Kabier-Fleisch ist speziell. Speziell ist die Art wie es produziert wird, und die Fleischqualität, die dabei entsteht. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle, wie Kabierproduzent Sepp Dähler aus Stein AR erklärt: "Zuerst einmal muss die Rasse stimmen."

Will heissen: Wenigstens zur Hälfte muss Blut von Limousin, Angus oder Wagyu durch die Adern fliessen. "Dann braucht es eine optimale Ernährung." Dählers Tiere erhalten neben dem Grundfutter auch noch Biertreber, Bierhefe und Weizenkleie. Das macht das Futter schmackhaft und gehaltvoll, denn die Biernebenprodukte enthalten zahlreiche Spurenelemente, die in anderen Futtermitteln nicht, oder zumindest nicht in dieser Menge vorkommen.

"Die Haltung ist wichtig. Die Tiere dürfen keinen Stress haben." Stress kennen Dählers Tiere sicher nicht. Auf dem Hof in der Blindenau ist gut Rind sein. Die Tiere bekommen jeden Tag eine Bürsten-Massage von Hand mit einem Biervorlauf-Bierhefegemisch. Um diese Anti-Stress-Massage kann man die Tiere beneiden, obwohl die Wellness vom Laufstall natürlich im Schlachthof endet. Doch der Weg dorthin ist mit drei Kilometern kurz.

Fleisch zehn Tage abhängen lassen

"Auch der Metzger muss qualitativ hochstehende Arbeit leisten", meint Dähler und spricht damit die Phase an, die nach dem Schlachten kommt: "Die Lagerung ist zentral. Wir lassen das Fleisch zehn Tage lang am Knochen abhängen. Das Entrecote reift vier Wochen am Knochen." Alle Fleischstücke werden in Fleischreifeboxen aufbewahrt, die einen Austausch mit der Aussenluft ermöglichen.


Obwohl das Kabierfleisch unbestritten eine besonders Qualität hat, wirbt Dähler nicht mit dem Qualitätsbegriff. "Ich kann nicht behaupten, unser Fleisch sei 'x'-Prozent besser oder aromatischer oder gesünder. Fleisch ist ein Naturprodukt und immer ein wenig anders." Er lobt nur die Art und Weise aus, mit der das Fleisch produziert wird: Die Massage, den Biertreber, den Laufstall und den weitgehend geschlossenen Kreislauf. Die Kunden überzeugt's, Kabier ist ein Erfolgsmodell.

(K)eine Bier-Idee

Dieser Erfolg ist genau wie die Qualität das Ergebnis von mehreren Komponenten. "Wir suchten Nischen in denen die Wertschöpfung grösser ist." Eine davon war der Anbau von Braugetreide für die Brauerei Locher in Appenzell, wo als Nebenprodukt Biertreber, Bierhefe und Biervorlauf anfällt.

Die Brauerei brachte Dähler die Idee des Kobe-Beef aus Japan näher, welches in die ganze Welt exportiert wird. Beim Kobe-Beef werden Rinder der Rasse Wagyu mit Sake, Reisstroh und Getreide gefüttert und mit Reiswein oder Öl eingerieben. Familie Dähler übernahm die Grundidee, also die Fütterung von Biernebenprodukten und die Massage aus Japan, sie münzte aber die Haltungsform auf Schweizer Niveau um. Den Namen Kabier, eine Kombination aus Kalb und Bier, liessen Dählers schützen.


Zur BSE-Krise angefangen

Dass Dählers ausgerechnet in der BSE-Krise vor 16 Jahren mit Kabier anfingen, war möglicherweise Glück. Obwohl – oder vermutlich gerade weil – Rindfleisch damals alles andere als gefragt war, fanden die ersten vier Kabier-Rinder Anklang. Also führten Dählers das Experiment weiter und bauten die Produktion sukzessive aus.

Letztes Jahr gaben sie die Milchkühe weg, seither hat es auf dem Hof Platz für die Mast von dreissig Rindern. Zwanzig weitere werden im Auftragsverhältnis bei einem Bio-Betrieb im Dorf grossgezogen. Dazu kommt Fleisch von Schweinen, die nach dem Brauweizen den Acker umwühlen. Und von Schafen, deren Job es ist, die steilen Borde abzugrasen. Die Nachfrage nach Kabierfleisch kann zwar nicht vollständig gedeckt werden.

Ein Franchising-System mit mehreren anderen Bauern kommt für Dähler aber nicht in Frage. Einerseits weil die Kabier-Produktion sehr stark personalisiert ist. Anderseits, weil es nicht zu ihm passt: "Ich habe Bauer gelernt, weil ich diesen Beruf sehr schätze. Ich will nicht nur noch Manager sein."

Vermarktung von A bis Z

Manager ist er bereits genug. Dähler vermarktet sämtliche Tiere selbst. Nicht nur das Fleisch sondern auch das Fell, die Haut, die Hörner. Das Fell wird für Finken, Handtaschen oder Sitzkissen verwendet. Aus dem Leder lässt er Gürtel fertigen, die Hörner werden als Lampen oder Kleiderbügelhalter eingesetzt. Das Bauchfett wird zu Seife, Lunge und Innereien landen im Hundefutter.

Was logisch klingt, ist heute nicht überall selbstverständlich. Genauso wenig wie die Tatsache, dass Dähler bei der Vermarktung konsequent auf Mischpakete setzt, weil ein Rind eben nicht nur aus Filetstücken besteht. "Wenn wir Apéros oder Degustationen machen, gibt es nie Edelstücke, sondern Siedfleisch oder Tatar und anderes."

Der Preis ist kein Thema

Qualität hat ihren Preis. Kabier kostet rund doppelt so viel wie Natura-Beef. Dähler steht dazu, doch er ist eine Ausnahme, wie er weiss. Denn er amtet auch noch als Experte bei den Meisterprüfungen im Fach Marketing. Dort stellt er fest: "Die Bauern haben oft sehr gute Konzepte. Aber dann haben sie vor allem das Ziel, günstiger zu sein wie die Grossverteiler."

Seine Erfahrung ist eine andere: "Der Preis war bei meinen Kunden noch nie ein Thema." Solange die Qualität stimmt. Etwa zwei Drittel wird an Privatpersonen verkauft. Häufig sind das Zwei-Personenhaushalte, tendenziell etwas älter, eher besserverdienend und meistens leidenschaftliche Köche.

Ein Drittel geht in die Gastronomie wo das Fleisch von Spitzenköchen geschätzt wird. Ihre Kochkunst bildet den krönenden Abschluss in Sachen Qualität: Denn erst mit der optimalen Zubereitung wird die Qualität auch zum Genuss.

Eveline Dudda, lid