BauernZeitung: Herr Schaber, Sie waren gestern beim französischen Agrarminister, sind um 3 Uhr in der Früh los und nach Mitternacht wieder zu Hause angekommen. Wieso tun Sie sich das noch an?


ROMUALD SCHABER: Wir sind überzeugt, dass die Politik im Milchmarkt auf dem falschen Weg ist. Da kann man entweder zuschauen oder versuchen, etwas zu unternehmen. Wir haben uns dazu entschieden, etwas zu tun. Wenn wir Erfolg haben, ist das gut, wenn wir keinen Erfolg haben, dann haben wir es wenigstens versucht.

Was aber mir und vielen meiner aktiven Kollegen zu denken gibt, ist die scheinbare Gleichgültigkeit der Bauern. Viele haben das Gefühl, dass man doch nichts machen kann – sind nach zwei Jahren frustriert und denken, dass man etwas probiert hat. Und das regt uns schon auf.

Wir sind sicher, dass sich die Leute in 20 bis 30 Jahren fragen werden, wie sich die Strukturen entwickelt haben. Leider entwickelt es sich im Moment nicht besonders positiv. Wir haben seit der Quotenaufhebung die exakt gleiche Entwicklung wie damals in der Schweiz, als man die Kontingentierung aufgehoben hat. Nur sind die EU-Minister so klug, dass sie keine

Ratschläge brauchen. Die machen lieber zweimal denselben Fehler.


Eigentlich kämpfen Sie so auf verlorenem Posten, nicht?


SCHABER: Wenn man sieht, wie sich das entwickelt, muss man weiterkämpfen – auch wenn es aussichtslos scheint. Die Entwicklung läuft eigentlich unter der Oberfläche ab – es wird unheimlich viel investiert, einige Betriebe ergreifen die Flucht nach vorne, trotz unsicheren Rahmenbedingungen. Das Ergebnis ist, dass ausserlandwirtschaftliche Investoren Geld in die Landwirtschaft bringen – wenn der Betrieb dann nicht mehr über die Runden kommt, wird er vollends übernommen, der Bauer bleibt auch auf dem Betrieb. Das einzige, was ändert sind die Besitzverhältnisse. Und das ist eine ganz ungute Entwicklung. Wir gehen Weg vom verteilten Eigentum hin zu einigen wenigen Investoren, denen alles gehört.


Der Bundesverband deutscher Milchviehhalter (BDM) und das European Milk Board (EMB), deren Präsident Sie sind, schlagen eine Mengensteuerung vor.


SCHABER: Mindestens dann, wenn das Angebot zu gross ist, müssen wir in Europa die Möglichkeit haben, unsere Produk­tion zu drosseln. Denn im Vergleich zu Neuseeland, den USA und Argentinien sind wir am Weltmarkt mit Abstand die teuersten. Es würde deshalb Sinn ergeben, wenn wir uns bei einer schwierigen Marktsituation zurücknehmen würden. Dann würde das Preisniveau wieder steigen, und wenn sich die Märkte wieder erholen, kann man auch wieder mehr produzieren.


Aktuell ist die Nachfrage in China zurückgegangen, in der Schweiz spricht man von einem Absatz-, nicht einem Produktionsproblem.


SCHABER: Es ist immer beides, man kann es nicht getrennt beurteilen. Einfach so draufloszuproduzieren führt auch zu einem Produktionsproblem. Die Nachfrage können wir selbst nicht steuern – da kann man nur nehmen, was da ist. Wir können schliesslich die Chinesen nicht zwingen, Milch zu konsumieren. Und beim Angebot sind wir handlungsfähig, wenn wir wollen.


Die Milchproduktion in der EU steigt aber trotz schlechten Preisen weiter.


SCHABER: Die Erfahrung zeigt, dass die Masse der Bauern versucht, mehr zu produzieren, um die drohenden Ausfälle zu kompensieren. Was für den einzelnen Bauern auf seinem Betrieb logisch und richtig scheint, hat für den Markt katastrophale Konsequenzen – die Preise sinken, es wird noch mehr produziert, die Preise sinken weiter. So lange, bis auch die variablen Kosten nicht mehr gedeckt sind und Betriebe die Produktion einstellen müssen. Auch wenn ich die Produktion zurückfahre, profitiere ich davon nicht – meine Kollegen würden stattdessen einfach mehr produzieren. Der einzelne Milchbauer ist im Markt handlungsunfähig – und das ist, glaube ich, der springende Punkt!


Der Einzelne ist im Markt 
handlungsunfähig, sagen Sie. Wie soll dieser Entwicklung begegnet werden?


SCHABER: Wir brauchen für solche Situationen ein Instrument, wo jeder für sein Tun die Verantwortung übernehmen muss. Der, der in schwierigen Zeiten zur Entlastung des Markts beiträgt, soll eine angemessene Belohnung erhalten. Und er soll auch sicher sein, dass nicht sein Nachbar einfach mehr produziert. Wer aber mehr produziert, soll eine Abgabe bezahlen, weil er sich marktwidrig verhält.


Aber das war schon mit der Superabgabe bei der Quote so?


SCHABER: Klar, ja. Da hat der französische Agrarminister übrigens gesagt, dass die Franzosen mit den Deutschen mitgegangen wären, um die Superabgabe im letzten Jahr nicht mehr geltend zu machen. Er wollte das mit einem Instrumentarium verknüpfen, wie man nach der Quotenaufhebung die Märkte regulieren könnte. Das war dann aber den deutschen Vertretern zu viel.


Zum Leidwesen der deutschen Bauern ...
  

SCHABER: Die Bauern, die immer schreien, sie seien Unternehmer, müssen sich auch an den Rahmenbedingungen ausrichten – da kann man nicht einfach sagen, dass die Quoten einen nicht interessieren – das ist Spekulation, nicht Unternehmertum. Und die Bauern, die jetzt noch 150'000 bis 200'000 Euro Superabgabe zahlen müssen, die sind eigentlich bankrott.


Sie investieren enorm viel Zeit in Ihre Aufgaben, sind viel unterwegs. Finden Sie, dass Sie ein guter Bauer sind?


SCHABER: Ich war einmal ein guter Bauer (lacht). Im Sinne von gut produzierend. Es gab schon Jahre, wo es wirklich schwierig war, wo man gut sah, dass der Betrieb leidet. Gott sei dank ist jetzt der Sohn wieder auf dem Betrieb und hilft mit. Aber jeder, der sich bei uns einbringt, hat eine ähnliche Konstellation – anders wäre das nicht möglich.

Interview Hansjürg Jäger

- Das ganze Interview lesen Sie in der BauernZeitung vom 23. Juli auf Seite 2