ohne jegliche Zusatzstoffe hergestellt.“ Damit machen sich die Schweizer Käser freiwillig das Leben schwer, denn die Arbeit ohne diese Hilfsstoffe bedeutet, dass die Käseherstellung und Käsepflege wesentlich sorgfältiger angegangen werden muss. Im Ausland wird teilweise sogar bei traditionellen AOP-Spezialitätenkäsen Natamyzin eingesetzt. Gygax bezeichnet solche Käse als „Gummi mit Gift.“
Er räumt ein, dass es der Käsebranche bislang offenbar nicht gelungen ist, diesen Unterschied zu kommunizieren. Denn Konsumentenorganisationen empfehlen nach wie vor kategorisch, die Rinde zu entfernen. Das macht aber nur bei Käse mit behandelter Rinde Sinn. Gygax: „Die Rinde von Schweizer Naturkäse kann man bedenkenlos mitessen.“
Ähnlich unbekannt scheint der Wert von Käse aus silofreier Milch zu sein. Über Silage - eine Art Sauerkraut aus Gras – können Buttersäurebakterien in die Milch und später in den Käse gelangen, wo sie sich vermehren und Fehlgärungen verursachen können. Ein paar wenige Buttersäurebakterien-Sporen pro Liter Milch genügen und die Käsequalität ist dahin. Es sei denn, man verwendet Hilfsmittel wie Sorbinsäure oder Lysozym. Das ist im Ausland die Regel, wird in der Schweiz aufgrund der Branchenvereinbarung aber nicht gemacht – ohne dass das Gros der Konsumenten es weiss.
Mehrwert kaum kommunizierbar
Das Siloverfütterungsverbot hat zugleich vorbeugenden Charakter. In italienischem Hartkäse wurden z.B. letztes Jahr geringe Mengen Aflatoxin gefunden. Der Thurgauer Lebensmittelinspektor Davide Degiorgi geht davon aus, dass das beim Schweizer Pendant, dem Sbrinz, nicht passieren könnte: „Da die Kontamination der Milch höchstwahrscheinlich über die Verfütterung von mit Aflatoxin belasteter Maissilage entsteht, besteht die Gefahr bei der Sbrinzproduktion kaum.“ Denn im Pflichtenheft vom Sbrinz steht, dass die Lagerung und Fütterung von Gärfutter aller Art (also auch von Silage) auf den Betrieben untersagt ist.
Kommunizieren kann man solche Unterschiede kaum, das ist viel zu komplex. Umso aufmerksamer verfolgt Fromarte derzeit das Thema Histamingehalt im Käse. Gygax: „Die Histaminwerte von Schweizer Käse sind in der Regel viel tiefer als bei der Konkurrenz. Dieses Thema werden wir weiterverfolgen.“
Histamin kommt natürlicherweise in Nahrungsmitteln vor, die lange gelagert oder gereift sind, wie z.B. Hart- und Halbhartkäse, Sauerkraut, Salami und Rotwein. Etwa ein Prozent der Bevölkerung reagiert auf höhere Histamingehalte mit einer Pseudoallergie. Bei empfindlichen Personen können bereits 8 bis 40 Milligramm Histamin Vergiftungserscheinungen hervorrufen.
Diese Menge kann bereits in fünf Gramm histaminbelastetem Käse enthalten sein. Bei einem histaminarmem Käse enthält ein ganzes Kilo Käse nicht so viel.
Die Forschungsanstalt Agroscope hat vor ein paar Jahren Emmentaler unterschiedlicher Herkünfte auf Histamin untersucht und festgestellt, dass der Histamingehalt der Emmentaler aus dem Allgäu, der Bretagne, Savoie, dem Vorarlberg oder Finnland um den Faktor fünf bis fünfzigmal so hoch war wie beim Emmentaler aus der Schweiz.
Zu wenige Daten
Wäre das nicht ein Grund, die Schweizer Käsequalität explizit auszuloben? Agroscope-Mitarbeiter Daniel Wechsler verneint: „Die Aussage, wonach Histamin in Schweizer Käse seltener ein Problem ist als in Importkäse kann ich weder bestätigen noch dementieren, da die Datenbasis dazu fehlt. Sowohl in Schweizer Käse als auch in Importkäse können sporadisch stark erhöhte Gehalte an Histamin nachgewiesen werden.“
Wechsler räumt jedoch ein, dass fehlerhafte Schweizer Sortenkäse in der Regel eher erkannt werden, da die Qualitätsbeurteilung, die Taxation, bei Schweizer Sortenkäse über ein unabhängiges Gremium erfolgt. „Diese Prüfer sind heute geschult und erkennen stark histaminhaltige Käse am brennenden Geschmack, so dass diese kaum mehr als Tafelkäse vermarktet werden.“ Bei Eigenmarken von ausländischen Anbietern fehlt diese „externe“ Qualitätsbeurteilung.
Im Gegensatz zu den Rückständen von Konservierungsstoffen lässt sich der Histamingehalt nicht an der Art der Käseherstellung festmachen. Vielmehr scheint es sich um ein betriebsspezifisches Problem zu handeln. Agroscope hat aber Mittel und Wege gefunden wie diese Probleme identifiziert und behoben werden können. Wenn die Schweizer Käsebranche konsequent in diese Richtung arbeitet, hätte sie damit noch einen Schweizer Mehrwert. Doch auch der nützt nur etwas, wenn die Konsumentinnen und Konsumenten davon erfahren. Dass es diesem Bereich noch viel zu tun gibt, ist Fromarte bewusst. Gygax seufzt: „Viele wissen nicht einmal, dass wir GVO-frei produzieren.“
Eveline Dudda, lid