Markus Ritter ist stolz auf die gut 160 bäuerlichen Nationalratskandidatinnen und Nationalratskandidaten, die sich dieses Jahr aufstellen liessen. Nicht alle können gewählt werden, dennoch «haben sie den Wahlkampf sehr professionell und inhaltlich fundiert geführt», sagt der Präsident des Schweizer Bauernverbandes (SBV) im Gespräch mit der «BauernZeitung». Weil in praktisch allen Kommissionen bäuerliche Anliegen behandelt werden, sei eine breit aufgestellte und «möglichst zahlreiche bäuerliche Vertretung» sehr wichtig, sagt er. Dies sei durch Parlamentarier möglich, die direkt aus der Landwirtschaft kommen und solche, die den Bauern nahe stehen und ihren Anliegen «wohlgesonnen» seien, erklärt Ritter. «Ein guter bäuerlicher Vertreter muss sich für bäuerliche Anliegen einsetzen, sich nach Möglichkeit innerhalb der bäuerlichen Organisationen vernetzen», sagt der SBV-Präsident.
Mindestens gleich stark bleiben
«Wir müssen uns mit aller Kraft dagegen wehren, dass unsere Vertretung bei den kommenden Wahlen kleiner wird», sagt Markus Ritter. Für den Sitz von Hansjörg Hassler (BDP/GR) sei es möglich, dass wieder ein Bauer gewählt werde. Duri Campell (BDP/GR) oder Hans Peter Michel (FDP/GR) seien zwei sehr aussichtsreiche neue Kandidaten. Und im Kanton St. Gallen hätten verschiedene neu Kandidierende Chancen auf vordere Plätze, ergänzt Ritter. Schwieriger sei der Kanton Zürich – «der Rücktritt von Max Binder wiegt schwer», meint Ritter. «Die Wiederwahl der bisherigen Landwirte Ruedi Winkler (BDP) und Ernst Schibli (SVP) und ein bäuerlicher Ersatz für Max Binder erfordern grosse Anstrengungen», sagt Ritter. Für die breite Abstützung der bäuerlichen Interessen entscheidend ist aber auch, welche Personen in den Parteien gewählt werden. Denn neben den bäuerlichen Vertretern brauche es zusätzliche Ratsmitglieder, die bäuerliche Anliegen mittragen müssten, damit Mehrheiten in beiden Kammern möglich seien, wie Ritter erklärt. Weil der SBV parteipolitisch neutral ist, spielt die Parteizugehörigkeit für ihn keine Rolle. «Wir werden mit allen konstruktiven Kräften zusammenarbeiten, die bereit sind unsere bäuerlichen Anliegen mitzutragen», erläutert Ritter seine Strategie nach den Wahlen vom 18. Oktober. In den nächsten vier Jahren stehen viele wichtige landwirtschaftspolitische Themen auf Bundesebene an. Dabei werde die Initiative für Ernährungssicherheit ein Schlüsselprojekt des Bauernverbandes sein, sagt Markus Ritter. «Es ist vorgesehen, dass in der Wintersession 2015 bereits der National- und in der Frühlingssession 2016 der Ständerat unsere Initiative behandeln wird.» Im Herbst 2016 rechnet Ritter mit der Volksabstimmung. «Für uns ist es eine Schlüsselfrage, wie unsere Ernährung in zwanzig oder dreissig Jahren gesichert werden kann», so Ritter.
Kaum eine Gesetzesrevision bei der AP 2018-21
Dass die AP 2018-21 bereits wieder eine Gesetzesrevision mit sich bringt, ist für Markus Ritter nicht realistisch. «Die AP 2018-21 kommt im nächsten Jahr mit dem Rahmenkredit ins Parlament. Auf Gesetzesebene wird es praktisch keine Veränderungen geben, da fehlen die Grundlagen», erklärt Ritter. Da die Höhe der einzelnen Direktzahlungen aber in den Verordnungen definiert wird, könne der Bundesrat alle sechs Monate auf Grund neuer Erkenntnisse Korrekturen vornehmen. Dort stehe der Bauernverband in regem Austausch mit der Verwaltung, sagt Ritter. « Auf Gesetzesebene werden unter anderem die politischen Instrumente fixiert. Um festzulegen welche Programme weitergeführt, fallen gelassen und allenfalls neu eingeführt werden, braucht es innerhalb der Landwirtschaft eine saubere Analyse, ein klares Konzept und ein geschlossenes politisches Vorgehen», erklärt Ritter. Dabei würden die Ergebnisse der Umfrage des SBV und der Schweizer Milchproduzenten (SMP) vom vergangenen Frühjahr erste interessante Anhaltspunkte geben. Bei Änderungen dürfe man nicht unterschätzen, dass sich die Bauern auch Stabilität und Planungssicherheit wünschen, sagt Ritter. «Wird die SBV-Initiative vom Volk angenommen, wäre das ein wichtiges politisches Zeichen», meint Ritter.
Den Markt vermehrt ins Zentrum rücken
Neben den politischen Geschäften wird der SBV im nächsten Jahr die Verbesserung der Rentabilität und die Steigerung der Wertschöpfung auf den Betrieben zu einem Kernthema machen. 2,8 Mia Franken Direktzahlungen, sagt Ritter, seien zwar ein wichtiger Bestandteil des bäuerlichen Einkommens, den man weiterhin vehement verteidigen müsse, «aber auf den Märkten werden wir auch dieses Jahr mit unseren Produkten rund 10 Mia Franken lösen». Dieser Markterlös ist auf den meisten Betrieben die wichtigste Grundlage für das Gesamtergebnis. Es sei deshalb sehr wichtig, sowohl die Direktzahlungen für die Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen zu erhalten, als auch die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Tätigkeit in den Märkten richtig zu gestalten, sagt Ritter. Deshalb will sich der SBV auch in diesem Bereich stärker einbringen. Damit will er versuchen, nicht zu viel Zeit und Energie für die Verteilung der Direktzahlungen aufzuwenden und die politischen Prioritäten so zu setzen, wie es den tatsächlichen Situationen auf den Betrieben entspricht. Denn «gute, kostendeckende Produktpreise sind eine wichtige Grundlage, dass auch eine nächste Generation unseren wunderschönen Beruf erlernen will und kann», sagt der Landwirt. Dass es dabei ein Gefälle zwischen produktiven und weniger produktiven Regionen gibt, ist auch Ritter bewusst. Die zukünftige Agrarpolitik müsse deshalb die unterschiedlichen Ausgangslagen verbinden und gleichermassen berücksichtigen können.
Die Bauernfamilien entscheiden tagtäglich
Markus Ritter betont mehrmals, dass die Politik nur den Rahmen für eine erfolgreiche Landwirtschaft in der Schweiz stecken könne. Dass sich so viele bäuerliche Vertreterinnen und Vertreter aufstellen liessen, führt er auf zwei Gründe zurück: Einerseits hätten fast alle Parteien sehr aktiv bäuerliche Kandidatinnen und Kandidaten gesucht. «Andererseits gibt es keinen anderen Beruf, der stärker von der Politik beeinflusst wird», resümiert Markus Ritter. Trotzdem sei es nicht die Politik, die in erster Linie über die Zukunft der Bauern entscheide. «Die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft wird an den Küchentischen der Bauernfamilien entschieden.» Denn Kinder würden sehr genau hinhören, was die Eltern diskutieren würden. «Und wenn die tägliche Last an Sorgen immer grösser wird, ist die Zukunft des Betriebes in Gefahr.» Deshalb lohne es sich dafür zu kämpfen, dass die Rahmenbedingungen für die Bauernfamilien weiter verbessert werden. Wie aber ein Betrieb genau zu positionieren sei, müsse jeder Landwirt für sich entscheiden. Mit den passenden Rahmenbedingungen soll dies zu einer hohen Wertschöpfung durch den Produkteverkauf, zu einem vergleichbaren Einkommen und letztlich zu einer hohen Lebensqualität führen.
Hansjürg Jäger