In der ETH Zürich fand kürzlich eine Tagung zum Thema „Klimawandel und Nutztiere“ statt. Auffallend war, wie sehr die Referenten an dem gut besuchten Anlass die Bedeutung der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft betonten. Dass fast „100 Prozent des Methanausstosses aus der Viehwirtschaft stammt“, „die Tierhaltung 80 Prozent der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft ausmacht“ und „60 Prozent der Methanemissionen von Milchkühen emittiert werden“ ist zwar nicht falsch. In der Summe wird damit jedoch ein falsches Bild vermittelt. Wenn man die Treibhausgasproduktion der Schweiz betrachtet – es handelt sich um 48,1 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente – machen die Methanemissionen der Wiederkäuer mit 3,3 Mio. CO2-Äquivalenten weniger als sieben Prozent aus. Der wahre Klimakiller ist nicht die Kuh, sondern der Verkehr: Er trägt zu 30 Prozent zu den Treibhausgasen bei und, was viel bedenklicher ist, die Emissionen des Verkehrs nehmen nach wie vor zu.
Hanföl als Futtermittelzusatz?
Doch zurück zur Tagung. Hier ging es in erster Linie um die Emissionen der Tierhaltung, vor allem um Kühe. Nicht jede Kuh ist gleich, manche Kühe produzieren mehr Methan und andere weniger. Einzelne Studienautoren schätzen, dass allein durch züchterische Selektion rund 20 Prozent der Methanemissionen eingespart werden könnten. Auch das Lebensalter scheint einen Einfluss zu haben: Ältere Kühe verdauen offenbar klimafreundlicher. Und je mehr Kraftfutter verfüttert wird, desto geringer ist der Methanausstoss pro produzierter Einheit. Für Angela Schwarm vom Institut für Agrarwissenschaften an der ETHZ ist das jedoch „keine nachhaltige Massnahme, da bei der Produktion von Kraftfutter ebenfalls Treibhausgase entstehen.“ Sie hält Futtermittelzusatzstoffe auf der Basis von Fettstoffen, sogenannten Lipiden oder Tanninen, für vielversprechender. „Lipide mit mehrfach ungesättigten langkettigen Fettsäuren, wie beispielsweise extrudierter Leinsamen, können die Methanemission pro Kilo Futter um bis zu 25 Prozent reduzieren.“ Alternativ kommen dafür auch spezielle Ölsaaten wie Färberdistel, Hanf, Schlafmohn und Leindotter in Frage. Allerdings müssten recht grosse Mengen verfüttert werden, wofür eine grosse Anbaufläche benötigt würde (siehe Kasten). Schwarm: „Selbstverständlich sollen die Treibhausgasemissionen nicht von der Tierhaltung zum Pflanzenbau umverlagert werden.“ Sie verteidigt die Verfütterung der Ölsamen mit dem Argument, dass bei einer bedarfsgerechten Fütterung ein Teil des Kraftfutters ersetzt würde, so dass sich die Emissionen zumindest teilweise „ausgleichen“ könnten. Ausserdem gäbe es noch andere positive Effekte: „Bei Leinsamenfütterung steigt der Anteil der Omega-3-Fettsäuren in der Milch.“ Die Milch könnte folglich als «functional food» vermarktet werden – sofern es einen solchen Markt gäbe.
Haselnussblätter senken den Methanausstoss
So wie Lipide für die methanbildenden Pansenbakterien giftig sind, wirken Tannine anti-mikrobiell und ebenfalls methansenkend. Das Problem bei vielen tanninhaltigen Futtermitteln wie z.B. Akazienrindentannin ist jedoch, dass sie den Tieren meistens nicht schmecken, deshalb weniger gefressen werden und die Leistung senken. Haselnussblätter scheinen eine Ausnahme darzustellen, ihr Einsatz soll deshalb weiter erforscht werden. Schwarm: „Tannine aus Haselnussblättern hätten den Vorteil, dass sie nicht in Konkurrenz zur menschlichen Nahrung stehen und man die Ackerflächen vor allem für die Ernährung der künftig zehn Milliarden Menschen nutzen könnte.“ Sie bedauert, dass es an Konsumenten fehlt, die bereit sind, klimafreundlich hergestellte Produkte zu kaufen und dass der gesellschaftliche Druck nicht gross genug ist, um die Bauern dazu zu bewegen, den Methanausstoss der Kühe mit Futtermittelzusätzen zu senken. In der anschliessenden Diskussion zeigten sich aber noch andere Knackpunkte. So gibt es vorerst keine Untersuchungen darüber, wie sich diese Futtermittelzusätze auf die Tiergesundheit auswirken. Speziell in den drei Wochen vor und nach dem Abkalben, der Transitphase, sei das Verdauungssystem sehr fragil, warf eine Teilnehmerin ein, und es könne ja nicht das Ziel sein, den Methanausstoss auf Kosten der Tiergesundheit zu senken.
Alle Pflanzen werden zu Methan
Wenn es um Methanemissionen geht, stehen Wiederkäuer wie Rindvieh, Ziegen und Schafe unter Generalverdacht. Untersuchungen von Marcus Clauss von der Vetsuisse-Fakultät zeigten jedoch, dass auch andere Pflanzenfresser Methan produzieren. Der Mensch stellt keine Ausnahme dar, er wurde bislang nur am wenigsten erforscht. Clauss: „Beim Menschen weiss man lediglich, dass es Methanproduzenten gibt und Leute, die wenig oder kein Methan produzieren.“ Obwohl die Menschheit mit fast 8 Mrd. Vertretern weltweit im Verhältnis zu den 1,5 Mrd. Wiederkäuern methanmässig eine wichtige Rolle spielen dürfte, sind keinerlei Forschungen bekannt, die z.B. der Frage nachgehen, wie sich eine veränderte Ernährungsweise auf den Methanausstoss auswirkt. Es könnte durchaus sein, dass eine rein pflanzliche Ernährung dabei nicht besonders gut abschneidet. Clauss hat nämlich verschiedene tierische Pflanzenfresser untersucht und festgestellt, dass bei der Verdauung von Pflanzenmaterial praktisch immer Methan entsteht, wenn auch in unterschiedlichen Mengen. Vieles hängt offenbar von der Verdauungsgeschwindigkeit ab. Clauss: „Je schneller ein Tier Pflanzenfasern verdaut, desto weniger Methan wird ausgeschieden.“ Dass ein Elefant mehr Methan emittiert als eine Maus, liegt auf der Hand. Bezogen auf die Emissionen pro Körpergewicht sind die Unterschiede allerdings nicht mehr sehr gross. Der Methanausstoss pro Kilo Lebendgewicht erreicht bei vielen Nagetieren annähernd die Grössenordnung von Wiederkäuern. Gänse und anderes Geflügel emittieren erhebliche Mengen Methan obwohl sie nicht wiederkauen. Und wenn man die Methanemissionen ins Verhältnis zur verdauten Pflanzenfaser setzt, produzieren Hausschweine in vergleichbaren Grössenordnungen Methan wie Wiederkäuer. Die Untersuchungen von Clauss legen nahe, dass Methan immer zur Verdauung von Pflanzen gehört. Egal ob sie ein Nutztier, ein Wildtier oder der Mensch gegessen hat
Ackerland versus Klimaschutz?
Manches, was in der Theorie der Forscher plausibel erscheint, scheitert in der Praxis an der Verhältnismässigkeit. Das zeigt ein simples Rechenbeispiel. Würden, wie an der Tagung von Angela Schwarm präsentiert, Wiederkäuern ölhaltige Futtermittelzusätze verabreicht, müssten pro Kuh und Tag rund 2,5 Kilo Leinsamen (oder andere hochwertige Ölsaaten) verfüttert werden. Für die 700’000 Schweizer Milch- und Mutterkühe würde man summa summarum etwa 600’000 Tonnen Leinsamen pro Jahr benötigen. Da der Hektarertrag von Leinsamen im besten Fall drei Tonnen beträgt, wären für den Anbau von diesem Futterzusatz mindestens 200’000 Hektar Ackerfläche nötig. Das ist fast die ganze Ackerfläche der Schweiz, denn die offene Ackerfläche ist hierzulande gerade mal 270'000 Hektar gross.
Selbst unter Annahme einer sehr optimistischen Methanreduktion von 30 Prozent könnte man mit dieser Massnahme lediglich 0,5 Mio. CO2-Äquivalente an Treibhausgasen einsparen. Diese Einsparung würde durch den Bedarf an zusätzlich benötigter Ackerfläche vermutlich nivelliert, da Ackerflächen ebenfalls Treibhausgase emittieren. Und in dieser Rechnung ist der Bedarf an Futtermittelzusätzen für eine Million Kälber, Rinder und Mastmunis und 400'000 Schafe und Ziegen noch gar nicht enthalten. Die Kostenfolgen wären enorm. Schwarm geht von einem Kilopreis von 5 Franken für Futterleinsamen aus. Selbst wenn man durch den Zusatz eine bessere Futterverwertung und einen teilweisen Ersatz von Kraftfutter unterstellt, würden die Milchproduktionskosten bei einer Milchleistung von 7'000 kg pro Kuh und Jahr um rund 50 Rappen pro Kilo steigen. Zum Vergleich: Für Industriemilch bekommen die Bauern aktuell gerade mal 50 Rappen ausbezahlt. Die Produktionskosten sind dabei nicht gedeckt. Der Milchpreis der Bauern müsste sich also mindestens verdoppeln.
Eveline Dudda/lid